Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Cum-Ex-Geschäfte und die Folgen

Wie Banken in die
Steuerkasse griffen

Cum-Ex-Skandal Razzia bei langjährigem Scholz-Weggefährten Kahrs

Ermittler durchsuchen Privaträume des SPD-Politikers. Es geht um den Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal.
28.09.2021 - 12:46 Uhr 6 Kommentare
Am Dienstag rückten Beamte vor dem Privathaus von Johannes Kahrs an. Quelle: dpa
Johannes Kahrs

Am Dienstag rückten Beamte vor dem Privathaus von Johannes Kahrs an.

(Foto: dpa)

Düsseldorf, Berlin Mitten in den Vorbereitungen für seine Regierungsbildung wird SPD-Kanzleranwärter Olaf Scholz von der Steueraffäre Cum-Ex eingeholt. Am Dienstag rückten Beamte bei seinem langjährigen Weggefährten an, Johannes Kahrs. Zudem soll der Deutsche Bundestag die E-Mails von Kahrs herausgeben. Weil Kahrs seit dem 5. Mai 2020 kein politisches Mandat mehr hat, war eine vorherige Aufhebung seiner Immunität nicht nötig.

Die Staatsanwaltschaft Köln bestätigte dem Handelsblatt auf Nachfrage die „Sicherstellung beweisrelevanter Unterlagen und beweiserheblicher Kommunikation“. Zu Details machte sie keine Angaben. Ein Sprecher sagte: „Sowohl mit Blick auf die laufenden Ermittlungen als auch mit Blick auf den dem Gesamtsachverhalt zugrundeliegenden Vorwurf der Steuerhinterziehung können weitere Auskünfte zum Verfahrensinhalt wegen des zu beachtenden Steuergeheimnisses nicht erteilt werden.“

Auf Anfrage des Handelsblatts nahm Kahrs bislang nicht Stellung zu den Ermittlungen.

Kahrs war noch am Vorabend der Durchsuchung auf dem Gartenfest des Seeheimer Kreises in Berlin bester Laune. Viele Jahre hat er den mächtigen konservativen Flügel der SPD geführt, dank des einflussreichen Postens zahlreiche Deals geschmiedet. Kahrs schüttelte auf seinen Runden durch den Garten der Parlamentarischen Gesellschaft unzählige Hände, kannte fast jeden der 550 Gäste. Er erzählte über sein neues Leben nach der Politik, das ihn sehr glücklich mache.

Nebenbei lauschte Kahrs den Reden seiner Nachfolger und Kanzlerkandidat Olaf Scholz, die den Wahlsieg der SPD feierten. „Traumschön“ war das, fand Kahrs, eines seiner Lieblingsworte. Der Morgen war anders.

Kahrs ist der Begünstigung beschuldigt – und dies ausgerechnet für einen großen Spender seiner Partei: Christian Olearius. Gegen den langjährigen Chef und Miteigentümer der Hamburger Privatbank M.M. Warburg wird seit Jahren wegen so genanntem Cum-Ex-Handel ermittelt. Sinn solcher Geschäfte war, sich Erstattungen für Steuern zu erschleichen, die man gar nicht gezahlt hatte.

Mit einem vom Bundesgerichtshof bestätigten Urteil verpflichtete das Landgericht Bonn die Warburg Bank, 176 Millionen Euro an die Staatskasse zurückzuzahlen. Der ehemalige Generalbevollmächtigte der Bank wurde zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt, ein Investmentbanker der Unternehmenstochter Warburg Invest steht gerade vor Gericht. Olearius selbst ist beschuldigt, eine Anklage wahrscheinlich.

Mit ihrer Razzia will die Staatsanwaltschaft Kahrs' Rolle beim Umgang der Hansestadt mit den Steuerforderungen gegenüber der Bank klären. Das Finanzamt Hamburg verzichtete 2016 auf die Rückzahlung der Millionen aus den Cum-Ex-Geschäften. Scholz gelang im Wahlkampf, das Thema Cum-Ex von sich fernzuhalten. Dabei ist seit Monaten bekannt, dass der SPD-Kanzleranwärter sich 2016 und 2017 dreimal mit Olearius traf, als dieser in Sachen Cum-Ex politische Unterstützung suchte. Scholz bestritt, sich darauf eingelassen zu haben. „Das wäre eine politische Dummheit – und dazu neige ich nicht“, sagte Scholz im Hamburger Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex im April 2021. Bei anderslautenden Vermutungen handele es sich um „haltlose Schauermärchen“.

Die Razzia bei Kahrs deutet an, dass die Staatsanwaltschaft diesem Narrativ nicht folgt. Sie ermittelt nicht nur gegen Scholz' wichtigen Vertrauten, sondern auch gegen Alfons Pawelczyk. Von 1969 bis 1980 saß er für die SPD im Deutschen Bundestag, war Innensenator und Zweiter Bürgermeister der Hansestadt Hamburg.

Hamburger Finanzbeamtin ebenfalls unter Verdacht

Pawelczyk ist 88 Jahre alt und sein Haus wurde am Dienstag nicht durchsucht. Allerdings steuerten die Kölner Staatsanwälte die Finanzbehörde Hamburg und das Hamburger Finanzamt für Großunternehmen an. Grund sind die Ermittlungen gegen die Hamburger Finanzbeamtin P. Sie war zuständig für die steuerlichen Angelegenheiten der M. M. Warburg und wird der Begünstigung, Geldwäsche und Untreue im Amt verdächtigt. Die Finanzbehörde teilte mit, mit der Staatsanwaltschaft kooperieren zu wollen und betonte, es habe „keinerlei politische Einflussnahme auf das konkrete Steuerverfahren“ gegeben.

Das Finanzamt verzichtete darauf, von der M. M. Warburg 47 Millionen Euro Kapitalertragsteuern zurückzufordern, die aus fragwürdigen Cum-Ex-Geschäften stammten. Zuvor hatte Johannes Kahrs mehrfach mit Warburg-Bankchef Christian Olearius über das Thema gesprochen.

Die Staatsanwälte wissen von diesen Gesprächen, weil sie bei einer Durchsuchung das Tagebuch von Olearius sicherstellten und mehrere entsprechende Einträge fanden. Kahrs traf sich gemeinsam mit seinem Parteifreund Pawelczyk am 16. Oktober 2016 mit Olearius. Laut Tagebuch bekundete er dem Bankchef, unmittelbar nach diesem Treffen mit Olaf Scholz sprechen zu wollen. Wenn es jemanden gab, der helfen konnte, dann er.

Scholz war damals Erster Bürgermeister der Hansestadt. Am 25. Oktober 2016 trafen sich sein enger Vertrauter Kahrs und Pawelczyk erneut mit Olearius. Einen Tag später saß Scholz mit Olearius und Max Warburg zusammen, den beiden Haupteigentümern von M. M. Warburg.

Die Erinnerungslücken des Olaf Scholz

Sie brachten Scholz ein siebenseitiges Papier zu den Cum-Ex-Geschäften ihrer Bank aus 2009 mit. Das zuständige Finanzamt hatte durchblicken lassen, die 47 Millionen Euro aus unberechtigten Steuererstattungen zurückfordern zu wollen. Olearius und Warburg wollten das verhindern. Sie beharrten darauf, dass die Bank nichts Illegales getan habe. Außerdem gefährdeten die Rückforderungen die Existenz der M. M. Warburg, einer Hamburger Institution seit 1798.

Scholz sagte später, er habe „keine aktive Erinnerung“ an das Treffen. Olearius vermerkte in seinem Tagebuch, Scholz habe dazu geraten, ein vorbereitetes Argumentationspapier an die Finanzbehörde weiterzuleiten. Olearius erinnerte sich an Scholz‘ angebliche Worte: „Schicken Sie das Schreiben ohne weitere Bemerkung an den Finanzsenator.“

Der hieß damals Peter Tschentscher. Er war von 2011 bis 2018 Finanzsenator in Hamburg, dann wurde er Scholz‘ Nachfolger als Erster Bürgermeister der Hansestadt. Tschentscher bestreitet eine Einflussnahme bei der M. M. Warburg. Fakt ist: Nachdem Olearius mutmaßlich auf Anraten von Scholz sein Argumentationspapier an Tschentscher schickte, änderte das Hamburger Finanzamt seine Einschätzung in Sachen Cum-Ex.

Die M. M. Warburg musste die 47 Millionen Euro nicht zahlen. Vor weiteren Ansprüchen schien die Bank sicher – mit dem Ablauf das Jahres 2016 waren sie verjährt, so glaubte man damals.

Doch das Thema Cum-Ex war damit nicht überstanden. Auch 2010 hatte sich die Bank an solchen Geschäften beteiligt und sich Kapitalertragsteuern in Höhe von 43 Millionen Euro erstatten lassen. Aufgrund der Verjährungsfrist schien 2017 das letzte Jahr, um mögliche Rückforderungsansprüche zu stellen.

Klare Hinweise auf illegale Deals

Ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages lief. Die Bundesfinanzaufsicht Bafin stand in der Kritik, seit Jahren geschlafen zu haben. Auf die M. M. Warburg setzte die Bundesbehörde eigens einen Sonderprüfer an. Dessen Gutachten ergab im Frühjahr 2017: Die Geschäfte waren illegal, eine Rückforderung der Steuer geboten.

In der Hamburger Finanzbehörde sah man das anders. Die für die M. M. Warburg zuständige Sachgebietsleiterin P. versicherte der Bank, sie sehe weiterhin keine Grundlage für eine Steuerrückforderung. Das Problem für Olearius: Die Einschätzung der heimischen Finanzbehörde bedeutete kein Ende der Ermittlungen. Die wurden von der Staatsanwaltschaft Köln geführt.

In seiner Not wandte sich Olearius wieder an Johannes Kahrs. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichte vor einem Jahr einen Eintrag aus dem Tagebuch von Olearius. „Ich sollte keine großen Wiedergutmachungsansprüche stellen, sondern vielleicht darüber nachdenken, dass ein Regierungsmitglied sich bei einem hiesigen Fest positiv über M. M. Warburg und mich auslässt“, schrieb Olearius demnach am 14. Juni 2017. Kahrs habe dann um eine Spende gebeten. Olearius schrieb: „Ich gewähre die Hälfte.“ Das Geld floss dann unter anderem über die Firma Vigor, die selbst in Cum-Ex-Fonds investiert hatte.

So blieben die Kommunikationswege offen. Auch im Oktober 2017 tauschten sich Olearius, Kahrs und Pawelczyk miteinander aus. Die M. M. Warburg war in arger Bedrängnis. Die Bank hatte nicht nur Steuerprobleme, sondern als Finanzierer von zahlreichen Schiffen auch Schwierigkeiten mit der grassierenden Schiffskrise. Pawelczyk schlug ein weiteres Treffen mit Olaf Scholz vor.

Dazu kam es am 10. November. Am selben Tag erhielt die Hamburger Finanzbehörde ein Schreiben aus dem Bundesfinanzministerium. Die Hanseaten sollten die Verjährung der Ansprüche an die M. M. Warburg stoppen, damit der Staatskasse nicht erneut mehr als 40 Millionen Euro verloren gingen. Olearius fragte Scholz, was er nun tun soll.

Weisung vom Bundesfinanzministerium

„Ich meine, sein zurückhaltendes Verhalten so auslegen zu können, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen“, schrieb Olearius in sein Tagebuch. Scholz bezeichnete diesen Eintrag später als „Vermutungen“. Er habe nichts zu dem Thema gesagt.

Für Olearius und seine Bank wurde es brenzlig. Das Bundesfinanzministerium mit Steuerabteilungsleiter Michael Sell forderte die Hanseaten auf, endlich die 43 Millionen Euro aus den Cum-Ex-Geschäften aus 2010 von der M. M. Warburg zurückzufordern. Am 1. Dezember 2017 erging diese Weisung auch schriftlich. Ein beispielloser Vorgang.

Kahrs traf sich im Dezember 2017 erneut mit Olearius. Der SPD-Mann habe sich bereit erklärt, sich „in Berlin einen Durchblick“ zu verschaffen, schrieb Olearius in sein Tagebuch. Drei Monate später gab es einen Lichtblick. Olaf Scholz wurde Bundesfinanzminister. Bald darauf gab es noch einen Personalwechsel: Michael Sell ging. Der Mann, der die Hamburger angewiesen hatte, die Steuern von Olearius' Bank zurückzufordern, verließ das Ministerium.

Doch nun steht die Hamburger Finanzbeamtin P. im Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und muss um ihren Beamtenstatus fürchten. Dies immerhin bleibt dem ebenfalls verdächtigen Johannes Kahrs erspart – wenn er sich nicht selbst feuert.
Der Scholz-Weggefährte machte sich nach einem Ausscheiden aus der Politik selbstständig. Duckdalben Consulting heißt Kahrs' Firma. Unternehmenszweck ist die Beratung insbesondere in Private-Public-Partnership-Projekten.

Mehr: Nach der Cum-Ex-Entscheidung des Bundesgerichtshof rollt eine Anklagewelle an.

Startseite
Mehr zu: Cum-Ex-Skandal - Razzia bei langjährigem Scholz-Weggefährten Kahrs
6 Kommentare zu "Cum-Ex-Skandal: Razzia bei langjährigem Scholz-Weggefährten Kahrs"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Na, das klingt doch vielversprechend für die neue Politik, die "endlich" fällig wird. Gibt es da nicht noch mehr Leichen im Keller?

  • Mit freundlichen Grüßen an alle SPD-Wähler da draußen: 25,7% der Wähler wollten dessen Chef als Kanzler sehen - sauber! Sauber reingefallen. Hoffentlich kriegen es Laschet und CDU noch irgendwie hin, mit Christian Lindner als Zünglein an der Waage. Aber erstmal muss Querschläger Söder endlich mal Ruhe geben.

  • "Hamburger Finanzbeamtin P." hmm.... Heißt die gute Frau vielleicht auch Pawelczyk ?

  • Drücken wir uns mal die Daumen, dass die Geschichte in ihrer vollen Tragweite ans Tageslicht kommt, bevor Olaf S. als neuer Bundeskanzler vereidigt ist ...

  • das ist typisch für die Spd. Walter Borjans macht Geschäfte mit Dieben und sitzt als
    Finanzminister im Aufsichtsrat der Westdeutschen Landesbank und läßt zu, dass die Bank
    Cum-Cum Geschäfte tätig. Aufklärung dazu Null, Vertuschungen siehe Scholz

  • Kahrs hat vermutlich noch mehr Erinnerungslücken wie Carsten M. Und Olaf S. zusammen.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%