Zinsberechnung Frontalangriff der Aufsicht: Bafin will Sparkassen zu Nachzahlungen bei Sparverträgen zwingen

Laut den Verbraucherzentralen stehen Kunden in vielen Fällen Nachzahlungen von mehreren Tausend Euro zu.
Frankfurt Die Bafin greift die Sparkassen im Streit um die korrekte Zinsberechnung in langlaufenden Sparverträgen frontal an. Die Finanzaufsicht hat dazu am Freitag eine Anhörung für eine geplante Allgemeinverfügung veröffentlicht.
Die Bafin will damit erreichen, dass Kreditinstitute, vor allem Sparkassen, ihre Kunden über mögliche Nachzahlungen aufklären und entsprechende Zahlungen auch zusagen. „Betroffene Bankkunden sollen nicht nur erfahren, welche Zinsanpassungsklausel in ihrem Fall verwendet wurde. Die Institute müssen ihnen auch erklären, ob sie dadurch zu geringe Zinsen erhalten haben“, teilte die Bafin mit.
Weiter merkt die Aufsicht an, die Kreditinstitute könnten den Verbrauchern entweder „unwiderruflich eine Nachzahlung zusagen“. Die Zahlung würde sich an weiteren zu erwartenden Gerichtsurteilen orientieren. Oder die Geldhäuser sollen den Kunden von sich aus eine Rückzahlung anbieten.
Hintergrund des Streits sind Tausende langlaufende Sparverträge, die aus den Jahren 1990 bis 2010 stammen. Im Fall der Sparkassen geht es meist um Verträge vom Typ „S-Prämiensparen flexibel“, aber auch andere Banken haben langfristige Sparverträge verkauft.
Verbraucherschützer monieren seit Langem, dass die Kreditinstitute Zinsanpassungsklauseln vielfach falsch angewandt und Kunden zu geringe Zinsen ausgezahlt hätten. Verbraucherschützer und Bafin verweisen dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2004.
Die Sparkassen wehren sich gegen den Vorwurf zu geringer Zinszahlungen. Sie interpretieren das Urteil des obersten deutschen Zivilgerichts anders. „Nach unserer Auffassung wurde die Rechtsprechung des BGH von 2004 seitdem angemessen in den betroffenen und späteren Prämiensparverträgen umgesetzt“, teilte ihr Lobbyverband DSGV mit. Er verwies zudem darauf, dass der BGH bald erneut über die Frage der korrekten Verzinsung entscheiden wird.
Der DSGV übt auch grundsätzliche Kritik an der Finanzaufsicht: Die Exekutivdirektion der Bafin-Wertpapieraufsicht sollte sich nicht an die Stelle von Gerichten setzen und zivilrechtliche Streitfragen selbst entscheiden wollen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband wertete die Bafin-Ankündigung als „gute Nachricht für Verbraucherinnen und Verbraucher und ein deutliches Signal an die betroffenen Sparkassen und Banken“, wie Vorstand Klaus Müller sagte.
Bereits Anfang Dezember 2020 hatte die Bafin sich auf die Seite von Kunden und Verbraucherschützern geschlagen. Damals empfahl die Bonner Behörde in einem „Verbraucheraufruf“, dem ersten überhaupt, Prämiensparverträge sorgfältig zu überprüfen. Sie riet Bankkunden sogar, sich an Verbraucherzentralen oder Anwälte zu wenden, um mögliche Rechtsansprüche geltend zu machen und deren Verjährung zu unterbrechen.
Hunderttausende Kunden wohl betroffen
Laut den Verbraucherzentralen stehen Kunden in vielen Fällen Nachzahlungen von mehreren Tausend Euro zu. Betroffen sind wahrscheinlich insgesamt Hunderttausende Kunden. Derzeit gibt es noch mehrere Gerichtsverfahren zu dem Thema, unter anderem Musterfeststellungsklagen von Verbraucherschützern.
Angesichts der laufenden Verfahren ist es umso bemerkenswerter, dass die Bafin sich nun auf die Seite der Verbraucher und gegen die Sparkassen stellt. Ein Fall liegt sogar schon beim BGH. Bislang wurde daher erwartet, dass erst ein BGH-Urteil explizit zur Zinsberechnung in Prämiensparverträgen für eine klare Regelung sorgt. Die Geldhäuser können sich nun bis zum 26. Februar zur von der Bafin anvisierten Allgemeinverfügung äußern.
Mehr: Kommentar: Im Streit über Sparverträge wenden sich Sparkassen von ihren Kunden ab
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