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Cum-Ex-Geschäfte und die Folgen

Wie Banken in die
Steuerkasse griffen

Cum-Ex-Skandal Lang & Schwarz verschiebt Hauptversammlung und bildet Rückstellung – Aktienkurs bricht zweistellig ein

Nach dem Zwischenbericht einer Steuerprüfung entscheidet sich der Vorstand des Wertpapierhandelsunternehmens zu einer hohen Rückstellung – und schockiert damit die Aktionäre.
25.08.2021 Update: 25.08.2021 - 17:29 Uhr 1 Kommentar
Lang & Schwarz hat zuletzt vom Trading-Boom in Deutschland profitiert. Quelle: ddp
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Lang & Schwarz hat zuletzt vom Trading-Boom in Deutschland profitiert.

(Foto: ddp)

Frankfurt, Düsseldorf Es war eine Hiobsbotschaft am Dienstagabend für Lang-&-Schwarz-Aktionäre: Per Ad-hoc-Mitteilung teilte das Wertpapierhandelsunternehmen mit, seine Hauptversammlung verschieben zu müssen. Der Grund ist ein Zwischenbericht im Zuge einer Steuerprüfung, der den Vorstand veranlasste, wegen „etwaiger steuerlicher Änderungs-, Zahlungs- oder Haftungsbescheide eine Rückstellung in Höhe von 45 Millionen Euro“ zu bilden.

Am Mittwoch startete die Aktie des Unternehmens aus Düsseldorf mit einem Minus von über 30 Prozent in den Handel und notierte bei rund 91 Euro. Im Laufe des Tages stabilisierte sich der Kurs auf diesem niedrigen Niveau. Zum Schluss des regulären Börsenhandels am Dienstag hatte das Papier noch bei 128,60 Euro notiert.

Das Aktionärstreffen hätte an diesem Donnerstag stattfinden sollen. Doch die Rückstellung hat deutliche Auswirkung auf das Ergebnis und auch die Dividendenzahlung des Unternehmens, das zuletzt vom Trading-Hype während der Coronakrise profitiert hat.

Gegenstand der steuerlichen Prüfung sei eine Untersuchung der Geschäfte von Lang & Schwarz aus den Jahren 2007 bis 2011, so das Unternehmen. Dabei gehe es um den Verdacht „unrechtmäßiger Anrechnung beziehungsweise Erstattung nicht gezahlter Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge bei Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag“. Auch wenn das Stichwort nicht direkt genannt wird, geht es um den Komplex der sogenannten Cum-Ex-Deals.

Mit dem lateinischen Begriff werden Aktiengeschäfte mit (cum) und ohne (ex) Dividende rund um den Ausschüttungstermin bezeichnet. Damit zielten die beteiligten Finanzinstitute darauf ab, sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer doppelt oder gar mehrfach erstatten zu lassen. Der Gesamtschaden für den deutschen Fiskus wird auf zwölf Milliarden Euro geschätzt.

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Aus der Mitteilung von Lang & Schwarz geht hervor, dass gegen verantwortliche Personen aus dem Haus ermittelt wird. Es gibt allerdings keine Informationen darüber, um wen es sich handelt und wie viele Beschuldigte es gibt. Auch ob gegen das Unternehmen selbst ein Verfahren wegen möglicher Ordnungswidrigkeiten läuft, ist nicht bekannt.

Auf Nachfrage teilte das Unternehmen mit, keine weiteren Informationen erteilen zu können. Aufgrund der Börsennotierung könne Lang & Schwarz nicht selektiv informieren. Außerdem könne man mit Rücksicht auf das Ermittlungsverfahren und auf betroffene Dritte keine Stellung nehmen. „Die Lang & Schwarz Aktiengesellschaft und ihre Gremien arbeiten auf eine schnelle Klärung hin. Der Vorstand wird wie angekündigt zeitnah über wesentliche Entwicklungen berichten“, teilte ein Sprecher lediglich mit. Ansonsten verweise man auf die Ad-hoc-Mitteilung.

Lang & Schwarz emittiert Hebelprodukte und Zertifikate, betreibt eine Plattform für außerbörslichen Handel und ist Market-Maker an der LS Exchange und anderen Börsen. Rückenwind bekam das Unternehmen als Handelspartner des Berliner Neobrokers Trade Republic, arbeitet aber auch mit anderen Brokern zusammen.

Staatsanwaltschaft Köln ermittelt

In Sachen Cum-Ex ermitteln inzwischen Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland. Die Ermittlungsakte von Lang & Schwarz liegt bei der Staatsanwaltschaft Köln. Die Behörde ist bei den Cum-Ex-Ermittlungen führend. Dort werden rund 80 Verfahren geführt mit mehr als 1000 Beschuldigten. In Köln werden sämtliche Ermittlungen aus NRW gebündelt.

Eingeleitet hatte die Ermittlungen im Fall Lang & Schwarz die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, zwischenzeitlich wurde er aber nach Köln abgegeben. Die dortige Staatsanwaltschaft hat in anderen Fällen bereits einige Anklagen beim Landgericht Bonn erhoben. Das erste Urteil aus dem Frühjahr 2000 hat der Bundesgerichtshof (BGH) jüngst bestätigt. Danach sind Cum-Ex-Geschäfte strafbar, und die Verantwortlichen müssen mit Freiheitsstrafen rechnen.

Nach der Entscheidung des BGHs zeichnet sich ab, dass zahlreiche weitere Institute für ihre Beteiligung an Cum-Ex-Geschäften büßen müssen. Aktuell gibt es nur einzelne Verfahren.

So wurde vor wenigen Monaten der ehemalige Generalbevollmächtigte von M.M. Warburg zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Außerdem laufen an den Landgerichten Frankfurt und Wiesbaden zwei Hauptverhandlungen. In Wiesbaden sind zwei ehemalige Banker der Hypo-Vereinsbank angeklagt, in Frankfurt Ex-Manager der an den Cum-Ex-Geschäften zugrunde gegangenen Maple Bank. Beobachter rechnen damit, dass es ab 2022 zu einer Anklagewelle kommt.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach hat die personellen Kapazitäten bei der Staatsanwaltschaft deutlich aufgestockt, um die Ermittlungen zu forcieren. Die Fälle sind nicht nur zahlreich, sondern auch komplex und haben internationale Bezüge.

Ermittelt wird im Umfeld namhafter Geldhäuser wie der Deutschen Bank, der Commerzbank, der australischen Investmentbank Macquarie oder ABN Amro aus den Niederlanden. Sie waren in verschiedenen Rollen aktiv, etwa als Leerverkäufer oder -käufer, Depotbank oder Finanzierer. Auch Broker und Handelsplattformen gehörten zum Cum-Ex-Netzwerk, das nach den jahrelangen Ermittlungen weitgehend entschlüsselt wurde.

Zwischenbericht des Finanzamts Düsseldorf

Der Ad-hoc-Mitteilung von Lang & Schwarz ist zu entnehmen, dass am Montagabend ein Zwischenbericht des Finanzamts Düsseldorf eingegangen ist. Dieser betrifft die steuerliche Prüfung der Kapitalertragsteuer-Anrechnung von Lang & Schwarz für die Geschäftsjahre 2008 bis 2009. Die Prüfung könne für verschiedene Beschlussfassungen erheblich sein. Deshalb sei es notwendig, die Hauptversammlung zu verschieben.

Insbesondere die Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2020, die vorgeschlagene Satzungsänderung betreffend einen Aktiensplit und die Entlastung des Vorstands sowie des Aufsichtsrats seien berührt. Die Prüfung sei bislang nicht abgeschlossen. Lang & Schwarz erhalte insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme. Für die anderen genannten Geschäftsjahre liegen bislang keine vergleichbaren Zwischenberichte vor.

Der Vorstand teilte mit, dass er die Beanstandung der Geschäfte für alle betreffenden Jahre insgesamt für unbegründet hält. „Diese Beurteilung gründet zunächst auf Stellung und Funktion eines Wertpapierhandelsunternehmens, das in einem regulierten und überwachten Markt unter Marktgerechtigkeit, im Einklang mit der Marktübung, von Handelsüberwachungsstelle, Börsenaufsicht und Finanzaufsicht insofern stets unbeanstandet Wertpapierdienstleistungen erbracht hat, ohne Identität und Umstände seiner Gegenpartei zu kennen“, heißt es in der Ad-hoc.

Insider gehen davon aus, dass die Geschäfte direkt über die Börse liefen. Als zentrale Handelspartner dienten Plattformen wie Xetra und Eurex. Über einen solchen Fall entschied das Finanzgericht Köln. Der Präsident des Gerichts bezeichnete Cum-Ex in diesem Zusammenhang als „kriminelle Glanzleistung“. Für die Marktteilnehmer war bei derartigen Konstellationen an den Preisen zu erkennen gewesen, dass die Kapitalertragsteuer für eine Aktie doppelt erstattet wurde.

Lang & Schwarz steht in ihrem Fall auf dem Standpunkt, die Steuern rechtmäßig kassiert zu haben. Nach aktuellem Kenntnisstand habe keine Gesellschaft des Konzerns wissentlich eine Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag beantragt oder erhalten, schreibt Lang & Schwarz. Nach Prüfung einer hinzugezogenen Steuerkanzlei seien zudem keine Absprachen mit einer Marktgegenpartei oder Depotbank über Mehrfacherstattungen identifiziert worden.

Gleichwohl sei es möglich, dass die jeweiligen Sachverhalte nachträglich steuerlich anders beurteilt werden. Der Vorstand habe entschieden, die oben genannte Rückstellung zu bilden. Maximal sei für alle betreffenden Jahre mit einer Ergebnisbelastung von bis zu 61 Millionen Euro zu rechnen.

Die Rückstellung könne aus dem laufenden Konzerngewinn des ersten Halbjahrs 2021 gebildet werden. Laut dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Halbjahresbericht erzielte Lang & Schwarz von Januar bis Juni 2021 einen Konzernüberschuss von 48 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es nur gut 14 Millionen Euro, das bedeutet ein Plus von 234 Prozent. Nun ist der Höhenflug erst einmal beendet.

Mehr: Investments in Broker und Handelsplattformen: Wette auf eine anhaltende Kursrally

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1 Kommentar zu "Cum-Ex-Skandal: Lang & Schwarz verschiebt Hauptversammlung und bildet Rückstellung – Aktienkurs bricht zweistellig ein"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Liebes Handelsblatt-Team,

    der Artikel gefällt mir gut, denn er erklärt die Sachverhalte rund um CumEx-Geschäfte und hinterlässt daher ein dickes Fragezeichen beim Leser:

    "Nach aktuellem Kenntnisstand habe keine Gesellschaft des Lang & Schwarz-Konzerns wissentlich eine Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag beantragt oder erhalten."

    Kann es einem gesunden Menschen passieren, unwissentlich Anträge zu stellen und von den folgenden Geldeingängen nichts zu wissen? Wohl eher nicht.
    Dass sich evtl. rechtswidrige "Abprachen" von einer Steuerkanzlei nicht einfach identifizieren lassen, leuchtet mir jedoch ein.


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