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Ulrich Leitermann im Interview „Ein unfairer Wettbewerbsvorteil“ – Signal-Iduna-Chef kritisiert Datenschutz-Regeln für Tech-Riesen

Der Chef der Signal Iduna erklärt, wie sein Haus den digitalen Umbau vorantreibt – und fordert die Politik auf, auch Facebook und Co. strenger zu kontrollieren.
17.03.2019 - 08:00 Uhr Kommentieren
Der Chef baut Signal Iduna derzeit kräftig um. Quelle: Signal Iduna /  Benito Barajas
Ulrich Leitermann

Der Chef baut Signal Iduna derzeit kräftig um.

(Foto: Signal Iduna / Benito Barajas)

Signal Iduna-Chef Ulrich Leitermann sieht einen unfairen Wettbewerbsvorteil bei den großen Tech-Konzernen wie Google, Amazon und Facebook. Auslöser dafür ist nach seiner Ansicht die Politik. „Versicherer müssen strengste Datenschutzregeln befolgen. Gleichzeitig haben Unternehmen wie Facebook zig Datenskandale in Folge – und nichts passiert“, sagte er im Handelsblatt-Interview. Stattdessen schaue der Gesetzgeber einfach zu.

Seinen Vorwurf begründet Leitermann, dessen Vertrag bei dem Dortmunder Versicherer gerade um weitere fünf Jahre verlängert wurde, mit den unterschiedlichen Maßstäben beim Datenschutz. Demnach dürften Assekuranzen beispielsweise die Daten eines Kunden in der Krankenversicherung nicht in der Lebensversicherung verwenden. „Google, Facebook und Amazon können alle Daten in einen Topf werfen und keinen stört es“, sagte er. Gegen diese Art von Wettbewerbsverzerrung müsse die Branche vorgehen.

Den Eintritt eines Technologieriesen in die Versicherungswirtschaft, über den immer wieder gesprochen wird, fürchtet Leitermann nicht. Diese Unternehmen suchen nach seiner Ansicht immer Geschäfte, die gut skalierbar sind und eine schnelle Rendite versprechen. Deswegen seien die Geschäftsbereiche von Versicherern nicht so spannend für die großen Plattformen. „Unterschätzen darf man die großen Tech-Konzerne aber keinesfalls, allein wegen ihrer unglaublichen Datenmengen und Servicequalität“, so Leitermann.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Leitermann, Experten vergleichen den Wandel der Versicherer in die digitale Welt mit dem Übergang der Autobauer vom Verbrenner zum Elektromotor. Fahren Sie bei Signal Iduna schon elektrisch?
Ich halte nicht viel von dem Vergleich. Wir brauchten keinen Skandal, um zu verstehen, dass wir uns verändern müssen. Die Versicherer sind bei Veränderungen teils deutlich weiter als andere Branchen.

Bei den Zahlen haben Sie bereits konkrete Ziele. Sie wollen die Beitragseinnahmen von heute fünf Milliarden Euro auf sieben Milliarden steigern. Ohne radikale Veränderungen wird Ihnen das nicht gelingen. 
Das stimmt. Unsere neue Strategie Vision 2023 wird deshalb auch unser gesamtes Unternehmen verändern. Wir wollen alle Möglichkeiten nutzen, die uns die Digitalisierung bietet.

Wie sieht das konkret aus?
Zunächst wollen wir als Organisation agiler werden. Dafür müssen alle Bereiche anders zusammenarbeiten, Führungskräfte müssen Verantwortung an Mitarbeiter abgeben.

Wie wird sich dadurch Ihr Angebot verändern?
Mithilfe der Digitalisierung können wir Lösungen anbieten, die bislang zu teuer oder aufwendig gewesen wären. In Deutschland gibt es zum Beispiel eine Million Handwerksunternehmen mit durchschnittlich einer Handvoll Mitarbeiter. Die konnten bislang keine betriebliche Altersvorsorge anbieten, weil der Verwaltungsaufwand zu groß war. Mit unserer neuen digitalen Plattform geht das. Wir nehmen den Firmen Verwaltungsaufwand ab, den in großen Unternehmen Personalabteilungen leisten. In einem nächsten Schritt werden wir unsere Versicherungen in ein Plattformkonzept einbinden.

Was bedeutet das?
Wir bieten den Kunden neben Versicherungen zusätzliche Dienstleistungen und Beratungsangebote.

Das versuchen andere auch.
Mag sein. Aber keiner fokussiert sich dabei so sehr auf kleine Unternehmen, insbesondere im Handwerk. Aus Gesprächen wissen wir, dass viele kleine Firmen große Fragen zur Sicherheit ihrer IT haben. Deshalb kooperieren wir mit Perseus, einem Cybersicherheitsanbieter, und versichern die Kunden so nicht nur, sondern sie erhalten umfangreiche Beratungsleistungen und ihre Mitarbeiter werden über eine Plattform gecoacht. Wenn dann doch etwas passiert, helfen ihnen unsere Experten – wenn es sein muss auch vor Ort.

Beratung, Coaching, Hilfe vor Ort – das sind neue Begriffe in Ihrem Haus. Sind Sie in Zukunft überhaupt noch eine Versicherung?
Unser Kern ist und bleibt die Risikoabsicherung. Die Digitalisierung eröffnet uns aber neue Möglichkeiten. Wir entwickeln uns daher zu einem Lösungsanbieter.

Woher wissen Sie, dass Unternehmen diese Lösungen brauchen?
Unsere Mitarbeiter haben zum Beispiel hundert Bäcker interviewt. Das Ergebnis wird eine neue Plattform sein, die kleinen Unternehmen völlig neue Datendienste ermöglicht. Bäckereien können dort ihre smarten Backöfen anschließen. Droht ein technisches Problem, warnt die Plattform – und bestellt bei Bedarf einen Techniker. Daneben liefert die Plattform zum Beispiel Wetterdaten und hilft Bäckereien KI-basiert, die Nachfrage situativ besser einzuschätzen.

Wie wollen Sie so Geld verdienen?
Indem wir ihre Probleme lösen, binden wir die Kunden enger an uns. Einige Dienste werden zudem kostenpflichtig zubuchbar sein.

Wann wollen Sie damit loslegen?
Einzellösungen gibt es sicherlich innerhalb von sechs bis zwölf Monaten.

Nun agieren Sie anders als die großen Konzerne vor allem national und treffen auf einen gesättigten Markt. Welchen Einfluss hat das?
Ja, wir reden über Verdrängungswettbewerb. Besonders die Digitalisierung wird aber dazu beitragen, dass sich der Markt anders verteilt. Außerdem ist bei unseren Zielgruppen der Markt noch längst nicht ausgeschöpft. Viele Wettbewerber ziehen sich beispielsweise aus der Fläche zurück, wir haben noch rund 3 000 Berater im Land. Und wir bauen neue Geschäftsstellen auf.

Wie teuer ist der digitale Umbau?
Durch unser Zukunftsprogramm haben wir Kosten reduziert, um Mittel für die IT und die Prozesse zu haben. Wir haben bereits über 120 Millionen Euro investiert. Für 2019 haben wir ein Projektbudget von 40 Millionen Euro. Das wird es in den nächsten Jahren mindestens auch sein.

Sie haben zudem einen Topf von 100 Millionen Euro, mit dem Sie von Berlin aus in Start-ups investieren. Was soll hier herauskommen?
2017 haben wir unsere Initiative signals gegründet. Dabei geht es auch darum, ob es weltweit schon Ideen gibt, die sich auf den deutschen Markt transferieren lassen und Unternehmen, die diese Ideen umsetzen.

Wo helfen dabei junge Tech-Firmen?
Wir sind beispielsweise an Finleap und Element beteiligt und kooperieren mit Perseus. Außerdem bin ich überzeigt, dass Künstliche Intelligenz unser Geschäft verändern wird. Hier zeigen gerade Start-ups vielversprechende Ansätze.

Wird aus dem Aktuar so bald schon der Data Analyst?
Die Voraussetzungen sind gut, weil Versicherer per se sehr viel mit Daten zu tun haben. Es fehlt der Branche im Moment nur das Verständnis, was mit den Daten möglich wäre.

Gibt es da anderswo Vorbilder?
Natürlich ist es der große Vorteil von Google, Amazon und Co., dass dort Daten gesammelt werden, die völlig anders sind als unsere. Von ihnen können wir lernen, wie man Kunden besser versteht. Schon heute haben sich die Methoden geändert. Wo für Kfz-Versicherungen früher die Kilometerleistung im Vordergrund stand, dominiert heute das Fahrverhalten.

Immer wieder wird spekuliert, dass etwa Amazon ins Versicherungsgeschäft einsteigen könnte. Macht Ihnen das Sorgen?
Ich kenne die Strategie von Amazon nicht. Aber die Tech-Riesen suchen immer Geschäfte, die gut skalierbar sind und eine schnelle Rendite versprechen. Deswegen sind viele Geschäftsbereiche von Versicherern nicht so spannend für sie. Unterschätzen darf man die Tech-Konzerne aber keinesfalls, allein wegen ihrer unglaublichen Datenmengen und Servicequalität. Wir sind aber eine sehr beaufsichtigte Branche, da ist es schwieriger, reinzukommen.

Schreckt das Tech-Giganten ab?
Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass die großen Plattformen derzeit einen unfairen Wettbewerbsvorteil haben – ausgelöst von der Politik. Versicherer müssen strengste Datenschutzregeln befolgen. Und Unternehmen wie Facebook haben zig Datenskandale in Folge – und nichts passiert. Der Gesetzgeber schaut einfach zu.

Fordern Sie damit weniger Regeln für Versicherer oder schärfere Regeln für Facebook?
Der Weg ist dazwischen. Aber: Kunden verstehen die unterschiedlichen Maßstäbe beim Datenschutz nicht. Wir dürfen beispielsweise die Informationen eines Kunden in der Krankenversicherung nicht in der Lebensversicherung verwenden. Der Kunde will aber ganzheitlich betreut werden. Google, Facebook und Amazon können alle Daten in einen Topf werfen und keinen stört es. Das ist Wettbewerbsverzerrung, da muss sich die Branche wehren.

Sie haben just einen neuen Fünfjahresvertrag unterschrieben. Wo soll Signal Iduna am Ende stehen?
Wir werden als Unternehmen anders aufgestellt sein. Wie wir zusammenarbeiten, wie wir Verantwortung verteilen und wie wir Lösungen hervorbringen. Der Kunde soll spüren, dass sich jemand um seine Gesamtsituation kümmert. Wenn das ankommt, sind wir dem Ziel ein Stück näher.

Herr Leitermann, wir danken für das Gespräch.

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