
Ein Schild mit der Aufschrift "Ergo" steht vor der Zentrale der Versicherungsgruppe Ergo in Düsseldorf.
Hamburg Die Sex-Reisen des Versicherungskonzerns Ergo werden zur heißen Kartoffel für die Hamburger Gerichte. Nach Recherchen des Handelsblatts schieben sich das Amtsgericht Hamburg und das Landgericht Hamburg die Zuständigkeit für die berüchtigte Budapest-Reise gegenzeitig zu. Inzwischen ist der Fall beim Hanseatischen Oberlandesgericht angekommen.
Ursprung des Streits ist eine Motivationsreise der Ergo-Tochter Hamburg-Mannheimer im Juni 2007. Zur Besserung der Motivation, wie es im internen Sprachgebrauch hieß, veranstaltete der Vertrieb auf Kosten des Konzerns eine Orgie im Freibad. Die historischen Gellert-Thermen wurden mit Himmelbetten ausgestattet, eine Vielzahl Prostituierter mit farbigen Armbändchen zur Verwendung gekennzeichnet und nach jedem Liebesdienst am Unterarm abgestempelt. Anschließend wurde die Party versteuert und im Mitarbeitermagazin als „Mordsspaß“ angepriesen.
Torsten Oletzky, der Vorstandsvorsitzende von Ergo, erfuhr laut Selbstauskunft erst drei Jahre später von der Sause, hakte den Fall aber im Sommer 2010 ab. Erst nachdem die Orgie öffentlich wurde, erstattete Ergo im Juli 2011 Anzeige. Am 31. Juli 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Hamburg Anklage. Doch kein Gericht will die Ergo-Reise verhandeln.
Die Top-Five-Clubreise nach Mallorca (kleine Clubreise) hat in der Zeit vom 12.09. - 15.09.2005 stattgefunden und wurde von Herrn Lange in seiner Funktion als Leiter der HMI-Vertriebsorganisation begleitet.
Insgesamt werden angabegemäß je Jahr eine „große“ und zwei „kleine“ Top-Five-Clubreisen in Eigenregie von der Vertriebsdirektion HMI (VDHMI) organisiert, durchgeführt und über eigene Kostenstellen abgewickelt.
Als sie den Club betreten hätten, seien er und andere überrascht gewesen, weil im Tresenbereich leicht bekleidete „Mädels“ gestanden hätten. Einige, zu denen er gehörte, seien dann ca. nach einer Stunde zurückgefahren, andere seien dort geblieben.
Aufgrund der vorliegenden Information ist es aus Sicht von REV (Revision) wahrscheinlich, dass mit den beiden von Herrn Lange eingereichten Bewirtungsbelegen über gesamt 2428 Euro Aufwendungen für einen Nachtclub/Bordellbesuch finanziert wurden.
Auf beiden Belegen ist im Kopf der Name „Mexxaton“ vermerkt, bei dem es sich anscheinend um die Lokalität handeln soll, von der sie ausgestellt wurden. Auf dem Beleg über € 1508 ist zusätzlich das Datum „15.09.05“ vermerkt, während der andere kein Datum trägt. Weitere Angaben z.B. zum Aussteller befinden sich nicht darauf.
Eine Lokalität mit dem Namen „Mexxaton“ auf Mallorca haben wir weder bei unseren Internetrecherchen gefunden noch war sie der vor Ort vertrauten Reiseagentur bzw. dem Hotel oder Reiseteilnehmern bekannt.
Das Datum auf dem Beleg über € 1508 wäre allenfalls plausibel, wenn die Rechnung in den frühen Morgenstunden ausgestellt wurde, da am 15.09.05 der Abreisetag war.
Wir haben am 10.06.2011 Herrn Lange telefonisch zu dem Vorgang befragt. Er erinnerte die Reise zwar, gab aber an, die Gruppe nicht in ein Bordell eingeladen zu haben. Zu den „Zweckformbelegen“ und dem Namen „Mexxaton“ könne er aber nichts sagen.
Im Zusammenhang mit der Prüfung zu dem HMI-Sonderwettbewerb - Budapest 2007 („Party Total“) sind die auf den Gewinner- bzw. Teilnehmerlisten aufgeführten Personen von der Konzernrevision zur Teilnahme und ggf. weiteren Details befragt worden. Dabei ist von einer Person der Hinweis geäußert worden, dass es auf einer Wettbewerbsveranstaltung der HMI nach Südamerika zu vergleichbaren Aktivitäten gekommen sei.
Auf Nachfrage wurde der Hinweis dahingehend ergänzt, dass eine HMI-Geschäftsstelle in Frankfurt im Januar/Februar 2011 eine Wettbewerbsreise in ein „Swinger-Hotel“ in Jamaika durchgeführt habe.
Die von Herrn M. geleitete Geschäftsstelle in Frankfurt hat in den Jahren 2009 und 2011 jeweils Wettbewerbsreisen nach Jamaika in das „Swinger-Hotel“ Hedonism II (www.hedonism-resorts.de) durchgeführt.
Das Hotel ist gemäß Internet-Recherche ein bekanntes Reiseziel für entsprechend interessierte Personen.
Vor Buchung der Reise sind die Reiseunterlagen gem. Richtlinie zum Generalstrukturen-Reisewettbewerb (GRW) der abrechnenden Stelle PVH5HH per Mail zur Genehmigung vorgelegt worden.
Von der Geschäftsstelle wurden insgesamt drei Angebote von unterschiedlichen Hotels eingeholt und es wurde mitgeteilt, dass man sich für die dritte, günstigste Variante mit der Hotelkombination Mariott am Time Square und dem Hedonism II auf Jamaika entschieden hatte.
Als Grund für die Buchung gab er an, dass seine erste Wettbewerbsreise vor 25 Jahren in dasselbe Hotel geführt habe.
Nach allem, was Ergo heute bekannt ist, war diese Veranstaltung ein Einzelfall und widersprach schon damals den Regeln, die für die Organisation von Wettbewerbs-Reisen gelten.
Herr P. verwies darauf, dass sich zur selben Zeit das Magazin „Playboy“ mit „Bunnys“ zwecks eines Fotoshootings in der Anlage aufhielt.
In diesem Zusammenhang seien auch Fotos mit Teilnehmern und den Models (teilweise ohne Oberteil) aufgenommen worden. Es sei nicht auszuschließen, dass diese Fotos an die Öffentlichkeit gelangten.
„Das Amtsgericht ist sachlich unzuständig“, heißt es in einem Beschluss des Amtsgerichts Hamburg St. Georg vom 22. Januar 2013, der dem Handelsblatt vorliegt. Das Verfahren sei zu groß. Folglich sei es „im öffentlichen Interesse geboten, die Verhandlung dem Landgericht zu übertragen.“
Das Handelsblatt berichtet über die Sex-Reise der Hamburg-Mannheimer (HM) nach Budapest. Die Ergo-Sprecherin Alexandra Klemme räumte daraufhin ein: "Es ist richtig, dass es im Juni 2007 eine Incentive-Reise des HMI-Vertriebs nach Budapest gegeben hat. Unsere Recherchen haben ergeben, dass bei einer Abendveranstaltung im Rahmen dieser Reise ca. 20 Prostituierte anwesend waren. Von öffentlichen Sexdarbietungen ist uns nichts bekannt."
Ergo richtet eine Task-Force zur Aufklärung der Vorgänge ein. Sie wächst im Laufe der kommenden Wochen auf mehr als 100 Mitarbeiter an.
Die "Bild am Sonntag" zeigt Bilder und ein Video von vermeintlich koksenden Versicherungsvertretern der Hamburg-Mannheimer.
Die Ergo erklärt: "Die Berichterstattung in der "Bild"-Zeitung, wonach Handelsvertreter der Hamburg-Mannheimer auf sogenannten Top-5-Reisen Kokain konsumiert hätten, ist unwahr. Die von der "Bild"-Zeitung veröffentlichten Fotos zeigen ein Trinkspiel mit Salz, Tequila und Zitronensaft. Dazu gehört das Einschnupfen von Salz durch die Nase."
Fußballtrainer Jürgen Klopp lässt seinen Werbevertrag mit Ergo (HMI) ruhen. "Was man von dieser Reise liest, kann man nur aufs Schärfste verurteilen", sagt sein Berater Marc Kosicke.
Ergo gibt bekannt, seine Werbekampagne, die allein im Jahr 2010 mehr als 50 Millionen Euro kostete, zu reduzieren.
Auf Youtube taucht eine Parodie auf die jüngste Ergo-Werbekampagne auf. Der Spot wurde bislang fast 200 000-mal angeklickt - vier mal so oft wie das Original.
Die "Welt am Sonntag" berichtet, Ergo habe die Sex-Reise von der Steuer abgesetzt.
Fußballtrainer Jürgen Klopp kündigt seinen Vertrag mit Ergo (HMI).
Der Ergo-Aufsichtsrat tagt und beschließt härtere Compliance-Richtlinien.
Das "Handelsblatt" berichtet, Ergo habe Tausenden von Kunden mit fehlerhaften Riester-Verträgen einen Millionenschaden zugefügt.
Ergo dementiert das Handelsblatt. Ergo-Sprecher Alexander Becker: "Ein systematischer Fehler hätte sicherlich zu massiven Kundenbeschwerden im Anschluss an die Aushändigung der Policen geführt. Diese sind aber nicht erfolgt. Wir gehen deswegen davon aus, dass es sich um Einzelfälle handelt."
Ergo nimmt das Dementi zurück, löscht die morgendliche Presseerklärung aus dem Netz und gibt zu, dass es bei den Riester-Verträgen einen massiven Fehler gegeben habe.
Ergo-Aufsichtsratschef und Vorstandsvorsitzender der Muttergesellschaft Munich Re, Nikolaus von Bomhard, spricht von einem "gravierenden Fehler" und kündigt an, Munich Re werden bei der Aufklärung helfen.
Ergo beziffert die Zahl der geschädigten Kunden auf 14000. Sie sollen jetzt nachträglich entschädigt werden.
Doch das Landgericht will nicht. „Der Aktenumfang mit einer 380 Seiten umfassenden Leitakte und zehn Sonderbänden ist für ein amtsgerichtliches Verfahren nicht ausgesprochen ungewöhnlich“, heißt es in einem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 31. Januar. Fazit: „Das Hauptverfahren wird vor dem Amtsgericht Hamburg St. Georg, Abteilung 950, Schöffengericht, eröffnet“.
Dagegen wiederum hat nun die Staatsanwaltschaft Hamburg Beschwerde beim Hanseatischen Oberlandesgericht eingelegt. „Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung des Amtsgerichts beigetreten, der Fall solle am Landgericht verhandelt werden“, sagt Oberstaatsanwältin Nana Frombach dem Handelsblatt. Wann das Oberlandesgericht entscheidet, sei ungewiss.

8 Kommentare zu "Sex-Reise nach Budapest: Gerichte streiten um Ergo-Schmuddelprozess"
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Liebes Handelsblatt......bleibt bitte DRAN !!!!!
Dieser Sauladen hat doch jetzt die Aufgabe seinem Inhaber 400-500 Mio. Gewinn zu bescheren......geht natürlich nur, wenn man seine beschissenen Produkte noch schlechter macht, die Überschussbeteiligung des doofen Kunden weiter drückt....und seinen hormongesteuerten Außendienst losschickt um ahnungslose Kunden über den Tisch zu ziehen.....nach dem Motto : Ziehe einen Kunden so schnell über den Tisch, so dass er meint die Reibungsenergie wäre die Wärme des Unternehmens.......Macht dieser Schande der Branche endlich den Garaus !!!!!!
da muessten sich aber dann wohl ALLE ASSERKURRANZ-UNTERNEHMEN verantworten und nicht nur die ERGO !
Laaaaaaaaangweilig! Handelsblatt, ihr seid soooooo schlecht! Pfui!!!!
300.000.oo , ich lach' mich tot ! haengen SIE mal beruhigt eine NULL dazu. (hier bin ich schon ein wenig INSIDER) !
Liebe Leute,
das ist auch eine schwierige Kompetenz- bzw. Potenzfrage.
Normalerweise dürften Rotlichtdelikte am Amtsgericht St. Georg sachlich genau richtig angesiedelt sein.
Weil es aber um Untreue im Bereich von über 300.000 € geht, müsste eigentlich das Landgericht zuständig sein. Für schwere Untreue kann es bis zu zehn Jahre geben - da muss dann ein Landgericht ran.
Finde es jedenfalls begrüßenswert, wenn Ergo hier weiter seine Zero Tolerance Strategie verfolgt, tatsächlich brutalstmöglichst aufklärt und die Spesenbetrüger strafrechtlich haftbar macht.
Auch wenn 300.000 € für Versicherungsmenschen die nahe an den Geldtöpfen sind, keine grosse Summe darstellen mag, ist ein Betrug in dieser Höhe eine schwere Straftat, die geahndet werden muss. Amtsgerichte verhängen i.d.R. keine Freiheitsstrafen - was aber hier objektiv geboten sein kann.
nun; im Grunde hat kein Politiker ernsthaft Interesse daran die reichlichen eigenen Pfruende bei BANKEN und
VERSICHERUNGEN zu beschneiden, das war eben schon immer so und wird bei dieser teils grenzwertigen Branche auch so bleiben, bei ERGO war es eben : Veruntreuung von Versichertengelder !
aber auch bei dieser Reise (Budapest) waren "alte" Fuehrungskraefte der HAMBURG MANNHEIMER dabei, DIE ueberleben genauso wie die NSDAP Leute bei ADENAUER, "man" weiss eben zuviel von der Firmengeschichte.
Bitte,
wie oft wollt ihr uns noch mit diesem Thema langweilen?
Heute ist eure einzige neuigkeit dazu ernsthaft, dass sich zwei Gerichte darum streiten wer diesen fall jetzt bearbeiten "muss"?
Seid ihr ernsthaft journalistisch so schwach aufgestellt, dass ihr keine interessantere Geschichte im WWW findet?
Besten Gruß
Ein gelangweilter Leser