Zahlungsdienstleister Projekt „Panther“: Wirecard spielte 2019 angeblich Fusion mit Deutscher Bank durch

Der Zahlungsdienstleister kämpft gegen eine schwere Vertrauenskrise.
Frankfurt Weniger als ein Jahr vor ihrer schweren Krise spielte die tief in einen Bilanzskandal verstrickte Wirecard AG einen Deal durch, der sie hinauf in die globale Finanzelite katapultieren sollte: Der Zahlungsdienstleister zog der Agentur Bloomberg zufolge eine Verbindung mit der Deutschen Bank AG in Betracht und wandte sich mit der Idee sogar an Deutschlands größtes Kreditinstitut.
Die Frankfurter verfügten zwar über eine Bilanzsumme von deutlich mehr als eine Billion Euro. Doch an der Börse war ihr Marktwert noch im April geringer als der von Wirecard.
Das Projekt mit dem Codenamen „Panther“ wurde Ende vergangenen Jahres im Management von Wirecard diskutiert, berichtete Bloomberg unter Berufung auf nicht näher beschriebene Insider. Die Aschheimer nahmen 2019 Kontakt zu den Kollegen in Frankfurt auf. Die Deutsche Bank habe die Vorgespräche aber schnell beendet, hieß es.
Eine 40-seitige Machbarkeitsanalyse von McKinsey kam zu dem Schluss, dass das „Wertversprechen der kombinierten Einheiten“ das Finanzsystem „grundlegend umgestalten“ werde. Durch die Kombination von Bank und Fintech-Unternehmen ließen sich bis 2025 jährlich sechs Milliarden Euro zusätzlicher Gewinn freisetzen, hieß es. Die Studie der Unternehmensberatung ist auf den 15. November 2019 datiert.
In dem Papier wurden weder Wirecard noch die Deutsche Bank genannt. Die Studie wurde jedoch vom Zahlungsabwickler in Auftrag gegeben, und bestimmte Kontextinformationen deuten auf die Deutsche Bank hin, darunter die Verwendung des Namens ihres IT-Systems „Autobahn“. Sprecher von Wirecard, Deutscher Bank und McKinsey lehnten einen Kommentar ab.
Mit der Implosion von Wirecard hat sich das Größenverhältnis beider Finanzakteure inzwischen deutlich verändert. Dem Börsenwert von 17,2 Milliarden Euro der Deutschen Bank steht nun Wirecard gegenüber, dessen Aktien nur noch 1,8 Milliarden Euro Wert sind.
Wirecard will sich Geschäftslizenz für Singapur besorgen
Bloomberg berichtete zudem unter Berufung auf Insider, dass die Bank of China ihre Kreditlinie für Wirecard in Höhe von 80 Millionen Euro auf den Prüfstand stellt. Die viertgrößte Bank der Volksrepublik gehe davon aus, den Großteil des Darlehens abschreiben zu müssen.
Weder die Bank of China noch Wirecard waren zu dieser Sache zunächst für einen Kommentar erreichbar. Die Bank of China gehört zu einer Gruppe von Geldhäusern, die Wirecard zwei Milliarden Euro an Krediten verliehen haben.
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Wirecard will sich zugleich zur Aufrechterhaltung der Geschäfte in Singapur eine Lizenz in dem Land besorgen. Der Zahlungsdienstleister habe einen Antrag bei der Aufsichtsbehörde MAS gestellt, teilte die Zentralbank in Singapur mit. Es müsse sichergestellt werden, dass Kundengelder im Land blieben.
Wirecard ist in Singapur vor allem für die Abwicklung von Zahlungen für Händler zuständig und unterstützt Unternehmen bei der Ausgabe von Prepaid-Karten. Bis ein neues Gesetz, das Grundlage für die nun beantragte Lizenz sei, in Kraft trete, arbeite Wirecard mit einer Ausnahmeregelung, erklärte die Zentralbank einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge.
Angesichts des Bilanzskandalswerden Rufe nach schärferen Regeln für Unternehmensführung laut. „Der Fall Wirecard macht deutlich, dass die Deutsche Börse dringend eine Reformdebatte anstoßen muss“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Vereinigung der Aufsichtsräte in Deutschland (VARD), Peter Dehnen, der Nachrichtenagentur Reuters.
„Wir brauchen in Deutschland einen starken Kapitalmarkt, und deshalb wünschen wir uns, dass die Deutsche Börse mit ihrer neuen starken Führung im Stil der Nasdaq die Diskussion über Standards guter Unternehmensführung vorantreibt - gemeinsam mit Aufsichtsräten und Vorständen.“ Die 2012 gegründete Vereinigung hat über 130 Mitglieder und bezeichnet sich als unabhängigen Berufsverband für Aufsichtsräte.
Aktie stoppt Talfahrt
Die Wirecard-Aktie eröffnete nach den Kursturbelenzen der vergangenen Tage am Dienstag rund acht Prozent fester bei 15,50 Euro. Im regulären Xetra-Handel waren die Papiere am Montag um 44 Prozent eingebrochen, danach ging der freie Fall auf der Handelsplattform Tradegate weiter.
Zuletzt kostete die Aktie dort nur noch 12,87 Euro nach zuvor 14,44 Euro zum Xetra-Schluss. Dies war nochmals ein Einbruch um mehr als zehn Prozent.
Der 62-prozentige Kursabsturz der Wirecard-Aktie am vergangenen Donnerstag galt als zweitgrößter Tagesverlust eines Dax-Titels in der fast 32-jährigen Geschichte des deutschen Leitindex. Am Freitag knüpfte das Papier dann mit einem Einbruch von 35 Prozent nahtlos an die Verluste an.
Den nochmaligen Kursrutsch auf Tradegate eingerechnet, summierte sich der Verlust in den wenigen Handelstagen seit Bekanntwerden der fehlenden Milliarden mittlerweile auf mehr als 87 Prozent. Nach am vergangenen Donnerstag wurden in der Spitze mehr als 100 Euro für die Aktien gezahlt.
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