Generali Intesa-Avance unerwünscht

Der Versicherer besitzt italienische Staatsanleihen im Wert von 70 Milliarden Euro.
Frankfurt, Rom Die Nachricht kam, als die meisten Beobachter schon gar nicht mehr damit rechneten. Am Dienstagabend bestätigte das Management der italienischen Bank Intesa Sanpaolo, was seit Sonntag bereits als Gerücht kursierte. Die zweitgrößte Bank des Landes hat Interesse an der größten Versicherung des Landes. Damit bahnt sich in der kriselnden italienischen Finanzbranche ein milliardenschwerer Übernahmekampf an, denn das potenzielle Ziel wehrt sich gegen die unerwünschten Avancen.
Es ist der Schritt, den sich viele für den Versicherungssektor seit langem gewünscht haben. 2017 soll das Jahr der Konsolidierung in der Branche werden. Der ungute Dreiklang aus Niedrigzinspolitik, steigender Regulierung und im Vergleich zu anderen Branchen teils erschreckender Rückständigkeit beim Thema Digitalisierung macht vielen in der Branche immer mehr zu schaffen. Auch wenn die aktuellen Zahlen noch gar nicht besorgniserregend aussehen. „Die Regulierung macht Angst. Und sie wird zur Konsolidierung führen“, ist sich Christian Mylius von der Beratungsgesellschaft EY Innovalue sicher.
Speziell Generali gilt seit Monaten als Übernahmekandidat. An der Börse ist der Konzern mit 22 Milliarden Euro bewertet und damit die Nummer eins der Branche in Italien, im internationalen Vergleich reicht es allerdings nur für Mittelmaß. Die Allianz bringt beispielsweise mehr als dreimal so viel Börsenwert auf die Waage. Branchenriesen wie die Deutschen oder die französische Axa bestimmen weltweit das Geschehen. Sie können mit einem dicken Kapitalpolster aufwarten und werden deshalb stets an erster Stelle genannt, wenn es um den Kreis potenzieller Käufer geht.
Dass sie in der erwarteten Konsolidierung eine aktive Rolle spielen wollen, haben die beiden Platzhirsche stets betont. „Europa ist auch auf der Liste möglicher Expansionsfelder“, sagte beispielsweise Allianz-Chef Oliver Bäte kürzlich in einem Interview. Das würde insofern passen, als Generali in Europa als führend im Bereich des Direktverkaufs von Versicherungen gilt. Analysten betonen stets die führende Rolle der Italiener im Vertrieb über Telefon und Internet.
Bekannte deutsche Namen wie Aachen-Münchener, Cosmosdirekt, Advocard oder Central gehören zum Firmengeflecht. In italienischen Medien war spekuliert worden, dass Intesa nach erfolgreicher Übernahme der Generali Teile des Portfolios an die Allianz weiterreichen würde. Schließlich verfügt die Generali neben dem Versicherungsgeschäft auch über ein interessantes Asset-Management und Private Banking.
Bei der Allianz gibt es dazu keinen offiziellen Kommentar. Was gleich mit mehreren Gründen zusammenhängen dürfte. Immer wieder betonte Bäte, dass bisher alle Übernahmen der Allianz auf freundschaftlicher Basis stattfanden. „Man muss also immer jemanden haben, der gekauft werden will“, so drückte der Konzernchef das zuletzt aus. Das Gerücht vom Wochenende, wonach die Allianz gemeinsam mit Intesa die Generali filetieren will, ist deswegen vom Tisch, heißt es im Umfeld des Unternehmens.
Zumal das Thema mittlerweile auch eine politische Dimension hat, die eine Übernahme für ausländische Unternehmen beinahe unmöglich macht. Seit Monaten tobt in Italien eine Diskussion um den Ausverkauf nationaler Branchengrößen. Das gilt speziell für den Finanzsektor (siehe nebenan). In Italien wird der Vorstoß von Intesa Sanpaolo deshalb auch als Versuch interpretiert, einen weiteren Ausverkauf zu verhindern. In dem politisch zerstrittenen Land, in dem nationale Kräfte im Aufwind sind, wird die Diskussion bei diesem Thema deshalb auch schnell emotional.
Dass sich deshalb weder die Allianz noch der französische Konkurrent Axa offiziell in den Übernahmekampf einmischen wollen, erscheint verständlich. Axa-Chef Thomas Buberl ließ deshalb am Dienstag bei einer Tagung auch keinerlei Zweifel daran, dass ihn Generali nicht interessiert. Wenn jemand den Konsolidator in der Branche spielen und den Markt aufräumen wolle, dann könne er das tun. „Unsere Strategie ist das nicht“, so Buberl. Seit dem vergangenen Jahr steht der Manager als erster Deutscher an der Spitze des französischen Versicherungsriesen. Schon im Herbst hatte Buberl gesagt, dass der Kauf eines Wettbewerbers wie Zurich oder Generali für die Axa überhaupt keinen Sinn habe.
Damit wäre die Bahn also frei für Intesa Sanpaolo. Die Bank ist mit einer Marktkapitalisierung von 36 Milliarden Euro solide aufgestellt. Italienischen Medien kolportieren sogar schon konkrete Zahlen wie der Milliardendeal funktionieren könnte: Intesa-Aktien im Wert von drei Milliarden Euro sollen an die Eigner von Generali gehen, dazu will die Bank angeblich neue Aktien im Wert von zwölf Milliarden Euro für den Deal ausgeben.
Die Analysten der Schweizer Bank Crédit Suisse können dem Plan einiges abgewinnen. Beide Player würden gut zusammenpassen, heißt es in einer ersten Reaktion der Experten. Der Deal würde Intesa Sanpaolo eine Präsenz in Frankreich, Deutschland, Europa, Nahost und Asien garantieren. Am meisten interessiert sei das Turiner Geldhaus am Bankbereich, der „Banca Generali“ und an der Vermögensverwaltung.
Carlo Messina, der Vorstandschef von Intesa Sanpaolo, hat allerdings schon vor geraumer Zeit erklärt, dass er auch im Geschäftsfeld Versicherungen wachsen will. Die „Intesa Sanpaolo Assicura“ ist in Italien bei Lebensversicherungen auf Platz zwei hinter Generali und damit direkter Wettbewerber des Übernahmekandidaten. Das könnte zu Konflikten mit den Kartellwächtern führen. Schließlich besteht das Versicherungsgeschäft der Generali zu 60 Prozent aus Lebensversicherungen.
Kartellprobleme könnte es auch geben, sollte sich Intesa nach einer Übernahme des italienischen Wettbewerbers doch noch entschließen, Teile der Versicherungssparte an die Allianz abzugeben. Denn Generali liegt im deutschen Markt auf dem vierten Platz.
Generali selbst sieht den Vorstoß der italienischen Bank offenbar kritisch und hat bereits damit begonnen, sich gegen die unerwünschten Avancen zu verteidigen. Der Konzern hat sich selbst mit drei Prozent am potenziellen Käufer Intesa beteiligt.
Der „Stellungskrieg“, wie die Medien titelten, geht damit in eine neue Runde: Noch am Mittwoch sollte der Verwaltungsrat von Generali zusammentreten. Marktgerüchten zufolge soll Finanzchef und Generaldirektor Alberto Minali abgesetzt werden. Er habe Differenzen mit Vorstandschef Donnet und sei gegen ein Abtreten der Versicherung. Am Freitag tritt dann in Mailand der Verwaltungsrat von Intesa zusammen.
Auch die italienische Börsenaufsicht Consob ist inzwischen alarmiert. Die Beamten dort beobachten die Manöver genau, Vertreter von Intesa und Generali wurden nach Rom einberufen. Dagegen hält sich Italiens Politik um den neuen Regierungschef Paolo Gentiloni noch zurück. Eine offizielle Stellungnahme gab es nicht. Hinter den Kulissen ist der Übernahmekampf allerdings auch in der Politik ein Riesenthema, denn der Versicherer besitzt 70 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen. Zudem durchlebt die gesamte italienische Finanzbranche schwere Zeiten, da sie unter einem hohen Berg an faulen Krediten und unter der anhaltenden Konjunkturflaute in dem hoch verschuldeten europäischen Land ¤ächzt.
Käme es tatsächlich zu einer Übernahme durch Intesa Sanpaolo, dann hätte dies für die die gesamte europäische Finanzbranche einen weiteren wichtigen Aspekt. Eine große Bank würde einen großen Versicherer kaufen, damit wäre die Diskussion über eine Renaissance des Begriffs Allfinanz zurück. Ein Zusammenschluss von Bank und Versicherung galt vor mehr als einem Jahrzehnt als Zukunftsmodell, scheiterte dann bei den wenigen Versuchen aber an unterschiedlichen Kulturen beider Branchen. Auch blickten in diesen wirtschaftlich guten Zeiten die Banker immer etwas von oben herab auf die Versicherungskollegen, hieß es.
Das hat sich inzwischen, auch wegen der finanziellen Nöte in beiden Branchen gelegt. Hinzu kommen neue Möglichkeiten in den Bereichen IT und Vertrieb. Schon länger bieten Versicherer Baufinanzierungen oder Vermögensverwaltung an und sind damit in die Kernbereiche der Banken vorgedrungen.
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