Versicherungsprämien Diese privaten Krankenversicherungen könnten bald teurer werden
Frankfurt Der Brief beginnt konziliant – doch sein Inhalt ist wenig erfreulich. „Mit Ihrer Versicherung haben Sie Ihre Gesundheit bestmöglich geschützt“, heißt es in dem Anschreiben der Halleschen Krankenversicherung. „Die Beiträge für diesen hochwertigen Versicherungsschutz überprüfen wir jährlich. Bei Bedarf passen wir diese entsprechend an“, formuliert der Versicherer.
Was das konkret bedeutet, stellt der Kunde der privaten Kranken- und Pflegeversicherung (PKV) eine Seite später fest: Sein monatlicher Beitrag steigt im kommenden Jahr von 582,15 Euro auf 642,77 Euro – ein Plus von mehr als zehn Prozent.
Nicht nur Kunden der Halleschen dürften sich in diesen Tagen ärgern. Denn 2020 steigt der Beitrag für viele der Millionen Mitglieder der PKV erneut an. Nach Angaben des PKV-Verbands ist die Hälfte der rund 8,6 Millionen Versicherten von Tarifänderungen betroffen. Die durchschnittlichen Verteuerungen liegen im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
Für die Kunden ist entscheidend: Wie standfest ist ihr Versicherer? Je solider der Anbieter finanziell dasteht, desto eher kann er die Beiträge stabil halten. Das unabhängige Unternehmen Zielke Research Consult hat die Solvenzberichte der PKV-Branche unter die Lupe genommen, in denen die finanzielle Situation dargestellt wird.
Läge eine Firma dauerhaft schlechter als 100 Prozent, würde sie als anfällig gelten; sie wäre ein Fall für die Finanzaufsicht (Bafin). Zielke wertet zusätzlich die Schätzungen zu den Gewinnerwartungen, die Diversifizierung der Geldanlagen und das Marktrisiko aus.
Das Ergebnis des Vergleichs von knapp 40 Anbietern: Bei zwölf Firmen sind in den kommenden drei bis vier Jahren Prämienanpassungen zu erwarten, die über die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen hinausgehen. Bei rund 14 Firmen ist dagegen eine Anpassung unterhalb der Kostensteigerung wahrscheinlich.
„Die Luft wird dünner“
An der Spitze steht bei der Solvenzquote die genossenschaftliche R+V-Krankenversicherung mit 822 Prozent. Der Wert ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. Ebenfalls unter den Top drei sieht der Experte den Münchener Verein und die Alte Oldenburger PKV.
Im Durchschnitt ging die Solvenzquote allerdings um 15 Prozentpunkte auf 498 Prozent zurück. Den stärksten Rückgang verzeichneten die Experten bei der Liga-Krankenversicherung, einem Spezialanbieter für katholische Geistliche. Dort rutschte die Quote von 536 auf 296 Prozent ab. Kein Versicherer lag unter 100 Prozent. Der schwächste Anbieter ist die zum Talanx-Konzern zählende Zusatzversicherung Neue Leben Unfallversicherung, die es nur auf eine Quote von 139 Prozent bringt.
Bei diesem Unternehmen seien auch die Ausgleichsrücklage und der Überschussfonds deutlich zurückgegangen, heißt es in der Studie. Die Ausgleichsrücklage beschreibt den Gesamtüberschuss der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten. Der Überschussfonds beinhaltet die Teile der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen, die den Kunden noch nicht gutgeschrieben wurden.
Außerdem sehen die unabhängigen Experten bei der Krankenversicherung Ergo Direkt sowie der Vigo-Krankenversicherung die Gefahr überdurchschnittlich hoher Beitragssteigerungen. Die detaillierten Einzelergebnisse für die untersuchten privaten Krankenversicherer, inklusive einer Transparenzbenotung, können Verbraucher auf der Website www.check-deine-versicherung.de sehen.
„Die PKV-Anbieter haben einen Vorteil gegenüber den Lebensversicherern, weil sie ihre Preise anheben können“, sagt Unternehmenschef Carsten Zielke. Damit sind sie nicht so stark von den Kapitalerträgen abhängig, die wegen der niedrigen Zinsen unter Druck stehen. „Trotzdem sieht man, dass die Luft auch bei den privaten Krankenversicherern dünner wird“, urteilt der Experte.
Prämienanpassung in großen Schritten
Die PKV steht seit Jahren wegen mitunter deutlicher Prämienerhöhungen in der Kritik. Dass die Beitragssprünge so deutlich ausfallen, ist allerdings auch der Systematik geschuldet, mit der Prämienanpassungen bei den privaten Krankenversicherern erfolgen müssen.
Diese erlaubt der PKV nur nachträglich eine Preisanpassung, wenn der Anstieg der Leistungsausgaben einen bestimmten Schwellenwert übersteigt. Deswegen können die Versicherer nicht sukzessive die Prämien anpassen, sondern nur in größeren Schritten. Die PKV setzt sich seit Jahren für eine Regelung ein, die eine stetigere Beitragsentwicklung brächte.
Laut Branchendienst Map-Report mussten die privaten Anbieter auch 2018 einen weiteren Kundenschwund hinnehmen. Ihren Zenit erreichte die PKV mit 8,9 Millionen Vollversicherten im Jahr 2011. Seitdem kamen den privaten Anbietern jedoch rund 240.000 vollversicherte Kunden abhanden.
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