Managerhaftpflicht D&O-Versicherer Chubb muss Ex-Wirecard-Chef Markus Braun auch Kosten für PR-Berater bezahlen

Der ehemalige Wirecard-Chef sitzt seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft.
Frankfurt Ex-Wirecard-Chef Markus Braun hat im Streit mit seiner Managerhaftpflichtversicherung über die Übernahme von Kosten einen weiteren Etappensieg erzielt. Braun habe „auch Anspruch auf Gewährung von vorläufigem Versicherungsschutz für PR-Kosten“, urteilte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt nach Angaben vom Montag als Berufungsinstanz in einem Eilverfahren. (Az.: 7 U 96/21)
Braun sitzt seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, einer der Hauptverantwortlichen für den „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ bei dem ehemaligen Dax-Konzern zu sein. Das Oberlandesgericht München beschäftigt sich aktuell im Rahmen einer Haftprüfung mit der Frage, ob ausreichend Gründe vorliegen, dass Braun weiterhin im Gefängnis bleiben muss.
Der gefallene Manager wehrt sich gegen die Vorwürfe und hat mehrere namhafte Anwälte und einen Pressesprecher engagiert, die ihm dabei helfen sollen. Seit Monaten gibt es Streit darüber, wer ihre Rechnungen bezahlen muss.
Das Landgericht Frankfurt hatte Braun im Streit mit der US-Versicherung Chubb zwar recht gegeben, den Antrag auf Übernahme der PR-Kosten aber abgelehnt. Das OLG stellte nun fest: Gemäß den Versicherungsbedingungen seien PR-Kosten gedeckt, wenn einer versicherten Person „durch kritische Medienberichterstattung über einen versicherten Haftpflicht-Versicherungsfall ein karrierebeeinträchtigender Reputationsschaden“ drohe. Dies treffe im Fall Markus Braun zu.
Konkret geht es um die Honorare von Brauns PR-Berater Dirk Metz und seiner Anwältin Stephanie Vendt von der Hamburger Kanzlei Nesselhauf. Vendt vertritt den Ex-Wirecard-Chef in allen presserechtlichen Angelegenheiten. Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nach Angaben des Gerichts nicht anfechtbar. Im Hauptsacheverfahren in dieser Sache soll am 1. Dezember vor dem OLG verhandelt werden. (Az.: 7 U 150/21)
Wirecard hatte D&O-Policen über 150 Millionen Euro abgeschlossen. D&O steht für Directors and Officers Liability, die branchenübliche Bezeichnung für die Managerhaftpflicht. Damit sichern Unternehmen ihre Vorstände und Aufsichtsräte gegen Forderungen von Dritten oder der eigenen Firma ab. Außerdem decken sie regelmäßig die oft hohen Anwaltskosten für die Verteidigung der Führungskräfte.
Am 18. Juni 2020 gab Wirecard bekannt, dass dem Konzern 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz fehlten. Sechs Tage später meldete der Zahlungsdienstleister seinem Versicherer Chubb „den Eintritt des Versicherungsfalls“. Es gebe „Anhaltspunkte für potenzielle Pflichtverletzungen von versicherten Personen“, heißt es in dem Wirecard-Schreiben.
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Brauns Anwälte baten anschließend mehrmals um eine Deckungszusage von Chubb – auch mit dem Hinweis auf die Staatsanwaltschaft, die sich zwischenzeitlich den Zugriff auf das Vermögen des ehemaligen Wirecard-Chefs gesichert hatte. Doch der Versicherer zögerte, forderte Unterlagen und weitere Informationen an. Am 25. September 2020 schließlich klagte Braun.
Der frühere Wirecard-Chef argumentierte, er sei selbst ein Opfer des Betrugs in seinem Unternehmen. Braun vertrat die Ansicht, dass ihm ohne den Versicherungsschutz das Recht auf Verteidigung und rechtliches Gehör genommen würde. Ihm könnten dadurch unwiederbringliche existenzielle Nachteile entstehen, klagte der Manager.
Chubb sah das anders. Braun könne Prozesskostenhilfe beantragen oder sich einen Pflichtverteidiger beiordnen lassen. Den Schutz durch das US-Unternehmen habe der Manager verwirkt, weil er gefahrerhöhende Umstände verschwiegen und die Assekuranz arglistig getäuscht habe. Braun sei bekannt gewesen, dass Wirecards Finanzberichte seit Jahren falsch waren.
Auch andere Versicherer sind beteiligt
Chubb tritt mit einer Deckungssumme in Höhe von 15 Millionen Euro zwar als sogenannter Grundversicherer auf, Wirecard hatte aber auch Verträge mit R+V, Swiss Re und AGCS abgeschlossen, dem Industrieversicherer der Allianz. Außerdem beteiligt sind ANV, Dual, AIG, Liberty, HCC und QBE.
Solche Konsortien sind üblich. Um hohe Summen zu decken, kaufen Unternehmen sogenannte Deckungsschichten bei mehreren Versicherern ein. Übersteigt der Schaden die mit dem Grundversicherer vereinbarte Summe, zahlen nacheinander die Versicherer der nachfolgenden Schichten – bis der Gesamtschaden abgedeckt oder die insgesamt eingekaufte Deckung aufgezehrt ist.
Im Fall Wirecard folgen auf Chubbs Grundversicherung in Höhe von 15 Millionen Euro insgesamt acht Schichten über jeweils zehn bis 25 Millionen Euro. Ob die D&O-Versicherer auch für die Deckung von Teilen des Gesamtschadens aufkommen müssen, ist noch fraglich. Klar scheint nur: Freiwillig wird keiner zahlen.
Im Wirecard-Insolvenzverfahren haben Gläubiger und Aktionäre Forderungen in Höhe von über zwölf Milliarden Euro angemeldet. Insolvenzverwalter Michael Jaffé hat in seinem jüngsten Sachstandbericht notiert, dass er in Bezug auf die D&O-Versicherung zwar „weitere Tätigkeiten entfaltet“ hat. Die Versicherer hätten ihm jedoch mitgeteilt, dass sie „aus verschiedensten Gründen keine Einstandspflicht sehen“.
Mit Material von dpa.
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