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Versicherer Allianz senkt Verzinsung: Gibt es noch lohnende Lebensversicherungen?

Der Marktführer Allianz hat seine Überschussbeteiligung für das kommende Jahr vorgelegt, und die gibt in der Branche meist die Richtung vor. Worauf sich Versicherte einstellen müssen.
02.12.2020 - 13:06 Uhr 1 Kommentar
Fahnen mit dem Logo der Allianz: Der Marktführer in Deutschland hat heute seine Überschussbeteiligung für 2021 in der Lebensversicherung vorgelegt.  Foto: Andreas Gebert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Quelle: dpa
Quartalszahlen Allianz

Fahnen mit dem Logo der Allianz: Der Marktführer in Deutschland hat heute seine Überschussbeteiligung für 2021 in der Lebensversicherung vorgelegt. Foto: Andreas Gebert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

(Foto: dpa)

Frankfurt, München Es sind Ankündigungen, die für Millionen Deutsche hohe Relevanz haben. Jedes Jahr im Dezember legt der Großteil der deutschen Lebensversicherer fest, mit welcher Verzinsung die insgesamt rund 84 Millionen Lebensversicherten in Deutschland rechnen dürfen.

Nun hat der deutsche Marktführer Allianz ein klares Zeichen gesetzt: Der Münchener Dax-30-Konzern hat die laufende Verzinsung erneut um 0,2 Prozent gesenkt. Sie liegt bei den klassischen Verträgen jetzt bei 2,3 Prozent, bei dem meistverkauften Produkt „Perspektive“ sind es 2,4 Prozent. Bei Perspektive gibt es keine für Jahrzehnte garantierte Mindestverzinsung mehr. Weil die Garantie auch Kosten verursacht, liegt dieses Produkt in der laufenden Verzinsung etwas höher.

Die Kunden von Deutschlands größtem Lebensversicherer Allianz Leben müssen sich damit im nächsten Jahr mit einer Überschussbeteiligung unter dem Vorjahresniveau begnügen. Im vergangenen Jahr haben die Stuttgarter die laufende Verzinsung auf klassische Lebens- und Rentenpolicen mit lebenslanger Garantie um 0,3 Prozentpunkte gesenkt, nachdem sie zuvor drei Jahre konstant gehalten worden war.

Doch schon seit Jahren kennt der Trend grundsätzlich nur noch eine Richtung: abwärts. Die Nullzinsen und die hohen Zuzahlungen in die Zinszusatzreserve belasten die Rendite der meisten Versicherer. Denn die Erträge aus Kapitalanlagen bleiben auf absehbare Zeit niedrig.

Nach wie vor ist die Lebensversicherung jedoch die liebste Geldanlage der Deutschen. Weiterhin liegt die Zahl der abgeschlossenen Lebensversicherungspolicen auf der Höhe der Einwohnerzahl im Land, auch wenn der Trend seit Jahren rückläufig ist. Zudem versuchen die Versicherer inzwischen mit alternativen Anlageklassen wie Immobilien, Beteiligungen an Unternehmen und Infrastrukturinvestments, die Renditen zu erwirtschaften, die die ehemals in der Kapitalanlage dominierenden Staatsanleihen längst nicht mehr abliefern.

Worauf müssen sich die Millionen deutschen Versicherten also im kommenden Jahr einstellen? Das Handelsblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist die Überschussbeteiligung?

Die meisten klassischen Lebens- oder Rentenversicherungen geben Kunden eine garantierte Verzinsung, die für die gesamte Laufzeit des Vertrags zugesichert wird. Erwirtschaften die Firmen jedoch während eines Geschäftsjahres höhere Erträge, als sie für diese Garantien benötigen, entstehen Überschüsse, die auf Grundlage eines gesetzlich geregelten Verfahrens an die Versicherten ausgeschüttet werden.

Die klassischen Verträge bieten den Kunden also eine lebenslang garantierte Mindestverzinsung, die für Neuverträge seit 2017 bei 0,9 Prozent liegt. Die deutschen Lebensversicherer sollen ihren Kunden von 2022 an jedoch nur noch maximal eine Verzinsung von 0,25 Prozent auf neue Policen versprechen dürfen. Das schlug die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV), der Verband der Versicherungsmathematiker, am Mittwoch vor.

Viele neue Verträge, die sogenannte „neue Klassik“, haben keine Mindestverzinsung mehr. Sie setzen noch stärker auf den Überschussanteil, der jedes Jahr neu berechnet wird – und nicht garantiert ist. Dafür haben sie größere Freiheiten in der Kapitalanlage und nutzen die für den Kauf von Aktien und von Unternehmensanleihen – auch aus Schwellenländern.

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Auch alternative Anlageobjekte spielen eine immer größere Rolle. „Die Tendenz bei unseren Investments geht eindeutig in Richtung alternativer Anlagen wie Immobilien, Infrastrukturinvestments oder erneuerbare Energien. An solche renditestarken Investments kommen Privatanleger sonst nicht ran“, sagt Volker Priebe, Vorstand für Privatkunden bei Allianz Leben.

In der Regel bekommt der Kunde als drittes Element, wenn er seinen Vertrag bis zum Ende durchhält, noch einen Schlussanteil mit einer Beteiligung an den Bewertungsreserven. Alle drei Bestandteile zusammen bilden die Gesamtverzinsung.

Was machen die anderen Versicherer?

Noch haben erst wenige Namen aus der Branche ihre Pläne für das kommende Jahr veröffentlicht. Viele warten darauf, was der Marktführer macht. Die Allianz setzt insofern stets eine Orientierungsgröße in der Branche. „Bei klassischen kapitalgedeckten Lebensversicherungen rechnen wir für 2021 mit einer laufenden Verzinsung von durchschnittlich 2,10 bis 2,15 Prozent – nach 2,29 Prozent in diesem Jahr“, sagt Lars Heermann von der Ratingagentur Assekurata.

Einige große Adressen wie die Axa sind bereits vorgeprescht. So müssen sich die Lebensversicherungskunden der Axa in Deutschland im kommenden Jahr mit geringen Überschüssen begnügen. Die laufende Verzinsung der klassischen Lebensversicherungsverträge sinke im kommenden Jahr von 2,9 auf 2,6 Prozent, teilte die Deutschlandtochter des französischen Axa-Konzerns am Dienstag in Köln mit. Gleiches gelte für den hauseigenen Ableger DBV Deutsche Beamtenversicherung.

Die Alte Leipziger zahlt bei der klassischen Rentenversicherung „RentAL“ dagegen eine laufende Verzinsung von unverändert 2,25 Prozent, auf diesem Niveau bewegt sich weiterhin auch die Swiss Life, wie schon seit 2016.

Auch die kleine Ideal Lebensversicherung wartete nicht auf den Marktführer. Die Ideal senkte die laufende Verzinsung auf 3,0 Prozent. Die Berliner dürften dennoch wohl auch in diesem Jahr zu den Adressen zählen, die eine der höchsten laufenden Verzinsungen bieten. Der Lebensversicherer verfügt über einen außergewöhnlich hohen Anteil an Immobilien, vor allem in Berlin, was ihm hohe Einnahmen garantiert.

Die Verzinsung bei Policen ohne feste Garantie liegt dagegen etwas höher. „Die Verzinsung bei Produkten der ‚neuen Klassik‘ dürfte sich im kommenden Jahr bei 2,15 bis 2,20 Prozent einpendeln“, schätzt Heermann.

Welche Bedeutung haben klassische Policen noch?

Die Bedeutung von klassischen Policen mit fester Zinsgarantie schwindet. Der Großteil der neu verkauften Policen der „neuen Klassik“ setzt auf weniger Garantiezusagen, die jedoch auch mehr Chancen auf Erträge bieten sollen. „Die klassische Police hat sich überlebt“, sagte der Vorstandschef der Ergo-Versicherung, Markus Rieß, vor wenigen Wochen im Handelsblatt. Noch deutlicher wird sein Kollege Priebe von der Allianz Leben: „Die klassische Police mit Garantiezins spielt mittlerweile nur noch in Randbereichen eine Rolle.“

Die Allianz bietet ab dem kommenden Jahr keine Lebensversicherungen mit 100-prozentiger Beitragsgarantie mehr an – ausgenommen sind Produkte, für die das gesetzlich vorgeschrieben ist. Den Kunden wird damit zukünftig in ihren Neuverträgen maximal noch eine Ausschüttung von 90 Prozent ihrer eingezahlten Beiträge zugesichert. Noch immer machen klassische Policen jedoch den größten Teil des Bestands aus – und finden auch neue Kunden. Bundesweit sucht noch immer knapp jeder dritte Deutsche bei einem Neuabschluss nach einem solchen Produkt.

Warum fällt es den Versicherern so schwer, noch hohe Überschüsse zu erzielen?

Ein wesentlicher Grund sind sicherlich die niedrigen Kapitalmarktzinsen. „Das anhaltende Niedrigzinsniveau setzt den Lebensversicherern seit geraumer Zeit zu“, so Assekurata-Experte Heermann. Aufgrund ihrer typischerweise sehr umfangreichen Garantien seien klassische Produkte in hohem Maße von den Kapitalmarktzinsen abhängig und litten daher besonders unter dem extremen Niedrigzinsumfeld.

Nirgendwo bekämen Sparer derzeit mehr eine Garantie über mehrere Jahrzehnte für ihr eingezahltes Geld geboten, klagt Ideal-Chef Rainer Jacobus. „Der Bund zahlt keine Zinsen mehr, Aktien gehen auch nicht immer nur nach oben.“ Die vor Jahrzehnten ausgesprochenen langfristigen Garantien werden so zum finanziellen Ballast für die Branche.

Zumal auch die Zuzahlungen in die sogenannte Zinssatzreserve wieder steigen. Im kommenden Jahr fließen rund elf Milliarden Euro in diesen Topf, schätzt Assekurata, nach rund zehn Milliarden Euro im laufenden Jahr. Die ZZR ist ein staatlich verordneter Sicherungspuffer, in den die Versicherer seit Jahren Geld zahlen. Mit dem Puffer sollen später die Belastungen der Niedrigzinsen besser abgefedert werden.

Manche Kunden wollen die niedrig verzinsten Policen loswerden. Lohnt sich eine vorzeitige Vertragsauflösung?

Eine frühzeitige Kündigung bedeute einen Verlust, denn die Abschluss- und Verwaltungskosten würden in den ersten Vertragsjahren mit den eingezahlten Beiträgen verrechnet, sagt Peer Schulz, Chef des Legal-Tech-Unternehmens Helpcheck. Der sogenannte „Rückkaufswert“ liegt gerade in den ersten Vertragsjahren deutlich unterhalb der eingezahlten Beiträge. Eine frühe Kündigung ist somit in den meisten Fällen nicht lohnenswert.

Alternativ können Versicherte, die kein Geld mehr in die Verträge pumpen wollen, die Policen auch beitragsfrei stellen oder sie verkaufen. In manchen Fällen ist bei älteren Verträgen sogar noch ein Widerruf möglich, wenn die Widerrufsbelehrung beim Vertragsabschluss fehlte oder fehlerhaft war. Versicherte erhalten dann alle gezahlten Prämien inklusive der tatsächlichen Nutzungszinsen zurück.

Viele Versicherte halten allerdings Altverträge, die angesichts der aktuellen Niedrigzinsen lukrativ sind. Das gilt vor allem für Versicherungen, die vor 2004 abgeschlossen wurden und von den damaligen Steuervorteilen profitieren.

Wer sind die stabilsten deutschen Lebensversicherer?

Der angesehene „Map-Report“ von Franke & Bornberg hat jüngst seine Bilanzanalyse der deutschen Lebensversicherer vorgelegt und um ein Rating ergänzt. In diesem Jahr zählen die Experten insgesamt 13 Firmen zu den besten Anbietern, die die höchste Bewertungsklasse in Sachen Finanzstärke erreichen.

Demnach hat die Allianz unter den deutschen Lebensversicherern im untersuchten Zeitraum 2015 bis 2019 die besten Bilanzkennzahlen. Mit 361 Punkten beziehungsweise 90,3 Prozent der maximal erzielbaren Punkte im Bilanzrating erreichte Deutschlands größter Lebensversicherer die Map-Report-Bewertung „mmm“ für hervorragende Leistungen. Die höchste Bewertungsklasse wird ab 75 Prozent beziehungsweise 300 Punkten vergeben.

Von den zehn größten Anbietern finden sich neben der Allianz auch die genossenschaftliche R+V aus Wiesbaden (78,0 Prozent), die Axa Deutschland in Köln (77,0 Prozent) sowie die Alte Leipziger mit Sitz in Oberursel (76,0 Prozent) unter den Bestplatzierten.

Werden Versicherer Altbestände von Lebenspolicen verkaufen?

Davon ist auszugehen. Der bisher größte Verkauf von Altbeständen fand in Deutschland 2018 statt. Die Generali Deutschland entschied damals, sich von ihren alten Lebenspolicen zu trennen und sie in einen sogenannten externen Run-off zu geben – das heißt in fremde Hände zur Verwaltung zu legen. Rund vier Millionen klassische Lebenspolicen wurden an die Abwicklungsplattform Viridium verkauft, die sie in die Tochter Proxalto einbrachte, an der Generali rund zehn Prozent hält.

Damals wurde vorhergesagt, dass der Deal eine Welle lostreten werde – doch passiert ist bisher nicht viel. Das kann sich aber unter dem Druck der Coronakrise ändern. „Ich glaube, dass wir durch den steigenden Druck in der Branche in den kommenden Jahren mehr sogenannte externe Run-offs bei Lebensversicherungen sehen werden“, sagte R+V-Boss Norbert Rollinger im September voraus. „Zumal sich die schlimmsten Befürchtungen der Verbraucherschützer bisher nicht bewahrheitet haben.“

Die Allianz trennte sich dieses Jahr zum ersten Mal in Belgien von einem Bestand an traditionellen Lebensversicherungen. Für Deutschland sei ein Run-off aber keine Option, betonte der Marktführer.

Mehr: Zäsur bei Lebensversicherungen: Was das Ende der Beitragsgarantie für Versicherte bedeutet

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1 Kommentar zu "Versicherer: Allianz senkt Verzinsung: Gibt es noch lohnende Lebensversicherungen?"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Es ist immer noch erstaunlich, dass "der Staat" und die sogenannte "Finanzaufsicht" solche Produkte nicht gänzlich verbietet. Liegt es vielleicht daran, dass Herr Assmusen als ehemaliger Staatssekretär und Beamter in höchsten Ministerialkreisen nun als "Oberlobbyist" den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft anführt? Oder ist es reiner Zufall, dass er mit den höchsten Verbindungen "lobbyiert"?

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