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Diversität im Topmanagement Gleichberechtigungsprobleme in der Finanzbranche – Deutschland hinkt hinterher

Neue EU-Regeln sollen für einen höheren Frauenanteil im Topmanagement sorgen. Doch am Nachholbedarf bei deutschen Banken und Versicherern dürfte das nur wenig ändern.
23.06.2022 - 04:00 Uhr 1 Kommentar
Der Frauenanteil in den Vorständen von Banken und Versicherern wächst nur langsam. Quelle: dpa
Frauen in Topetagen

Der Frauenanteil in den Vorständen von Banken und Versicherern wächst nur langsam.

(Foto: dpa)

Frankfurt Es ist bereits über acht Monate her, dass Doris Höpke ihren Abschied bei der Munich Re verkündet hatte. Ende April verabschiedete sich die Juristin offiziell aus dem Vorstand des Rückversicherers. Für den Konzern ist das ein Problem, weil Höpke die einzige Frau neben acht Männern im Topmanagement war. Bei der diesjährigen Hauptversammlung betonte Aufsichtsratschef Nikolaus von Bomhard denn auch, dass die Berufung eines weiblichen Vorstandsmitglieds Priorität für ihn habe.

Zur Frage, wie weit die Suche gediehen ist, will sich ein Unternehmenssprecher im Moment nicht äußern. Der Konzern lässt lediglich wissen, es sei das Ziel des Aufsichtsrats, bis Ende 2025 einen Frauenanteil von 25 Prozent im Vorstand zu erreichen.

Der Fall zeigt, wie schwer sich die deutsche Finanzbranche noch immer tut, Toppositionen mit weiblichen Führungskräften zu besetzen. Zwar hat sich der Frauenanteil im Management vieler deutscher Unternehmen in den vergangenen Jahren erhöht – Experten sehen aber noch immer großen Nachholbedarf bei Versicherern und Banken.

Laut einer im Januar 2022 veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind zwar über die Hälfte der Beschäftigten im Finanz- und Versicherungsdienstleistungssektor weiblich. Der Frauenanteil liege auf der ersten Führungsebene mit 18 Prozent und auf der zweiten Führungsebene mit 28 Prozent aber deutlich niedriger.

Das soll sich nun endgültig ändern, und zwar europaweit und für alle Branchen. Anfang Juni hat sich die EU darauf geeinigt, dass es künftig ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Leitungsorganen börsennotierter Unternehmen geben soll – mindestens 40 Prozent der Aufsichtsratsposten oder 33 Prozent der Vorstands- und Aufsichtsratsposten sollen an das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht gehen.

Doch die Sache hat einen Haken, denn grundsätzlich muss Deutschland die neue EU-Führungspositionen-Richtlinie gar nicht anwenden. Das Bundesfamilienministerium teilte dazu im März mit: „In Deutschland gelten mit dem Zweiten Führungspositionengesetz (FüPoG II) bereits umfangreiche Maßnahmen.“ Damit falle für Deutschland kein weiterer Umsetzungsbedarf an.

Laut dem FüPoG II müssen künftig alle börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als drei Vorständen mindestens eine Frau in der obersten operativen Führungsebene haben. Anders als bei den Regeln für Aufsichtsräte gibt es allerdings keine verbindliche Quote für den Frauenanteil im Vorstand vor.

Vielfalt im Topmanagement notwendig

Für Stefanie Symmank, Geschäftsführerin der VFS Personalberatung, ist klar, dass die Versicherungsbranche trotz solcher Initiativen beim Thema Frauen in Führungspositionen noch immer „deutlich hinterherhinkt“. Alexandra Kalnein, Co-Vorsitzende des deutschen Ablegers von 100 Women in Finance (100WF) hofft, dass das neue Gesetz hilft, die Situation zumindest nach und nach zu verbessern. Dennoch warnt sie: „Wo sollen die Frauen in den Vorständen herkommen, wenn sie in den Führungsebenen darunter fehlen?“

Die Chefin der EU-Versicherungsaufsicht, Petra Hielkema, betonte zuletzt, dass mehr Vielfalt im Management von Versicherern und Pensionskassen dringend notwendig sei. In den Plänen zur Überarbeitung des europäischen Aufsichtsregimes für Versicherer, Solvency II, sei das Thema aber gar nicht enthalten – im Gegensatz zur europäischen Bankenregulierung.

Dass regulatorische Maßnahmen sinnvoll sein können, zeigt die Frauenquote für Aufsichtsräte von mindestens 30 Prozent, die es in Deutschland seit 2015 gibt. Hier erreicht auch die Finanzindustrie zum Teil gute Quoten. Bei Munich Re sind beispielsweise acht von 20 Aufsichtsratsmitgliedern und damit 40 Prozent weiblich. Im Aufsichtsrat der Allianz liegt der Anteil mit 42 Prozent noch etwas höher.

Auch die Commerzbank, die Aareal Bank, die Deutsche Pfandbriefbank und die Deutsche Bank erfüllen die 30-Prozent-Frauenquote in ihren Aufsichtsräten.

Die Managerin ist die erste Frau im Talanx-Vorstand. Quelle: Talanx
Caroline Schlienkamp

Die Managerin ist die erste Frau im Talanx-Vorstand.

(Foto: Talanx)

In den Vorständen sind momentan aber deutlich weniger Frauen vertreten. Die Commerzbank kommt mit Bettina Orlopp und Sabine Schmittroth auf zwei Frauen im siebenköpfigen Vorstand. Auch die Deutsche Bank hat mit Rebecca Short und Christiana Riley nur zwei weibliche Vorständinnen neben acht Männern. Christiane Kunisch-Wolff ist die einzige weibliche Vorständin der Aareal Bank unter drei männlichen Kollegen. Gar keinen weiblichen Vorstand hat die PBB. Äußern wollten sich die Banken dazu nicht.

Bei den Versicherern steht die Allianz im Gegensatz zu Munich Re recht ordentlich da. Mit Sirma Boshnakova, Barbara Karuth-Zelle und Renate Wagner sind drei Frauen in dem elfköpfigen Gremium vertreten – damit beträgt die Frauenquote gut 27 Prozent. Talanx hat zum 1. Mai mit Caroline Schlienkamp die erste Frau überhaupt in den Vorstand berufen. Der Versicherer setzt darauf, Frauen vor allem intern aufzubauen, wie Talanx-Chef Torsten Leue gegenüber der Personalberatung Heidrick & Struggles betonte. Schlienkamp hat ihr gesamtes Berufsleben bei Talanx verbracht.

>> Lesen Sie hier: Caroline Schlienkamp zieht als erste Frau in Talanx-Vorstand ein

Doch damit beträgt die Frauenquote im siebenköpfigen Talanx-Vorstand gerade einmal 14 Prozent, ebenso wie bei Hannover Rück. Dort ist Silke Rehm, die für die Schaden-Rückversicherung verantwortlich ist, die einzige Frau.

Deutschland hinkt hinterher

Auch im europäischen Vergleich schneidet die deutsche Finanzindustrie schlecht ab. Eine Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles, die im vergangenen Jahr die 30 größten europäischen Versicherer untersucht hat, zeigte, dass der Frauenanteil in den Vorständen der deutschen Konzerne mit durchschnittlich acht Prozent am geringsten war. Britische Versicherer kamen auf eine Frauenquote von 28 Prozent im Vorstand, in Frankreich waren es 27 Prozent.

Wolfang Schmidt-Soelch, Partner bei Heidrick & Struggles, sieht einen Grund darin, dass Deutschland bei der Unterstützung von Familien noch immer Nachholbedarf habe, die Kinderbetreuung sei beispielsweise in Frankreich und Großbritannien seit vielen Jahren besser organisiert.

Alexandra Niessen-Ruenzi, Professorin an der Universität Mannheim, meint zudem, dass die Finanzindustrie von vielen Frauen nach wie vor nicht als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werde – und beruft sich dabei auf eine Umfrage, die sie unter Studierenden durchgeführt hat. Das liege unter anderem an der hohen Wettbewerbsintensität und einer wahrgenommenen „Ellenbogenmentalität“, vor der insbesondere Frauen zurückscheuen.

Schmidt-Soelch warnt vor einer Art Henne-Ei-Problem: „In Unternehmen mit nicht diversen Führungsgremien dauert es meist länger, bis Frauen eine Chance haben, nach oben zu kommen.“

Qualifizierte Bewerberinnen fehlen

Hinzu kommt, dass regulatorische Vorgaben hinsichtlich der Erfahrung von Führungspositionen Frauen den Aufstieg erschweren, wie auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) vorbringt. So liegt der Frauenanteil unter den Sparkassenvorständen bei lediglich 6,1 Prozent, bei den Genossenschaftsbanken sogar nur bei 4,3 Prozent.

Zwar bemühe sich der DSGV bei Ausschreibungen vor allem um weibliche Bewerberinnen, so ein Sprecher des Verbands. Doch erfordere „die vorgeschriebene Lizenz zur Führung eines Kreditinstituts“ eine langjährige Verantwortung im Kreditgeschäft. Dies sei ein Geschäftsfeld, in dem Frauen bislang unterrepräsentiert sind.

Schmidt-Soelch sieht das Problem aus einem anderen Blickwinkel. Nach seiner Meinung ist der weibliche Talentpool bei vielen Unternehmen schlicht zu klein: „Wenn eine Frau aufsteigt, reißt sie meist eine Lücke in den Ebenen darunter.“ Professorin Niessen-Ruenzi spricht ebenfalls von einer „Leaky Pipeline“ in der Finanzbranche.

Unternehmen wie die Talanx versuchen nun gegenzusteuern. Der Versicherer will ab diesem Jahr mindestens jede zweite freie Führungsposition mit einer Bewerberin besetzen.

„Die meisten Versicherer haben es versäumt, eine geeignete Frauenförderung, beispielsweise über Mentoringprogramme, aufzubauen“, moniert aber Personalberaterin Symmank. Vor allem nach der Rückkehr aus der Elternzeit fehle häufig die Möglichkeit, Führungspositionen in Teilzeit oder im Jobsharing zu übernehmen.

Wegen solcher Defizite will Bundesfamilienministerin Lisa Paus prüfen, ob die neuen EU-Regeln nicht doch auch in Deutschland umgesetzt werden können: Zumindest die Diagnose der Grünen-Politikerin ist klar: „Frauen in der Europäischen Union haben noch immer nicht die gleichen Chancen, in Führungspositionen zu gelangen, wie Männer.“

Mehr: Zoff bei der Commerzbank – Mitarbeiter kritisieren Boni und Homeoffice-Regeln

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