Finanzministerium Garantiezins auf Lebensversicherungen soll weiter gen Null sinken – Riester-Rente wird noch unattraktiver

Noch im Jahr 2000 erhielten Kunden einen Garantiezins von vier Prozent.
Berlin, München Die Lebensversicherung, seit Jahrzehnten das Lieblingsprodukt der deutschen Sparer, steht vor einem drastischen Wandel. Die Bundesregierung will den Garantiezins auf Lebensversicherungen einmal mehr deutlich senken.
Die Lebensversicherer dürfen dann vom nächsten Jahr an ihren Kunden maximal noch eine Verzinsung von 0,25 Prozent pro Jahr über die gesamte Laufzeit der Verträge versprechen. Das geht aus einem Verordnungs-Entwurf des Bundesfinanzministeriums hervor, der dem Handelsblatt vorliegt und der in den nächsten Tagen veröffentlich werden soll. Zuerst hatte die „Rheinische Post“ darüber berichtet.
Bisher liegt der Garantiezins, der offiziell Höchstrechnungszins heißt, bei 0,9 Prozent. Ihn dürfen die Versicherer auch in ihrer internen Kalkulation nicht überschreiten. Seit dem Jahr 2017 lag dieser Mindestzins bei 0,9 Prozent.
Schon in den Jahren davor war er kontinuierlich gesunken. Noch im Jahr 2000 erhielten Kunden einen Garantiezins von vier Prozent. Die Finanzaufsicht Bafin dringt wegen der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt seit längerem auf eine Absenkung des Mindestsatzes.
Die Branche der Versicherer steht angesichts der anhaltend rekordtiefen Zinsen vor einem Umbruch. Denn auch die klassische Kapitalgarantie der eingezahlten Beiträge, die lange ein wichtiges Verkaufsargument für die Policen war, wird damit immer mehr zum Auslaufmodell.
Policen mit Garantien
Schon in den vergangenen Jahren sank bei Neuverträgen die Quote der klassischen Verträge mit Garantie immer mehr zugunsten von Policen mit höherer Flexibilität in der Kapitalanlage und damit der Aussicht auf eine höhere Verzinsung, dafür aber ohne Garantie.
Etliche Lebensversicherer bieten Policen mit Garantien gar nicht mehr an. „Ich erwarte, dass bei Neuverträgen die klassischen Policen mit jährlicher Garantie bis Ende nächsten Jahres zum Nischenprodukt werden“, sagte Guido Bader, Chef der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), bereits im Herbst voraus.
Druck kam außerdem von der Bafin. Deren Exekutivdirektor Frank Grund forderte die deutschen Lebensversicherer bereits Ende vergangenen Jahres auf, freiwillig den Garantiezins weit unter den derzeitigen Stand von 0,9 Prozent zu senken.
Außerdem argumentierte der Bafin-Direktor gegen hohe Garantien: „Wir sind dafür, dass die Versicherer keine zu hohen Garantien aussprechen“, sagte Grund. Die Garantien, die jetzt im Neugeschäft gegeben werden, seien die entscheidenden Stellschrauben, mit denen sich die Versicherer für die Zukunft entlasten.

Eine Riester-Reform vor der Bundestagswahl gilt als unrealistisch.
Denn das anhaltend niedrige Zinsumfeld engt den Spielraum der Assekuranzen immer mehr ein. Versicherungsmanager fürchten zunehmend Profitabilitätsprobleme. Corona sehen sie in der Zinssituation als Katalysator.
Lebensversicherung als Alternative zum Kontensparen
In den vergangenen beiden Jahren hatten Kunden die klassische Lebensversicherung mit Garantiezins vor allem als Geldanlageprodukt genutzt. Hohe Summen flossen als Einmalzahlung in neue Verträge, erschien vielen Kunden doch ein garantierter Zins von 0,9 Prozent über mehrere Jahrzehnte als attraktiv.
Besonders deutlich wurde das im Vor-Corona-Jahr 2019, als die Beitragszahlungen in deutsche Lebensversicherungen um elf Prozent nach oben gingen. Der größte Teil davor kam aus Einmalzahlungen.
Dieser Trend setzte sich verlangsamt auch im vergangenen Jahr fort. Während die laufenden Beiträge um ein Prozent zurückgingen, stiegen die Einmalbeiträge noch einmal um 0,4 Prozent. Dem Trend, das Produkt Lebensversicherung als Geldanlage zu nutzen, wollten die Versicherer schon im vergangenen Jahr einen Riegel vorschieben. Mit einem Garantiezins von 0,25 Prozent dürfte die Attraktivität für Sparer deutlich sinken.
Die Branche der Lebensversicherer stellt die geplante Senkung des Garantiezinses vor allem in Zusammenhang mit der staatlich geförderte privaten Altersvorsorge, die Riester-Rente. Mit einer weiteren Absenkung des Garantiezinses würde der Großteil der Riester-Renten, die knapp elf Millionen geförderten Riester-Versicherungen für die Versicherten ihrer Ansicht nach sonst unattraktiv, argumentiert der Verband der Versicherungswirtschaft GDV.
Während im Neugeschäft mit klassischen Lebensversicherungen bereits viele Verträge ohne 100-Prozent-Kapitalgarantien angeboten würden, bringe ein weiter deutlich abgesenkter Mindestzins in erster Linie Probleme für die starren Riester-Produkte. „Wenn der Höchstrechnungszins abgesenkt wird und gleichzeitig die 100-Prozent-Beitragsgarantie erhalten bleibt, gibt es ab 2022 große Probleme, die zu einer De-facto-Beerdigung der Riester-Rente führen würden“, warnt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Versichererverbandes GDV.
Geförderte Vorsorge unattraktiv für Sparer
Bei der Riester-Rente ist eine Beitragsgarantie gesetzlich vorgeschrieben. Der niedrige Garantiezins bringt die Versicherer in die Bredouille, weil sie bei der Riester-Rente zudem sicherstellen müssen, dass die Kunden am Ende der Laufzeit zumindest die eingezahlten Beiträge zurückerhalten.
Wenn sie nur mit 0,25 Prozent Zins kalkulieren dürfen, fällt es ihnen schwer, das zu garantieren und zugleich ihre Kosten zu decken, die bis zu zehn Prozent der Beiträge ausmachen. Generell führt die Kapitalgarantie dazu, dass die Anbieter nahezu kein Kapital mehr mit Renditechancen anlegen, was die geförderte Vorsorge unattraktiv für Sparer macht.
Die Bundesregierung hatte in dieser Legislaturperiode eine Reform der Riester-Rente versprochen. Die Anbieter hatten Reformvorschläge gemacht, auch zur Flexibilisierung der Kapitalgarantie. Doch in den letzten Monaten bis zu den Bundestagswahlen gilt eine Reform als unrealistisch. Aus Berlin heißt es, die Große Koalition habe sich insbesondere nicht auf eine Lockerung der Kapitalgarantie einigen können. Asmussen vom GDV macht sich ungeachtet dessen jetzt für eine Mini-Reform stark: „Weil eine umfassende Riester-Reform noch in dieser Legislaturperiode leider kaum mehr realistisch ist, sollte die verbleibende Zeit zumindest für eine Teilreform genutzt werden, vor allem für eine Absenkung der Garantien.“
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Lebensversicherungen sind, mal vorsichtig formuliert,legaler Betrug.
Beim Abschluß wird noch viel versprochen, gehalten wird wenig: Wer vor 20 jahren eine LV abgeschlossen hat und auf die aktuelle Ablaufleistung schaut, stellt erschreckt fest dass da gut die Hälfte des Summe fehlt.
Das Geld fehlt effektiv - sei es bei der Rente oder bei der Immobilie, die mit der LV getilgt werden sollte.
Wo ist es geblieben? Nicht nur in den Glapspalästen und den fetten Bezügen, auch in Beteiligungen und Assets, an denen die Versicherten nicht Überschuss-beteiligt werden müssen.