Versicherung Verbraucher sollten sich ihren Lebensversicherer genau anschauen

Viele Versicherer stehen vor großen Herausforderungen.
Frankfurt Lebensversicherungen sind bei den Bundesbürgern äußerst beliebt. Trotz der anhaltenden Niedrigzinsen verzeichneten die Versicherungskonzerne im vergangenen Jahr ein überraschend hohes Wachstum.
Verbraucher, die eine solche Police abschließen wollen, sollten aber genau hinschauen: Denn bei einigen Lebensversicherern ist die Lage äußerst angespannt. Die Unterschiede in den Solvenzquoten, also ob der Versicherer auch für Extremszenarien genug Eigenmittel hat, und anderen wichtigen Kennzahlen sind bei den einzelnen Versicherungsunternehmen zum Teil beträchtlich.
„Die Branche driftet auseinander“, sagt Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten (BdV), der zusammen mit dem Analysehaus Zielke Research Consult die aktuellen Solvenzberichte der deutschen Lebensversicherer unter die Lupe genommen hat.
Demnach habe mehr als ein Viertel der Unternehmen ernste Probleme: 22 der 84 untersuchten Versicherer haben entweder eine zu geringe Solvenz oder eine negative Gewinnerwartung. „Verbraucher sollten sich also genau anschauen, wo sie sich versichern“, ergänzt Carsten Zielke, geschäftsführender Gesellschafter von Zielke Research Consult.
Die Solvenzberichte zeigen, wie krisenfest die Versicherer sind und ob sie auch bei Kapitalmarktturbulenzen oder Naturkatastrophen stabil bleiben. Neben der Solvenzquote haben die Experten für ihre Analyse unter anderem auch die Gewinnerwartungen, den Anteil der Staatsanleihen und die Diversifizierung der Kapitalanlagen verglichen.
Zudem haben sie die Transparenz der Berichte bewertet. Hier fällt das Fazit positiv aus: „Die Analyse hat gezeigt, dass die Versicherer die SFCR-Berichte zunehmend ernst nehmen und wichtige Informationen mitteilen“, betont Zielke.
Zu den Gewinnern in Sachen Transparenz zählt er die Alte Leipziger, die DEVK und die Generali-Gruppe. Verlierer ist unter anderem Provinzial Rheinland.
Neben einem qualitativ hochwertigen Produkt beziehungsweise einem passenden Tarif ist für Versicherte vor allem wichtig, wie gut ihr Versicherer wirtschaftet. Die Solvenzquote sei dabei der „Body Mass Index“ der Lebensversicherer, sagt Kleinlein. Sie sollte nicht zu hoch und nicht zu niedrig sein – aber in jedem Fall über 100 Prozent liegen.
Konkret gibt die Quote an, ob der Versicherer genug Eigenmittel hat, um seinen Kunden auch in Extremsituationen noch die Leistung erbringen zu können, die er ihnen zugesagt hat. Solche Extremsituationen können Börsencrashs oder stark steigende Stornoquoten sein.
Verschlechterte Solvenzsituation
„Generell verschlechtert sich die Solvenzsituation der Lebensversicherer. Im Jahr 2019 haben 16 Gesellschaften eine reine Solvenzquote von unter 100 Prozent ausgegeben“, so Zielke. Er prognostiziert, dass es im laufenden Jahr noch mehr werden könnten.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa hingegen, die Solvenzquote sei in der Lebensversicherung weiter auskömmlich. Ende 2019 habe die Quote weit über dem vorgeschriebenen Niveau gelegen.
Der BdV kritisiert zudem, dass die meisten Versicherer in der Kapitalanlagepolitik unbeweglich bleiben. Die Herausforderungen seien aber außergewöhnlich, so Kleinlein: Die Zinsen seien niedrig und die Kapitalmärkte volatil. Hinzu kämen die Folgen der Coronakrise.
Zielke ergänzt: „Wir merken, dass vor allem die Lebensversicherer in die Bredouille geraten sind, die weitgehend auf Staatsanleihen setzen.“ Er fordert daher eine höhere Aktienquote bei der Kapitalanlage.
Viele Versicherer müssten aber auch ihr Eigenkapital stärken. Dabei sollten sie nicht weiter in die Tasche der Versicherten greifen, sondern die Aktionäre zur Kasse bitten, sagt Kleinlein. Es könne nicht sein, dass Aktiengesellschaften hohe Dividenden ausschütten, aber die Versicherungsnehmer nicht angemessen an Überschüssen beteiligt werden.
Insgesamt haben die Experten 82 Unternehmen untersucht, davon 61 Lebensversicherer mit üblichem Geschäft wie Kapitallebens- und Rentenversicherungen, elf sogenannte Run-off-Gesellschaften ohne Neugeschäft sowie zehn Biometrieversicherer, die in erster Linie Risikolebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU) anbieten.
Die Run-off-Gesellschaften weisen dabei die geringste Transparenz auf, verfügen tendenziell eher über schwächere reine Solvenzquoten und überdurchschnittlich hohe Überschussfonds, also akkumulierte Gewinne, die noch nicht zur Ausschüttung an die Versicherten deklariert worden sind. „Ihre Reputation ist den Gesellschaften nicht wichtig. Unseres Erachtens nehmen sie die Kunden nicht ernst“, kritisiert der BdV-Mann.
Biometriespezialisten haben dagegen deutlich höhere Solvenzquoten und zeigen sehr hohe Gewinnerwartungen. „Wer also eine BU oder eine Risikolebensversicherung abschließen will, sollte zu einem dieser Spezialisten gehen“, empfiehlt Kleinlein. Eine Lebensversicherung für die Altersvorsorge oder als Kapitalanlage abzuschließen hält er dagegen für „keine gute Idee“.
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