Zweigeteilte Bankenwelt Zahltag in Manhattan, Aufräumen in Europa

Bei den US-Banken fließt das Geld wieder.
New York/Frankfurt Die USA sind wieder das Land der – beinahe – unbegrenzten Möglichkeiten. Das gilt jedenfalls für die Banken. Beim Stresstest der Finanzaufseher im Juni bekamen alle 34 geprüften Kandidaten ihre Pläne für die Dividenden und Aktienrückkäufe genehmigt. Selbst bei einer schweren Krise, das war das Testergebnis, wären ihre heutigen Kapitalreserven ausreichend, um das Überleben zu sichern.
Das ist nicht nur für die Institute eine gute Nachricht, sondern auch für deren Anleger: Nach Analystenschätzungen können die sechs größten Geldhäuser – Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs, Morgan Stanley, JP Morgan Chase und Wells Fargo – in den kommenden vier Quartalen zusammen fast 100 Milliarden Dollar an ihre Aktionäre zurückgeben – etwa die Hälfte mehr als nach den Tests im vergangenen Jahr.
Es herrscht Zahltag an der Wall Street. Die genehmigten Pläne erlauben zum Teil, die Gewinne komplett auszuschütten. Ein deutliches Signal, dass die Phase des Aufbaus von Kapitalreserven zu Ende geht. Jetzt kommt die Zeit, wo die Banken ungehindert ihre Aktionäre beglücken dürfen.
Kurz nach Bekanntgabe der Testergebnisse äußerte sich auch Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank (Fed), sehr optimistisch. „Ich erwarte nicht, dass zu unseren Lebzeiten eine neue Finanzkrise passiert.“ Der Satz wurde seither vielfach zitiert, zum Teil auch kritisiert oder im Hinblick auf Yellens Alter von 70 Jahren diskret belächelt. Aber im Zusammenhang mit den Stresstests, bei denen die Fed federführend ist, galt er als Bestätigung: Die Finanzkrise ist jetzt nun wirklich vorbei, einschließlich ihrer Nachwehen.
David Bianco, Chefstratege für Amerika bei Deutsche Asset Management, hält große Banken daher für die zurzeit beste Idee, wenn Investoren defensive US-Aktien mit hohen Ausschüttungen suchen. Rückenwind gibt der Branche, dass die Fed die Zinsen erhöht. Denn es gelingt den Geldhäusern meist, bei den Kreditkunden die Schraube kräftiger anzuziehen als bei den Sparern, so dass für sie selbst höhere Zinsmargen übrig bleiben. Ein Problem für die Branche könnte werden, dass die langfristigen Zinsen trotz aller Bemühungen der Fed nicht anziehen. Damit wird die Zinskurve möglicherweise wieder flacher, der Unterschied zwischen kurz- und langfristigen Sätzen schwindet dahin. Aber laut Bianco betrifft das eher kleinere US-Banken, die davon leben, kurzfristige Einlagen in langfristige Kredite zu verwandeln. „Für die großen Häuser ist die Höhe der Zinsen ausschlaggebend, für die kleineren die Zinskurve“, sagt er.
Die großen US-Banken haben aber ein anderes Problem, das sich in den Zahlen für das zweite Quartal zeigen wird, die ab Freitag veröffentlicht werden. Die relative Ruhe an den Kapitalmärkten führt dazu, dass sich in dem Bereich nicht viel Geld verdienen lässt. Zum Teil haben Analysten daher ihre Gewinnschätzungen während des Quartals schon etwas gesenkt, weil einige Bankchefs über sehr verhaltenes Kapitalmarktgeschäft berichtet hatten.
Alle Augen auf Goldman
Besonderes Augenmerk werden dabei die Ergebnisse von Goldman Sachs auf sich ziehen, die am Dienstag veröffentlicht werden. Die Investmentbank hatte im ersten Quartal überraschend schlecht im Handel verdient und konnte dafür keine überzeugende Erklärung liefern. Inzwischen ist durchgesickert, dass vor allem die starke Positionierung von Goldman im Rohstoffhandel dafür verantwortlich ist. Während Konkurrenten sich dort weitgehend zurückgezogen haben, hält Goldman daran fest. Offenbar hat Konzernchef Lloyd Blankfein vor kurzem intern die Devise ausgegeben, dass dieser Bereich auch künftig zum strategischen Kern gehört. Das heißt: Er will daran festhalten, auch wenn es vorübergehend Probleme damit gibt. Morgan Stanley, der ewige Konkurrent von Goldman, hat dagegen deutlich aufgeholt und verdient vor allem im Aktiengeschäft sehr gut.
Analyst George David von der Researchfirma Baird erwartet „gemischte Quartalsergebnisse, weil die Zinsmarge sich erweitert hat, aber dem ein träges Kreditwachstum und schwächere Trends an den Kapitalmärkten gegenüberstehen“. Er sieht JP Morgan und Bank of America als relativ teuer an und zieht die Papiere von Wells Fargo vor.
Die Analysten des Researchhauses Keefe, Bruyette & Woods (KBW) überschreiben ihre Vorschau mit: „Niedrige Erwartungen, aber die Realität könnte überraschen.“ Sie fahren fort: „Nach unserer Einschätzung sind die Erwartungen der Investoren für die Quartalsergebnisse niedrig, weil die Bankmanager sie auf ein schwächeres Umfeld für den Handel vorbereitet haben und weil die niedrigen langfristigen Zinsen die Margen belasten könnten.“ KBW hofft jedoch, dass das Kreditwachstum besser als erwartet ausfällt, und verweist auf das nach der Wahl von US-Präsident Trump immer noch hohe Vertrauen der Verbraucher und der Geschäftsleute.
Die Experten erwarten, dass sich die „kreditadjustierte Zinsmarge“ der Branche verbessert. Damit gemeint ist der Unterschied zwischen den Zinsen für Kreditkunden und Sparer, korrigiert um einen Faktor für die Qualität der Kredite. KBW hat die zuvor abgesenkten Prognosen inzwischen wieder etwas angehoben. Die Analysten empfehlen Bank of America und Wells Fargo. Bei Bank of America erwarten sie weitere Erfolge bei der Kostensenkung. „Für Wells sehen wir eine Erholung des Kreditwachstums voraus, das die Bedenken wegen des verlorenen Momentums bei dem Unternehmen zerstreuen sollte“, heißt es weiter. Die Bank hatte durch einen Skandal im Vertrieb Kunden verloren.
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