Komplettübernahme von Euler Hermes Allianz geht in Paris auf Einkaufstour

Geschäft vor allem mit europäischen Unternehmen.
Frankfurt Oliver Bäte hat aus seinen Vorstellungen nie einen Hehl gemacht. „Wir müssen auch in Wachstum investieren“, hatte der Vorstandschef des Dax-Konzerns noch im Frühjahr betont: „Wer nicht wächst, stirbt.“ Etwa ein halbes Jahr später lässt der 52-jährige Chef der Allianz, des größten Erstversicherers in Europa, seinen Worten weitere Taten folgen.
Am Montag verkündete das Unternehmen seine Pläne zur Komplettübernahme des deutsch-französischen Kreditversicherers Euler Hermes mit Sitz in Paris. Die Münchener machen den restlichen Aktionären ihrer deutsch-französischen Tochter, an der sie bislang 63 Prozent halten, ein Übernahmeangebot.
Für Bäte ist der Deal, der die Allianz bis zu 1,85 Milliarden Euro kosten kann, die bisher größte Übernahme seiner Amtszeit. Erst im August hatte die Allianz auch in Großbritannien zugeschlagen. Auf der Insel werden die Münchener die britische Liverpool Victoria bis 2019 für rund 770 Millionen Euro erwerben – einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der seinen Mitgliedern gehört.
Der deutsche Versicherer ist seit längerem auf der Suche nach Zukäufen, vor allem in der Schaden- und Unfallversicherung. Die Allianz bezeichnete die Aufstockung bei Euler Hermes als „folgerichtigen Schritt im Rahmen des gezielten Kapitaleinsatzes in strategisch wichtigen Geschäftsbereichen mit solider operativer Performance“.
Euler Hermes, das auch die deutschen „Hermes“-Exportbürgschaften absichert, soll nach der Komplettübernahme möglichst von der Pariser Börse genommen werden. An der Strategie von Euler Hermes solle sich jedoch nichts ändern, wie die Allianz betonte. Das Unternehmen steht nach eigenen Angaben für rund ein Drittel des weltweiten Warenkreditversicherungs-Markts, der den internationalen Handel absichert. Damit ist es mit einem Umsatz von rund 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2016 das größte Kreditversicherungsunternehmen der Welt.
Daniel Bischof, Versicherungs-Analyst der Baader Bank, bewertete den Schritt als „gute Idee”, aber auch „ziemlich teuer”. So entspricht der Angebotspreis einer Prämie von 20,7 Prozent, verglichen mit dem Schlusskurs der Euler-Hermes-Aktie am vergangenen Freitag.
Doch dafür weiß die Allianz bei Euler Hermes sehr genau, was sie bekommt. Schon heute arbeiten Allianz und Euler eng zusammen. Der Hauptsitz der in Berlin gegründeten Gesellschaft ist in Paris, wo die Firma auch an der Börse notiert ist. Seit über 100 Jahren sichert der Kreditversicherer Unternehmen ab, um sie gegen Zahlungsausfälle ihrer Abnehmer vor allem im Export zu schützen. Insbesondere die „Hermesbürgschaften“ haben es zu breiter Bekanntheit gebracht.
Die Kreditversicherung ist ein lukratives Geschäft, das die Erwartungen von Bäte erfüllen dürfte: 2016 kam Euler mit insgesamt 5 800 Mitarbeitern auf eine respektable Eigenkapitalrendite von 10,8 Prozent. Strategisch wird Euler der Allianz allerdings nur bedingt weiterhelfen. Bäte möchte das Geschäft der Allianz vor allem in den USA und im Wachstumsmarkt Asien ausbauen, während Euler den Großteil des Geschäfts mit europäischen Firmen macht.
Dennoch blicken die meisten Experten wohlwollend auf den Deal. Die Komplettübernahme „mache aus strategischer Sicht Sinn“, schreibt Analyst Markus Rießelmann vom Analysehaus Independent Research. In Anbetracht der erzielbaren Synergien sei der Preis nicht zu hoch. Auch UBS-Analyst Arjan van Veen hob in einer aktuellen Studie zur geplanten Komplettübernahme das Kursziel für die Allianz-Aktie an und stellte die Papiere auf „Kauf“. Im Falle des Kreditversicherers Euler Hermes sieht der Experte nur geringe Risiken.
Leisten kann sich die Allianz die Aufstockung. Die Solvabilitätsquote von zuletzt mehr als 220 Prozent werde damit um vier Prozentpunkte sinken. Um die dicke Kapitaldecke etwas abzuschmelzen, hatte die Allianz kürzlich angekündigt, im Jahr 2018 eigene Aktien für weitere zwei Milliarden Euro zurückzukaufen.
Die jüngsten Wirbelstürme und Erdbeben haben Europas größten Versicherer operativ nicht aus der Bahn geworfen. Die Allianz sitzt weiterhin auf mehr Kapital, als sie nach Überzeugung des Vorstands braucht. Trotz der Hurrikan-Serie über dem Atlantik sowie der Erdbeben in Mexiko erwartet Bäte für 2017 ein operatives Ergebnis zwischen 10,8 und 11,3 Milliarden Euro. So werde der Euler-Hermes-Deal nichts am geplanten Rückkaufprogramm ändern, stellte die Allianz klar. Viele Investoren beklatschten deshalb den Übernahmeplan. Die Allianz-Aktie lag am Montag zeitweise deutlich im Plus.
Der Deal ist auch ein Zeichen dafür, dass die Allianz auf Einkaufstour bleibt. Laut einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung Willis Towers Watson in der Versicherungswirtschaft ist die Zahl der Fusionen und Übernahmen seit 2016 deutlich gesunken. Gleichzeitig sei der Wert der Transaktionen aber gestiegen.
„Zukünftige M&A-Transaktionen werden auch in der Versicherungsbranche von der Notwendigkeit getrieben sein, Synergien zu schaffen, Marken aufzubauen und technologischen Fortschritten nachzukommen“, sagte Marcel Schmitz, Director bei Willis Towers Watson und M&A-Experte für den deutschen Versicherungsmarkt. Es ist eine Botschaft, die bei Oliver Bäte zumindest schon angekommen ist.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.