Markt arbeitet ineffektiv Studie watscht deutsche Versicherer ab

In vielen Disziplinen landen die deutschen Versicherer wie Ergo, die Allianz oder Talanx auf hinteren Plätzen. Zum Beispiel, was die Dauer von IT-Projekten anbelangt.
Düsseldorf Das Internet ist voll davon: Von „So kündigen Sie richtig“ bis zu „Und raus bist du“ lauten die Suchmaschinenergebnisse. Offenbar ist der Bedarf groß, wenn es darum geht, Versicherungsverträge zu kündigen. Aber die Konzerne machen es ihren Kunden nicht leicht zu wechseln. Woran das liegt, hat sich jetzt das auf Versicherungen spezialisierte Beratungsunternehmen Sollers Consulting angeschaut. Das Ergebnis ist ernüchternd: Der deutsche Versicherungsmarkt ist wenig dynamisch und IT-Projekte brauchen hier länger als anderswo. „Wie die niedrigen Wechselquoten zeigen, ist der Wettbewerb in Deutschland nicht so stark, als dass genügend Druck auf die Versicherer entsteht, sich zu modernisieren“, sagt Sollers-Consulting-Partner Michał Trochimczuk.
Das ursprünglich aus Polen stammende Unternehmen hat Erfahrungen mit 50 Versicherungskonzernen ausgewertet – unter ihnen auch deutsche Branchengrößen wie die Allianz, Talanx und die Ergo-Versicherung. In vielen Disziplinen landen die deutschen Versicherer auf hinteren Plätzen. Zum Beispiel, was die Dauer von IT-Projekten anbelangt. Von der Entwicklung bis zum fehlerfreien Lauf der neuen IT vergingen in Polen anderthalb bis drei Jahre, in Deutschland vier bis fünf Jahre. Neue Produkte etwa in der wettbewerbsintensiven Autoversicherung einzuführen, dauere in Großbritannien knapp fünf, in Deutschland meistens mehr als 18 Monate.
Im europäischen Vergleich wenig kundenfreundlich
Abgeschlagen liegen die deutschen Versicherer laut Studie auch beim Alter ihrer IT-Systeme. Die meisten seien niemals grundsätzlich erneuert, sondern immer nur durch weitere Schnittstellen erweitert worden, berichtet Berater Trochimczuk. In Großbritannien dagegen ist bereits die Hälfte der Systeme komplett ausgetauscht worden.
Richtig ärgerlich, so stellen die Berater fest, wird es in Deutschland, wenn Kunden einfällt, dass sie ihre Versicherung kündigen wollen. Die meisten freiwilligen Versicherungen verlängern sich automatisch. Und wer raus will, muss rechtzeitig einen Monat vor Ablauf des sogenannten Versicherungsjahres kündigen. Im verhältnismäßig jungen Versicherungsmarkt Polen, ist die Rechtsprechung kundenfreundlicher. Dort können Kunden bis zu einen Tag vor Ablauf des Versicherungsjahres kündigen. In Großbritannien darf der Kunde jederzeit alle seine Sachpolicen kündigen – Versicherungsunternehmen geben aber hier verschiedene Fristen vor, die typischerweise ein bis drei Wochen umfassen.
Kritik an Pauschalisierung der Studie
Beim Gesamtverband der Versicherer (GDV) stoßen die Berater auf Unverständnis. Ein Sprecher relativiert: Selbst der internationale Vergleich eher „einfacher“ Versicherungsprodukte wie der Autohaftpflicht sei aufwendig, weil bereits die gesetzlichen Mindestdeckungssummen sich von Land zu Land erheblich unterschieden – mit Folgen für Prämienhöhen.
„Pauschale Aussagen über alle Versicherungssparten hinweg sind irreführend“, sagt der GDV, der auch den Eindruck einer veralteten IT- und Vertriebsstruktur der Versicherer in Deutschland von sich weist. Entscheidend sei doch, dass der Kunde die Beratung erhalte, die er benötigte. Trochimczuk glaubt nicht daran, und verweist darauf, wie auch deutsche Unternehmen sich umstellen, wenn sie auf dem polnischen Markt Kunden gewinnen wollen: Allianz, Ergo und andere nehmen in Polen gar keine Papieranträge mehr an, sondern bevorzugen, wenn Kunden sich online melden. Offenbar könnten deutsche Unternehmen auch anders, wenn Kunde und Konkurrenz sie dazu zwängen.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.