Cum-Ex-Skandal Razzia beim Finanzriesen Nomura in Frankfurt

Die Nomura-Büros in der Mainmetropole wurden durchsucht.
Düsseldorf Der Skandal um die doppelte Erstattung nur einmal gezahlter Kapitalertragsteuern zieht weitere Kreise. Nach Informationen des Handelsblatts aus Juristenkreisen durchsuchen rund 80 Steuerfahnder, Polizisten und Staatsanwälte Büros der japanischen Investmentbank Nomura in Frankfurt. Auch Beamte des Bundeszentralamts für Steuern sind an der Razzia beteiligt.
„Die Staatsanwaltschaft Köln vollstreckt seit gestern in Frankfurt am Main einen Durchsuchungsbeschluss gegen eine in Asien ansässige Investmentbank“, sagte ein Sprecher der federführenden Staatsanwaltschaft Köln am Mittwoch dem Handelsblatt, ohne den Namen des Instituts zu nennen. „Die Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit verfahrensgegenständlichen Cum-Ex-Geschäften sowie verwandter Steuerhinterziehungsmodelle.“
Dass Nomura an illegalen Geschäften der Marke Cum-Ex beteiligt gewesen sein soll, ist nicht neu. Die Japaner standen bereits auf einer Liste mit 130 Finanzinstituten, die ein Whistleblower 2014 an die Steuerfahndung Wuppertal verkaufte.
Die aktuelle Dursuchung diene nun „insbesondere der Auffindung relevanter Kommunikation in Form von E-Mails und sonstiger schriftlicher Korrespondenz“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln. Das Ermittlungsverfahren richte sich gegen 37 Beschuldigte, die für die Bank oder deren Töchter tätig waren oder sind. Ein Sprecher von Nomura bestätigte die Durchsuchung. Die Ermittlungen beträfen in der Vergangenheit liegende Transaktionen. „Wir arbeiten weiterhin umfassend mit den Behörden in ihrer Untersuchung zusammen“, so der Sprecher.
Nomura soll den Erkenntnissen der Justiz zufolge in der Cum-Ex-Affäre unter anderem als Leerverkäuferin von Aktien aufgetreten sein – und nähme damit eine Schlüsselrolle ein. Die Bank steht auch auf einer Liste von Cum-Ex-Mandaten der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer.
Nomura übernahm wichtigen Part
Aus Gerichtsverfahren sind Geschäfte mit der Dekabank aus dem Jahr 2010 bekannt. Nomura verkaufte der Dekabank Aktien, die sie noch gar nicht hatte. Der Leerverkauf war Teil des Verwirrspiels, mit dem die Finanzämter zur doppelten Erstattung von Kapitalertragsteuer verleitet wurden.
Auch die Dekabank wurde bereits durchsucht – im Juni 2022. Dem voraus ging ein jahrelanger Rechtsstreit, geführt von der damaligen Chefjuristin Elisabeth Roegele. Sie versuchte nach einem misslungenen Cum-Ex-Deal, den entgangenen Gewinn gerichtlich beim Finanzamt einzuklagen.
Die Klage scheiterte 2016. Roegele war da schon nicht mehr da – sie wechselte 2015 zur Finanzaufsicht Bafin. Dort trat sie 2021 im Zuge der Wirecard-Affäre ab, heute berät Roegele eine Schweizer Investmentboutique.
Zwischen Deka und Nomura gab es in Sachen Cum-Ex offenbar enge Absprachen. Dem Handelsblatt liegen Bloomberg-Chatprotokolle vor. Die Händler arbeiten mit Bloomberg-Terminals und kommunizieren auch darüber.
Nach einer Serie von Cum-Ex-Geschäften schrieb ein Nomura-Händler am 20. Juli 2010: „Eigentlich können wir uns doch schon für 2011 schönrechnen, oder? LOL.“ Sein Gegenüber bei der Deka entgegnete: „Schönrechnen sagt alles aus.“ Darauf die Antwort: „Du weißt, was ich meine.“
Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Köln kam Nomura vor allem durch einen Zukauf zu seiner Stellung im Cum-Ex-Geschäft: Der japanische Finanzkonzern übernahm 2008 das Asiengeschäft sowie die Investmentbanksparte der insolventen US-Investmentbank Lehman Brothers in Europa und im Nahen Osten.
Lehman-Team wechselte zu Nomura
Mit Lehman kamen viele Cum-Ex-Spezialisten zu Nomura. Sie knüpften dort an, wo sie bei Lehman aufgehört hatten. Lehman gehörte zu den größten Leerverkäufern im Markt. Ihr Insolvenzverwalter zahlte später 48 Millionen Euro an die Justizkasse in Nordrhein-Westfalen – eine Folge der Cum-Ex-Geschäfte.
Nomura steht noch am Anfang des Verfahrens. Das Geldhaus war nicht nur als Leerverkäufer, sondern auch als Broker aktiv – und als Financier von Cum-Ex-Geschäften. Für sie war ein immenser Geldeinsatz nötig. So wurde Eigenkapital von 50 Millionen Euro teilweise mit dem Faktor 20 gehebelt. Eine Bank stellte damit für einen einzelnen Deal eine Milliarde Euro zur Verfügung. In jeder Dividendensaison gab es etliche solcher Transaktionen.
Cum-Ex-Geschäfte waren immer schon illegal. Der Gesetzgeber brauchte aber viele Jahre, um sie technisch zu unterbinden. Ab 2012 waren sie nicht mehr möglich, jedenfalls nicht in der klassischen Form. In der Bankenszene ist es allerdings ein offenes Geheimnis, dass manche Aktienspezialisten neue Wege fanden, in die Steuerkasse zu greifen. Auch bei den Cum-Ex-Nachfolgemodellen ging es im Kern darum, sich mehr Kapitalertragsteuer vom Staat auszahlen zu lassen als eingezahlt wurde.
Die Razzia bei Nomura spricht dafür, dass die europäische Einheit des japanischen Investmentriesen Spezialisten dieser Art in ihren Reihen hatte. Bei den Ermittlungen geht es um die Jahre ab 2007. Sie reichen bis in die Gegenwart.
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