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Neuer Axa-Chef Thomas Buberl Ein Deutscher in Paris

Es ist eine Kulturrevolution für Axa und die gesamte französische Wirtschaft: Mit Thomas Buberl rückt ein Deutscher an die Spitze einer der größten Konzerne des Landes. Die Entscheidung hat auch strategisch Signalwirkung.
21.03.2016 - 18:36 Uhr
Der gebürtige Rheinländer wird im September neuer Chef des französischen Versicherungskonzerns Axa. Quelle: Reuters
Thomas Buberl

Der gebürtige Rheinländer wird im September neuer Chef des französischen Versicherungskonzerns Axa.

(Foto: Reuters)

Paris, Hannover Eine Wohnung und eine Schule für die Kinder zu suchen hatte er noch keine Zeit: Erst seit vergangenen Samstag weiß Thomas Buberl, dass er zum 1. September 2016 Nachfolger von Henri de Castries als Chef des zweitgrößten europäischen Versicherers Axa wird. Doch nicht nur für den 42-jährigen Aufsteiger kommt die Personalie überraschend: Auch die Öffentlichkeit blickt mit Erstaunen auf den ersten Deutschen, der einen französischen Konzern dieser Größe leitet.

Es ist eine Kulturrevolution für Axa – und für die französische Wirtschaft insgesamt. Mit Frank Esser gibt es zwar schon einen deutschen Chef des Telekomkonzerns SFR. Doch dessen Größe ist nicht mit Axa vergleichbar. Und der Deutsche Tom Enders führt mit Airbus nur eine deutsch-französisch-spanische Gruppe.

Für den bisherigen Axa-Chef de Castries ist die ungewöhnliche Personalie konsequent – denn das Thema Nationalität habe sich bei Axa erledigt: „Unser Vaterland ist Europa.“ Das Unternehmen sei „eine Meritokratie, es geht allein um das Talent“. Er selbst wird Axa im Herbst verlassen und auch nicht mehr dem Verwaltungsrat angehören.

Buberl stellte sich am Montag zusammen mit Denis Duverne, der künftig den Verwaltungsrat leiten wird, und dem 61 Jahre alten de Castries den Medien. In perfektem Französisch antwortete Buberl auf Fragen. Drei große Herausforderungen sieht er für das Unternehmen, dessen Deutschland-Geschäft er bislang vorstand: „Niedrige Zinsen, schwaches Wachstum und den digitalen Wandel.“

Am 21. Juni will Axa eine neue Strategie für die Jahre bis 2020 vorstellen. Damit begründeten Buberl und de Castries die Personalentscheidung zum jetzigen Zeitpunkt: „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die neue Mannschaft den künftigen Plan von Anfang an verantworten soll“, sagten beide übereinstimmend. Er selbst werde „ab sofort Thomas zur Verfügung stehen“, ergänzte de Castries, der Axa 17 Jahre lang geführt und den Gewinn des Versicherers in dieser Zeit verachtfacht hat. Das bedeutet: Buberl kann schon jetzt Entscheidungen treffen, auch wenn er formal erst später übernimmt.

Gemeinsam mit Duverne muss Buberl zunächst einen Nachfolger für sich selbst als Vorstandsmitglied suchen und einen neuen stellvertretenden Vorstandschef, denn Duverne gibt diese Funktion auf. De Castries leitete in sechs von 17 Jahren auch den Verwaltungsrat, doch nun will Axa die Posten wieder trennen. Buberl und Duverne sagten, sie hätten ein Vertrauensverhältnis, da sie sich schon in der Vergangenheit mindestens einmal pro Woche in Paris getroffen haben. Buberl war zuletzt nicht nur für Axa-Deutschland verantwortlich, sondern auch für die Lebens- und Krankenversicherungen des Gesamtkonzerns.
De Castries sparte nicht mit Lob für seinen Nachfolger: „Er wird besser sein als ich, denn obwohl er jünger ist als ich damals, hat er schon jetzt mehr Erfahrung.“ Seit acht Jahren habe er Führungsfunktionen inne, zunächst bei Winterthur, die von Axa übernommen wurde, dann beim Konkurrenten Zürich und schließlich wieder in der französischen Gruppe.

Übergangszeit als Chance

Trotz des starken Rückhalts durch de Castries und Duverne wartet auf den Rheinländer eine große Herausforderung. Axas Aktionäre sind mehrheitlich nichtfranzösisch, ein Drittel der Anteile gehört Amerikanern, und der Vorstand, in dem nur noch Englisch gesprochen wird, ist schon heute international besetzt. Dennoch ist ein Deutscher in dieser Position kein Selbstläufer. Der Kontrast zum Vorgänger könnte kaum größer sein: De Castries ist trotz seines lockeren und betont europäischen Auftretens alter französischer Adel. Sein Onkel war Kommandeur in Dien Bien Phu, wo Frankreich die Schlacht um Indochina verlor, er selbst ist Offizier der Fallschirmjäger.

An der Spitze von Axa einen Nichtfranzosen, gar einen Deutschen zu installieren ist deshalb noch immer nicht selbstverständlich. Das machte de Castries selbst mit seiner Antwort auf die Frage deutlich, ob sein Nachfolger ebenso offen wie er die französische Politik kommentieren und kritisieren könne: „Sie wissen, dass das ein heikles Thema ist, lassen Sie Thomas Zeit, seinen eigenen Stil zu finden.“

Die Übergangszeit bis zum 1. September sieht de Castries auch ein wenig als Chance für Buberl: „Ich will nicht wie ein Dieb verschwinden, Thomas soll Zeit haben, sich zu organisieren und die Mannschaft noch besser kennen zu lernen.“ Er selbst stehe „derweil im Dienst von Thomas, um die nächste Etappe vorzubereiten.“

Was die nächste Etappe für ihn selbst sein wird, ließ de Castries offen. Spekulationen, er könne ab 2017 das Board der britischen Bank HSBC leiten, wollte er nicht beantworten. „Machen Sie nicht aus einem zeitlichen Zufall eine Kausalität“, forderte er. Jedenfalls strotzt er vor Tatendrang: „Ich werde nicht ins Altersheim gehen und auch nicht Golf spielen“, witzelte der noch stets jugendlich und gut gelaunt wirkende Franzose, der selbst fast perfekt Deutsch spricht: Erbe einer frühen Beziehung zu einer Deutschen, wie er einmal halb im Scherz sagte.

Buberl hat sich vor allem die weitere Digitalisierung der Gruppe auf die Fahnen geschrieben sowie das weitere Wachstum außerhalb Europas. „Es gibt genügend Schwellenländer, die stark wachsen, dort müssen wir unser zusätzliches Geschäft suchen.“
Selbst muss er sich jetzt erst einer ganz anderen Suche widmen: So muss er eine Wohnung für die Familie, die ihm erst nach den Schulferien folgen wird, und eine Schule für die sieben und elf Jahre alten Kinder finden. 

Generationswechsel in der Branche

Nicht nur der Axa-Konzern bekommt einen neuen Chef: Die Branche hat ein wahrer Generationenwechsel erfasst – von A wie Axa über R wie R+V bis zu Z wie Zurich. „Unsere Branche erlebt personell so viel Veränderung wie wohl noch nie in der jüngeren Geschichte“, sagt Alexander Erdland, Präsident des Versicherungsverbands GDV und Chef des Stuttgarter Finanzkonzerns W&W.

Auch Erdland zählt zu denen, die sich bald vom operativen Geschäft verabschieden werden: Im kommenden Jahr übergibt der heute 64-Jährige den Vorstandsvorsitzenden an den 46-jährigen Jürgen Albert Junker. Für Erdland sind die vielen Wechsel „ein Zeichen unserer Vorwärtsbewegung“ – für andere Branchenbeobachter ein Muss. Denn die Versicherer stehen so stark unter Druck wie schon lange nicht mehr. Die niedrigen Zinsen belasten die Bilanzen der Konzerne. Zugleich stellt die Aufsicht mit dem neuen Regelwerk Solvency II höhere Anforderungen bei der Kapitalanlage.


Dazu hat der technologische Fortschritt neue, angriffslustige Wettbewerber hervorgebracht. Noch nehmen die Fintechs oder Insurtechs genannten Angreifer den etablierten Versicherern zwar nicht viel Umsatz weg. Doch schon bald könnte sich das ändern.

Die Technik bringt weitere Risiken für die etablierten Versicherer. Denn smarte Häuser oder vernetzte Accessoires sammeln Unmengen von Daten, durch die Versicherungsbeiträge und -risiken womöglich ganz neu berechnet werden müssen. Die Entwicklung des selbstfahrenden Autos könnte sogar den gesamten Geschäftsbereich Kfz-Versicherung infrage stellen. Die kommende Welle vernetzter Technologien stelle „eine grundlegende Bedrohung für die Zukunft der Versicherer dar“, warnen die Autoren des „World Insurance Report 2016“, der von der Beratungsgesellschaft Capgemini und Efma kürzlich veröffentlicht wurde. „Diese Technologien könnten traditionelle Geschäftsmodelle aufbrechen: von der Art, wie sich Versicherer mit ihren Kunden in Verbindung setzen, bis hin zu grundsätzlichen Bewertungsmethoden und dem Risikomanagement.“

All das stellt eine Mischung dar, die den etablierten Versicherungskonzernen schwer zu schaffen macht – und dafür spricht, einer jüngeren Generation an der Spitze Platz zu machen, zumal sich viele Versicherungsmanager schon dem Rentenalter nähern.

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