Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Cum-Ex-Geschäfte und die Folgen

Wie Banken in die
Steuerkasse griffen

Cum-Ex-Skandal Investoren proben den Aufstand gegen die Investmentbank Macquarie

Zwanzig reiche Anleger wollen Schadensersatz von der australischen Bank – und erringen einen Etappensieg. Hintergrund sind missratene Steuerdeals der Marke Cum-Ex.
28.07.2021 - 17:11 Uhr Kommentieren
Am 29. Juli findet in Sydney die – vorwiegend digitale – Hauptversammlung der australischen Bank statt. Quelle: Reuters
Logo von Macquarie in der Zentrale in Sydney

Am 29. Juli findet in Sydney die – vorwiegend digitale – Hauptversammlung der australischen Bank statt.

(Foto: Reuters)

Düsseldorf Einst waren sie Kapitalanleger, nun sind sie Kläger. 30 Millionen Euro fordert eine Gruppe von Investoren von der australischen Investmentbank Macquarie. Vor dem Oberlandesgericht München erzielten sie nun einen wichtigen Erfolg.

Die Richter entschieden, dass der Streit um missglückte Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag in Deutschland zu führen ist. Bei einer Niederlage hätten die Anleger versuchen müssen, ihr Recht in Großbritannien oder Australien zu erstreiten – mit garantiert höheren Kosten und mutmaßlich niedrigen Chancen auf Erfolg.

Vor Jahren hatten die Kläger gehofft, mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften, bei denen die Gewinne aus doppelten Steuererstattungen stammen sollten, eine besondere Rendite zu erzielen; sie alle wurden geprellt, als die Finanzämter der Praxis einen Riegel vorschoben. Nur nicht Macquarie. Die Bank, sagen die Investoren, verdiente bei den Deals 75 Millionen Euro.

Am Mittwoch bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) die Strafbarkeit solcher Geschäfte. In dem ersten höchstrichterlichen Urteil entschieden die Richter in Karlsruhe, dass es sich bei den Cum-Ex-Geschäften von Investoren und Banken um strafbare Steuerhinterziehung handelt. Auch die Gewinne aus den Geschäften können laut BGH eingezogen werden. (AZ: 1 StR 519/20). 

Im aktuellen Streitfall würde das Bundeszentralamt für Steuern 462 Millionen Euro bei den Deals ausschütten, lautete zunächst der Plan, von dem die Anleger nichts gewusst haben wollen. Doch statt zweistellige Renditen in nur drei Monaten zu erzielen, ging ihr Einsatz fast vollständig verloren, klagen die Anwälte der Anleger. Macquarie dagegen habe so abgerechnet wie üblich, das Risiko der Bank war gleich null.

Die Fondsinvestoren griffen deshalb zu einem Mittel, das in ihrer Vermögenswelt selten Anwendung findet: Sie fanden sich zu einer Klagegemeinschaft zusammen. SF USPP nennt sich das Vehikel, in dem sich 20 Vermögende zusammengeschlossen haben, um ihr Geld von Macquarie zurückzuholen. Darunter befinden sich neben dem Chef eines bekannten Mittelständlers aus Schwabmünchen auch mehrere Investmentprofis aus München.

Nach Darstellung der Kläger war ihnen nie bewusst, dass ihre Gewinne bei den Cum-Ex-Geschäften von Macquarie aus der deutschen Steuerkasse stammen würden. Ob dies glaubhaft ist, müssen sie vor Gericht beweisen. Es wird ein Gericht in München sein, dem Tatort des Vergehens, wie das dortige Oberlandesgericht urteilte. Von der bayerischen Landeshauptstadt aus hätten Macquarie-Manager den versuchten Griff in die deutsche Steuerkasse organisiert.

Die Anleger wittern Betrug

„Betrügerische Schädigung“ der Anleger werfen ihnen deren Anwälte heute vor – und erhalten nun Rückendeckung vom Münchener Oberlandesgericht. Grundsätzlich erfülle der Vortrag der Klägergemeinschaft die Voraussetzungen eines mittäterschaftlich begangenen Betrugs durch Macquarie-Manager zusammen mit den Anwälten, heißt es in dem Urteil.

Laut Urteil des Oberlandesgerichts München fanden die Taten im Jahr 2011 statt. Cum-Ex-Geschäfte waren eigentlich kaum noch möglich. „Big Problem. Game Over“, hieß es am 15. Dezember 2010 in einer Mail eines involvierten Steueranwalts, die auch Macquarie-Verantwortliche erreichte. Die Stimmung unter Cum-Ex-Profiteuren war schlecht. Jahrelang waren Banken und Investoren damit durchgekommen, sich ihre Gewinne aus der Steuerkasse zu nehmen. Seit 2006 war der Gesetzgeber immer wieder mit dem Vorhaben gescheitert, das Treiben zu unterbinden. Ende 2010 aber zirkulierte ein Rundschreiben vom Bundesfinanzministerium, das selbst für die gewagtesten Konstrukte kaum noch Spielraum ließ.

Manche versuchten es trotzdem. Steuerberater organisierten die Cum-Ex-Deals so, dass deutsche Banken und Investoren nicht mehr zu sehen waren. Als Antragsteller für die Steuererstattungen traten nun Firmen auf, die sich als US-Pensionsfonds tarnten und angeblich steuerlich privilegiert waren. In der Regel hatten die Fonds nur einen Begünstigten und waren nicht mehr als Briefkastenfirmen. In einem Urteil gegen den Fonds KK Law bezeichnete der Präsident des Finanzgerichts Köln die Geschäfte als „kriminelle Glanzleistung“.

Im Streitfall von Macquarie wurde das Geld der Investoren über die Luxemburger Fondsfirma Sheridan eingesammelt, teils vertrieben von der Schweizer Bank J. Safra Sarasin, teils von der Schweizer Firma Oak. Dahinter stand unter anderem der deutsche Steueranwalt Hanno Berger, der in der Schweiz lebt und in Deutschland angeklagt ist. Kürzlich hat ihn die Schweiz in Auslieferungshaft genommen.

Waghalsige Investoren waren für ein Gelingen der Cum-Ex-Deals 2011 aber nicht genug – es brauchte auch eine risikofreudige Bank. Bei Cum-Ex-Geschäften stammte stets nur der kleinste Teil der investierten Summen von den Anlegern selbst – bis zu 90 Prozent liehen sich die Investoren von ihren Banken als Fremdkapital.

Australier stellten Kapital bereit

„Leveragen“ nennen Geldmanager dieses Prinzip. Zu Deutsch: hebeln. Es erlaubt den Investoren, mit weit höheren Einsätzen zu spielen, als sie selbst aufbringen wollen. Zudem waren immense Beträge notwendig, um genügend Aktien zu handeln und hohe Steuererstattungen zu erlangen. Solange Cum-Ex-Geschäfte als risikolos galten, mochten Banken sie gern finanzieren. 2011 hatte sich das geändert.

„Es gab keine Leverage-Provider mehr am Markt“, sagte ein Zeuge der Staatsanwaltschaft Köln bei seiner Vernehmung. „Die einzige Ausnahme, von der ich weiß, war Macquarie.“

Tatsächlich, so beschreiben es heute die klagenden Anleger, lieh Macquarie ihnen für die Cum-Ex-Geschäfte insgesamt 3,3 Milliarden Euro. Das Geld forderten sie nach den verpatzten Deals zurück, plus Zinsen. Die Gebühren und Provisionen für alle verbundenen Leistungen sollen ebenfalls abgerechnet worden sein.

Macquarie weist die Vorwürfe und Forderungen der Kläger zurück. Man habe die Cum-Ex-Investments nicht vermittelt und die Anleger weder beraten noch anderweitig mit ihnen zusammengearbeitet. „Es handelt sich um vermögende Privatpersonen mit eigenen Beratern. Viele haben zuvor ähnliche Transaktionen getätigt“, sagte ein Sprecher von Macquarie.

Klar ist nun, dass ein deutsches Gericht über den Streit richten muss. Für Macquarie ist der Zivilstreit aber nur ein Teil des Cum-Ex-Problems: Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung und teilweise wegen Anlegerbetrugs. Gegen die Bank selbst läuft ein Ordnungswidrigkeitenverfahren, es droht die Abschöpfung der Profite aus den illegalen Deals. Insgesamt sind etwa 100 derzeitige und ehemalige Mitarbeiter von Macquarie beschuldigt – bis hinauf zur Vorstandschefin Shemara Wikramanayake und ihrem Vorgänger Nicholas Moore.

Mehr: Von Geld, Gier und Gerechtigkeit – Warum Macquarie ins Visier der Ermittler geriet

Startseite
Mehr zu: Cum-Ex-Skandal - Investoren proben den Aufstand gegen die Investmentbank Macquarie
0 Kommentare zu "Cum-Ex-Skandal: Investoren proben den Aufstand gegen die Investmentbank Macquarie"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%