Steuerskandal Cum-Ex-Prozessauftakt ohne Hauptangeklagten: „Hanno Berger kann und wird nicht erscheinen“

Der Angeklagte Hanno Berger ist zum Prozessbeginn nicht in Wiesbaden erschienen.
Wiesbaden Der Hauptangeklagte ist nicht gekommen. „Hier in der Mitte ist ein Platz frei“, sagt Richterin Kathleen Mittelsdorf trocken. Gerade hat die Vorsitzende Richterin am Landgericht Wiesbaden den lang erwarteten Strafprozess um sogenannte Cum-Ex-Geschäfte eröffnet. Schaden für den Steuerzahler: 113 Millionen Euro. Doch Hanno Berger, der Steueranwalt, den die Staatsanwaltschaft als Spiritus Rektor der Geschäfte sieht, ist nicht da.
Das wird sich auch nicht ändern. „Wir teilen mit, dass Herr Dr. Berger nicht erscheinen kann und wird“, sagt sein Strafverteidiger, Sebastian Gaßmann. Dann sagt er, Berger sei nicht ordnungsgemäß geladen worden. Ihm sei angedroht worden, ihn notfalls vorzuführen. Das sei unzulässig, da Berger in der Schweiz lebe. Die angedrohten Zwangsmaßnahmen würden die Souveränität der Schweiz verletzen. Außerdem sei Berger seit dem 8. März hospitalisiert.
Richterin Mittelsdorf beschließt daraufhin, das Verfahren gegen Berger abzutrennen. Zehn Minuten nach Beginn ist der Prozess für Bergers Verteidiger zu Ende. Er und Bergers zweiter Rechtsbeistand Kai Schaffelhuber verlassen den Raum. Dabei reiste Schaffelhuber extra 1700 Kilometer weit an. Er lebt in Lettland.

Bergers Verteidiger konnten bereits nach wenigen Minuten ihre Sachen packen, nachdem die Vorsitzende Richterin das Verfahren gegen ihn abgetrennt hatten.
Einst als Pilotverfahren im größten Steuerskandal der Republik angelegt, ist das Geschehen in Wiesbaden zu einem Rumpfprozess verkommen. Von den sechs Männern, die anfangs auf der Anklagebank Platz nehmen sollten, sind nur zwei gekommen, beide ehemalige Banker der Hypo-Vereinsbank (HVB), unter deren Dach, die Geschäfte einst betrieben wurden. Das Verfahren gegen den ehemaligen HVB-Banker Paul Mora wurde im Herbst 2020 abgetrennt. Gegen ihn liegt wie gegen Berger ein Haftbefehl vor.
Ausgegliedert wurde kürzlich außerdem das Verfahren gegen zwei britische Ex-HVB-Banker, Peter S. und Nicolas D. Die aktuellen Reisebeschränkungen lassen eine An- und Abfahrt zum Prozess nicht zu, ein dauerhaftes Verbleiben in Deutschland sei ihnen nicht zuzumuten.
Angeklagte Ex-HVB-Banker wollen nicht Bescheid gewusst haben
So wirkt der Saal, in dem an diesem sonnigen Frühlingstag verhandelt wird, reichlich überdimensioniert. Auf dem Fest- und Kirmesplatz „Gibber Kerb“ hat das Landgericht eine gut 900 Quadratmeter große Leichtbauhalle aufbauen lassen. Sie dient als externer Sitzungssaal. Fast 20 Angeklagte hätten hier Platz.
Die Angeklagten, die erschienen sind, bezeichnen sich als unschuldig und lassen jeweils durch ihre Rechtsanwälte Stellungnahmen vortragen. Schwere Steuerhinterziehung wird ihnen vorgeworfen, ausgeübt durch Aktiengeschäfte zwischen 2006 und 2008.

In der eigenes errichteten Gerichtshalle könnten bis zu 20 Angeklagte Platz finden.
Bei Cum-Ex-Geschäften ließen sich beteiligte Banken, Investoren und Mittelsmänner Steuern erstatten, die sie gar nicht abgeführt hatten. Rechtsanwälte bescheinigten ihnen, dies sei lediglich Ausnutzung einer Lücke im Steuerrecht. Finanzgerichte haben inzwischen eindeutig geurteilt, dass die Geschäfte illegal waren. Freilich – kein Beteiligter kann bestraft werden, ohne seinen Fall im Einzelnen zu verhandeln.
In der Wiesbadener Anklage bezeichnet die Staatsanwaltschaft das Handeln der Beschuldigten als „komplexe Täuschungsmanöver“. Die beiden Beschuldigten, die auf der Anklagebank Platz genommen haben, wollen davon aber nichts mitbekommen haben.
Über die Details der Transaktionen habe er nicht Bescheid gewusst. „Reiner Befehlsempfänger“ sei sein Mandant gewesen, sagt Frank Eckstein, einer der Verteidiger. Dazu habe Berger, der die Deals als externer Steueranwalt begleitete als absolute Koryphäe auf diesem Gebiet gegolten und an seiner Seriosität und Kompetenz habe es keine Zweifel gegeben.
Unverständnis von Seiten der Verteidiger
Ähnlich argumentiert Rainer Spatscheck, Verteidiger des anderen Angeklagten. Er bemüht für diesen zudem das Beispiel eines Autoverkäufers, der mit betrügerischer Software ausgestattete Autos verkaufte, aber vom Betrug selbst nichts mitbekam. Ähnlich sei es im vorliegenden Fall gewesen.
Dass sein Mandant nun als eines der Gesichter dieses Prozesses herhalten müsse, während die vier mutmaßlichen Protagonisten fehlen, sei nicht zu verstehen. Kein Verständnis hat der Verteidiger auch dafür, dass der Prozess nicht noch einmal verschoben wurde. Eine Verbesserung der Corona-Situation in den kommenden Monaten sei absehbar, dann könnten womöglich zumindest zwei der weiteren Angeklagten am Prozess teilhaben.

Der Platz des Hauptangeklagten Hanno Berger im Cum-Ex-Strafprozess vor dem Landgericht Wiesbaden bleibt wohl auch während der kommenden Prozesstage leer.
Bereits zweimal war der Prozess in den vergangenen Monaten vertagt worden. Ursprünglich sollte das Verfahren im Oktober beginnen. Und auch bis dahin gestaltete sich der Verfahrensablauf schon sehr zäh. Dass die Anklage – die erste überhaupt in einem deutschen Cum-Ex-Verfahren – erhoben wurde, ist schon dreieinhalb Jahre her. Anschließend dauerte es jedoch noch geschlagene zwei Jahre bis diese zugelassen wurde.
So zog das Landgericht Bonn in der Aufarbeitung von Cum-Ex-Geschäften an den Wiesbadener Kollegen vorbei. Dort fiel vor rund einem Jahr das erste Urteil. Nicolas D. und Peter S., die beiden britischen Banker, deren Prozess in Wiesbaden nun abgetrennt ist, wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt.
In Bonn ist Hanno Berger unterdessen in einem weiteren Verfahren ebenfalls angeklagt. Der Prozess in Wiesbaden wird derweil in zwei Wochen ohne ihn fortgesetzt.
Mehr: Oberlandesgericht Frankfurt macht Weg für Hanno Bergers Auslieferung frei
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.