Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Bertelsmann Stiftung Studie: Bei nur einer Krankenversicherung könnten Beiträge spürbar sinken

In Europa leistet sich nur Deutschland ein duales System. Wären alle Bürger gesetzlich krankenversichert, könnten die Beiträge laut einer Studie sinken.
17.02.2020 Update: 17.02.2020 - 13:57 Uhr 6 Kommentare
In Europa leiste sich nur Deutschland ein duales System. Quelle: dpa
Krankenversicherung

In Europa leiste sich nur Deutschland ein duales System.

(Foto: dpa)

Gütersloh Wenn alle Bürger gesetzlich versichert wären, könnten die Beiträge einer Studie zufolge spürbar sinken. Beziehe man die finanziell leistungsstärkeren Privatversicherten in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein, könnten jeder aktuell GKV-Versicherte und sein Arbeitgeber zusammen im Schnitt 145 Euro pro Jahr sparen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine am Montag veröffentlichte repräsentative Studie des Berliner Iges-Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Sie löste umgehend Kritik und Protest von PKV, Ärzte- und Beamtenseite aus, aber auch einen neuen Ruf nach einer Bürgerversicherung.

Laut Iges-Analyse verdienen Privatversicherte - demnach Gutverdiener, Beamte, einkommensstarke Selbstständige - durchschnittlich mindestens 56 Prozent mehr als gesetzlich Versicherte. Sie seien zudem tendenziell gesünder. Kämen sie in die GKV, könnte diese mit einem Nettofinanzüberschuss von jährlich 8,7 bis 10,6 Milliarden Euro rechnen. Der Beitragssatz ließe sich um 0,6 bis 0,7 Prozentpunkte senken.

In Europa leiste sich nur Deutschland ein duales System. Weltweit gebe es ein Zwei-Säulen-Prinzip sonst nur noch in Chile. „Nur wenn sich alle Versicherten unabhängig vom Einkommen zusammentun, um die Risiken zwischen Gesunden und Kranken auszugleichen, kann eine tragfähige Solidargemeinschaft entstehen“, betont Stiftungsvorstand Brigitte Mohn. Der soziale Zusammenhalt werde geschwächt.

Der dbb Beamtenbund widerspricht. Das System funktioniere gerade wegen des „bewährten Miteinanders“ von GKV und PKV, meint dbb-Chef Ulrich Silberbach. „Unsere Gesundheitsversorgung ist eine der besten der Welt.“ Im dualen Gesundheitssystem profitierten ausnahmslos alle von den Umsätzen der PKV-Versicherten.

„Zwei-Klassen-Medizin“

Man solle nicht mit „Sozialpranger“ arbeiten. Ähnlich formuliert der Verband der PKV: Der Milliarden-Mehrumsatz der PKV komme dem Gesundheitswesen insgesamt zugute. Ohne diesen müssten GKV-Versicherte sogar noch draufzahlen.

Die Bundesärztekammer merkt an: Finanzstärkere würden sich bei einer Einheitsversicherung womöglich einen exklusiven Zugang zur Spitzenmedizin sichern - als Selbstzahler oder über teure Zusatzversicherungen. Damit sei der Weg in „eine echte Zwei-Klassenmedizin“ bereitet.

Die SPD-Fraktion fordert dagegen eine Bürgerversicherung, „in die alle einzahlen und durch die alle die notwendigen medizinischen Leistungen bekommen.“ Auch die Grünen sehen neuen Rückenwind für eine Bürgerversicherung. Die lehnt die Kassenärztliche Bundesvereinigung ab, schlägt aber vor: „Das Beste aus zwei Welten zusammenführen.“

Die Iges-Studie basiert auf den aktuellsten Daten (2016) aus einer Befragung von rund 12.000 Haushalten. 2016 - wie auch aktuell - waren rund 8,8 Millionen Menschen privat versichert. Die GKV zählte 2016 rund 70,4 Millionen Versicherte, derzeit sind es vor allem zuwanderungsbedingt gut 73,2 Millionen, sagt der Gesundheitsexperte der Stiftung, Stefan Etgeton, der dpa.

Die Vergütung für niedergelassene Ärzte falle bei Leistungen für Privatpatienten etwa 2,5-fach höher aus. Gleiche man Ärzten die Honorarverluste bei einem PKV-Wegfall aus, sei ein noch um 0,2 bis 0,3 Punkte niedrigerer Beitragssatz möglich.

Mehr als notwendig eingezahlt

Etgeton kritisiert der durchschnittliche GKV-Versicherte zahle jedes Jahr mehr als nötig, damit sich Gutverdiener, Beamte und Selbstständige dem Solidarausgleich entziehen könnten. In Umfragen befürworte eine Mehrheit der Bürger eine integrierte Krankenversicherung ohne Aufspaltung nach Einkommenshöhe oder Berufsgruppe.

Und inwiefern sind PKV-Versicherte tendenziell gesünder? Nach der Analyse kamen 17 Prozent der Privatversicherten mindestens einmal im Jahr ins Krankenhaus, bei den gesetzlich Versicherten waren es 23 Prozent. Die PKV-Mitglieder seien 3,6 Tage im Jahr arbeitsunfähig gewesen, die GKV-Versicherten konnten 5,6 Tage krankheitsbedingt nicht zur Arbeit kommen.

Der Anteil der Menschen mit Behinderung, Pflegebedürftigkeit, mit chronischen Rückenbeschwerden, Gelenkerkrankungen oder auch Schlafstörungen liege bei GKV-lern höher als bei PKV-lern. Als einen Grund nennt die Analyse: Die PKV schließe Menschen mit Vorerkrankungen oder Behinderungen durch hohe Zugangshürden praktisch aus.

Wie groß sind die Chancen für nur eine Versicherung? Derzeit hält Etgeton sei eine Verschmelzung der beiden Säulen nicht für realistisch. Aber eine stärkere Einbindung von PKV-Mitgliedern in die GKV sei machbar und könne Einiges bringen.

Der DGB mahnte gesetzliche Änderungen an, da viele gar nicht in die GKV wechseln könnten oder die Bedingungen dafür zu schlecht seien. Die GKV hatte 2019 rund eine Milliarde Euro Verlust gemacht. Den allgemeinen festen Beitrag von 14,6 Prozent und den variablen Zusatzbeitrag der Kassen teilen sich Arbeitgeber und -nehmer hälftig.

Mehr: Diese privaten Krankenversicherungen könnten bald teurer werden.

  • dpa
Startseite
Mehr zu: Bertelsmann Stiftung - Studie: Bei nur einer Krankenversicherung könnten Beiträge spürbar sinken
6 Kommentare zu "Bertelsmann Stiftung: Studie: Bei nur einer Krankenversicherung könnten Beiträge spürbar sinken"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Wenn die Bezugsgröße ( mittleres Einkommen aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten) im Jahre 2020 jährlich 38.220,- Euro und der durchschnittliche
    Beitragssatz 15,5% beträgt, zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber 5.924,10 Euro jährlich
    in die GKV ein. Die spürbare Beitragsentlastung von 145,- Euro beträgt ziemlich genau 2,45% oder für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils 72,- Euro jährlich.
    Spürbare Entlastung sieht wohl ganz anders aus.
    Die Studie ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht.

  • Zum Thema privat-versichert: Ich bin aktuell gesetzlich-krankenversichert, war in den letzten drei Jahren genau einmal beim Arzt und zwar dem Zahnarzt und musste (obwohl ich über die letzten drei Jahre einen nicht unerheblichen fünfstelligen Betrag an die Krankenkasse abgeleistet habe) für die Behandlung zusätzlich zahlen, damit mir keine Betonbausteine in den Mund gesetzt werden.

    Die GKV setzen keinerlei Anreize für Gutverdiener oder gesundheitsbewusste Individuen. Ich kann es daher vollends nachvollziehen, warum die o.g. Personen in die PKV wechseln.

  • Frau Pfeiffer,
    in der Schweiz muss jeder krankenversichert sein und sucht sich seinen Tarif selbst aus, d.h., was er versichert haben will. Zahnarzt zusätzlich. Klappt prima! Und ganz ohne viele gesetzliche Krankenkassen, deren Verwaltung Milliarden verschlingt.
    Ich bezahle jede Rechnung selbst und reiche sie dann ein. So weiss ich auch, welche Kosten ich verursache.

  • Hier noch ein Artikel, der scheinbar immer bei der Diskussion zwischen PKV & GKV in Vergessenheit gerät (zumindest aus Sicht der GKV):
    https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/analyse-die-private-krankenversicherung-subventioniert-die-gesetzlichen-kassen-mit/22944022.html

  • Auch eine Kostenreduzierung könnte zu einer Beitragsreduzierung führen!

    Brauchen wir wirklich so viele unterschiedliche Krankenkassen? Dazu jede einzelne Krankenkasse mit einem riesigen Wasserkopf an Führungs- und Verwaltungspersonal?

    Alleine durch eine effiziente Zentralisierung ließen sich Milliarden einsparen! Was hält die Politik davon ab? Vielleicht die vielen "Versorgungsposten" für ehemalige Politiker und Parteisoldaten?

  • Soso. Der Beitragssatz kann wie viele Jahre um 145,00 € jährlich gesenkt werden?
    Was soll diese Studie? Der Beitragssatz könnte wahrscheinlich auch jetzt schon gesenkt werden, wenn nicht wegen jedem Zipperlein der Arzt aufgesucht würde, wenn sich die Menschen vernünftig ernähren und bewegen würden etc.
    Warum wird nicht mal geguckt, wie das in den Niederlanden gehandhabt wird. Da sind alle privat versichert und können sich aussuchen, welchen Tarif sie möchten. Der Staat subventioniert die Beträge bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze. Die Versicherungen wiederum sind gehalten, bestimmte Tarife zu einem gesetzlich festgelegten Preis anzubieten. Diese Form bedeutet, dass sich jeder das aussuchen kann, was ihm wichtig ist. Der Beitragssatz richtet sich nach dem Versicherungsumfang und nciht nachm dem Einkommen. Und jetzt komm bitte niemand mit dem Solidargedanken, Dann müßte auch von jedem ein solidarisches gesundes Verhalten eingefordert werden müssen. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Im Übrigen funktionieren die staatlicheh Gesundheitssysteme nicht wirklich gut. Siehe Großbritannien.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%