Neue Finanzierungsrunde Versicherungs-Start-up Wefox ist jetzt drei Milliarden Dollar wert

Die beiden Wefox-Mitgründer wollen frisches Geld in Technologie, Produktentwicklung und Expansion investieren.
Frankfurt Die deutsche Fintech-Szene kann die nächste große Finanzierungsrunde feiern: Das Versicherungs-Start-up Wefox sammelt bei Investoren einen Betrag von 650 Millionen Dollar ein. Dem Unternehmen zufolge ist das die größte Series-C-Finanzierungsrunde eines Insurtechs, wie Start-ups aus der Versicherungsbranche genannt werden, weltweit. Wefox ist nun mit drei Milliarden Dollar bewertet – und damit eines der wenigen Mehrfach-Einhörner unter den deutschen Finanz-Start-ups. Als „Einhorn“ werden junge Firmen mit einer Bewertung von mindestens einer Milliarde Dollar bezeichnet.
Das Berliner Insurtech mit Wurzeln in der Schweiz profitiert auch davon, dass die Corona-Pandemie die digitale Transformation in der Versicherungsbranche beschleunigt hat. Nach der Gründung ist Wefox im Jahr 2015 zunächst mit einer digitalen Plattform für Versicherungsmakler gestartet, mit der sich die Policen der Kunden verwalten lassen. Im Jahr 2018 kam der eigene Digitalversicherer hinzu, der mittlerweile unter dem Namen Wefox Insurance firmiert. „Wir werden in den nächsten Jahren weiter international expandieren und wollen noch dieses Jahrzehnt der führende Anbieter von digitalen Personenversicherungen werden“, sagt Julian Teicke, Chef und Mitgründer von Wefox.
Angeführt wird die Finanzierungsrunde vom Berliner Wagniskapitalgeber Target Global, der bereits in dem Start-up investiert ist. Daneben haben sich LGT, Partners Group, Jupiter, Decisive Wealth und FinTLV sowie einige Bestandsinvestoren an Wefox beteiligt. Teicke sagt: „Wir wurden von einer starken Nachfrage überrascht: Wir hatten Zusagen von Investoren von über einer Milliarde Dollar.“ Es habe sich daher schnell gezeigt, dass es „sich jetzt lohnt, in die Vollen zu gehen, um unsere Vision umsetzen zu können.“
Viel Hype um Finanz-Start-ups
Rückenwind bekam Wefox wohl auch vom allgemeinen Hype um Finanz-Start-ups: Erst vor wenigen Tagen hat der Berliner Neobroker Trade Republic eine Finanzierungsrunde von 900 Millionen Dollar bekanntgegeben und wurde dabei mit fünf Milliarden Dollar bewertet. Laut einer aktuellen Liste des Marktforschers CB Insights zählen Trade Republic, die Smartphone-Bank N26 und der Banking-Software-Anbieter Mambu zu den wertvollsten privaten Fintechs in Deutschland mit einer Bewertung von mehreren Milliarden Dollar. Nun kommt auch noch Wefox dazu.
Geld in Versicherungs-Start-ups steckten Investoren bislang häufig in junge Firmen aus den USA, auch weil es nur wenige große Spieler in Europa gibt. Laut der Unternehmensberatung Willis Towers Watson erhielten Insurtechs im ersten Quartal 2021 insgesamt rund 2,6 Milliarden Dollar in 146 Transaktionen. Acht Start-ups bekamen dabei 100 Millionen Dollar oder sogar mehr. Sieben davon kamen aus den USA, eines stammte aus Großbritannien.
Allerdings hatte Wefox schon 2019 international für Aufmerksamkeit gesorgt, als das Unternehmen bei Investoren in zwei Schritten insgesamt 235 Millionen Dollar einsammelte. Doch mit dem frischen Geld steigt Wefox noch einmal in eine andere Liga auf: „Mit unserer jetzigen Runde erreichen wir unsere finanzielle Unabhängigkeit. Das heißt, wir können in die Zukunft planen, ohne uns ständig über die Finanzierung Gedanken machen zu müssen“, sagt Wefox-Finanzchef Fabian Wesemann. Die Gesamtfinanzierung beträgt nun 918 Millionen Dollar.
Deutsche Insurtechs konnten im laufenden Jahr bislang eher kleinere Finanzierungsrunden abschließen. Die größte Beachtung gab es für den digitalen Versicherungsmanager Clark, der um den Jahreswechsel unter anderem vom chinesischen Internetunternehmen Tencent 69 Millionen Euro erhielt.
Markteintritt in Italien für dieses Jahr geplant
Mit dem neuen Investment plant Wefox unter anderem die weitere Auslandsexpansion. Wefox operiert heute schon in Deutschland, Österreich, Polen und der Schweiz. Wesemann sagt: „Zunächst wollen wir die Wefox Insurance in weitere europäische Länder bringen. Noch in diesem Jahr ist der Start in Italien geplant, weitere Märkte sollen zeitnah folgen.“ Nach dem Launch in weiteren europäischen Märkten sehe man auch Potenzial außerhalb Europas.
Im vergangenen Frühjahr hatte Wefox die angekündigten Markteintritte in Asien, Großbritannien und den USA wegen der Corona-Pandemie gestoppt. Während der unsicheren Situation rieten viele Investoren dazu, vorsichtig zu sein und die Kosten zu reduzieren.

Die Digitalversicherung war im Geschäftsjahr 2020 unter dem Strich profitabel.
Daneben soll nun die Produktpalette in den bestehenden Märkten deutlich ausgeweitet werden. Teicke verspricht, dass der Digitalversicherer der Gruppe in diesem Jahr im deutschsprachigen Raum 24 neue Produkte auf den Markt bringen wird. Im nächsten Jahr seien dann 50 neue Produkte geplant. „Neben Sachversicherungen werden wir zeitnah auch Lebens- und Krankenversicherungen anbieten. Zu den ersten Produkten werden Zahnzusatzversicherungen und Risikolebensversicherungen zählen“, so Teicke.
Prävention soll künftig stärker im Fokus stehen
Wichtig sind den beiden Mitgründern auch Investitionen in neue Technologien. Im Mittelpunkt steht eine neue Abteilung für Künstliche Intelligenz, die in Paris angesiedelt ist. „In Zukunft sollen unsere Kunden neuartige Angebote erhalten, die sie proaktiv vor Risiken warnen, bevor Schäden überhaupt erst entstehen“, erklärt Wesemann.
Wefox hat im vergangenen Geschäftsjahr laut eigenen Angaben einen Umsatz von 143 Millionen Dollar erzielt. Finanzchef Wesemann zufolge soll er dieses Jahr auf über 350 Millionen Dollar steigen. Zugleich wolle man die Profitabilität im Auge behalten.
Das Prämienvolumen des Versicherers, der stark auf den Vertrieb über Berater und Vermittler setzt, lag 2020 bei 33,8 Millionen Euro, unter dem Strich stand ein kleiner Gewinn. Die Wefox Insurance sei damit der erste profitable Neoversicherer in Europa, betont Yaron Valler, General Partner bei Target Global. Seine über 600 Mitarbeiter will Wefox im Zuge der neuen Finanzierungsrunde am Unternehmen beteiligen.
Vor einiger Zeit hatte Teicke auch einen Börsengang von Wefox ins Spiel gebracht. Mehrere US-Insurtechs sind mittlerweile börsennotiert – darunter Lemonade, Root und Oscar Health. Zu den möglichen Plänen wollten die Wefox-Gründer zum jetzigen Zeitpunkt aber keine näheren Angaben machen.
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