Dividendensaison Geldregen für Aktionäre

Köln Das Coronavirus schockiert die Finanzmärkte. Ende Februar verzeichnete die US-Börse den stärksten Einbruch der Aktienmärkte in einer Woche seit 1940. Da sind Unternehmen mit einem stabilen Geschäftsmodell und stabilen Erträgen gefragt. Eine gute Wahl können dabei Unternehmen mit hohen Ausschüttungen sein. Denn trotz aller Angst rund um das Coronavirus können sich die gut zehn Millionen Aktionäre und Aktienfondsbesitzer über einen Geldregen freuen.
Im Frühjahr schütten allein europäische Unternehmen vermutlich mehr als 359 Milliarden Euro an ihre Eigentümer aus – ein Geldregen gigantischen Ausmaßes. Die Summe übersteigt das bisherige Rekordjahr 2018 um 3,6 Prozent. Dies geht aus der aktuellen Dividendenstudie der Fondsgesellschaft Allianz Global Investors (AGI) hervor. „Die erwartete Ausschüttung übertrifft den Bundeshaushalt im vergangenen Jahr. Das ist ein starkes Signal für die wirtschaftliche Konstitution in Europa“, sagt Jörg de Vries-Hippen, der für AGI die europäischen Aktieninvestments verantwortet.
Europas Unternehmen sind besonders spendabel. So beträgt ihre Dividendenrendite im Durchschnitt aller im MSCI-Europa-Aktienindex enthaltenen 450 Unternehmen 3,7 Prozent. Zum Vergleich: In den USA liegt die marktweite Aktienverzinsung bei 2,0 Prozent und in Japan bei 2,4 Prozent. Wie verlockend die Renditen sind, zeigt so richtig aber erst der Vergleich mit festverzinslichen Wertpapieren. Zum Beispiel hat eine Bundesanleihe mit zehn Jahren Laufzeit aktuell eine negative Rendite von 0,6 Prozent pro Jahr.
Laut AGI-Studie haben 90 Prozent aller deutschen Staatsanleihen eine negative Nominalrendite. In der Eurozone sind es 60 Prozent. Und weltweit rentieren 25 Prozent der Zinspapiere unter null. Nicht viel besser ist das Bild bei Unternehmensanleihen. Große Emittenten aus der Euro-Zone zahlen aktuell im Schnitt nur rund 0,5 Prozent an ihre Gläubiger. „Selten“, schreiben die Autoren der Studie, „ist die Diskrepanz zwischen Dividendenrenditen und den Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen im historischen Vergleich so groß gewesen.“
Einzeltitel mit hohen Risiken
Also rein in Dividendentitel? Schließlich bieten sie nicht nur regelmäßige Erträge, sondern zusätzlich die Chance auf Kursgewinne. Die Antwort: Ja, aber erst nach einer ganzheitlichen Finanzplanung, bei der Anleger und Berater gemeinsam ermitteln, wie viel Geld dafür überhaupt zur Verfügung steht, sowie unter Berücksichtigung aller Risiken.
In der Regel ist hier die Unterstützung durch einen Finanzberater gefragt. Denn für die meisten Privatanleger kommen Direktinvestments in einzelne Aktien nicht infrage. Zwar finden Interessierte im Internet auf Seiten wie mydividends.de oder dividendenchecker.de schnell die „Dividendenkönige“. Im Dax zum Beispiel haben Allianz, BASF, BMW, Covestro und Munich Re eine Dividendenrendite zwischen vier und sechs Prozent. Aber: Eine hohe Dividendenrendite ist nur ein Auswahlkriterium.
Grundlegende Faktoren wie etwa die Wettbewerbsposition des Unternehmens, das Kurs-Gewinn-Verhältnis, die finanzielle Stärke und die Dynamik der Gewinne kommen hinzu. Wenn sich Anleger nur an Hitlisten orientieren, verdrängen sie leicht, dass die Dividendenrendite auch steigt, wenn der Kurs der Aktie fällt. Ein sinkender Börsenpreis hat in der Regel fundamentale Gründe. Ein Beispiel ist aktuell Daimler. Der Dieselskandal hat auch die Aktien der Stuttgarter Autobauer in den Keller geschickt.

Ein anderer Beleg ist RWE. Jahrzehntelang galt die Aktie als „Witwen-und-Waisen-Papier“, also als sicherer und regelmäßiger Dividendenzahler. Doch dann kam die Energiewende und der Rückzug von Investoren aus Kohleunternehmen. RWE musste sich radikal verändern. In der Folge bekamen die Aktionäre mehrere Jahre lang wenig bis nichts. Erst für 2017 machten die Essener regulär wieder 0,50 Euro je Aktie für ihre Anleger locker; für 2018 dann 0,70 Euro, und für 2019 werden 0,80 Euro erwartet. Die Ausschüttung erfolgt – wie bei allen Aktiengesellschaften – am Tag nach der Hauptversammlung, da diese dem Dividendenvorschlag der Verwaltung zustimmen muss. Im Fall von RWE wäre dies ursprünglich der 28. April gewesen, aufgrund der Corona-Krise verschiebt sich der Termin jedoch auf einen Termin später im Jahr. Die Termine weiterer Aktionärstreffen erfahren Interessierte auf den Seiten der genannten Onlineportale.
Die Beispiele bekannter deutscher Konzerne zeigen, dass Dividenden stark schwanken und auch ganz ausfallen können. Dennoch können sie die Performance eines Depots stabilisieren, meinen die Autoren der AGI-Studie. Sie haben das zumindest für den sehr breiten MSCI Europa festgestellt. Demnach sind die Dividenden der im Index enthaltenen Unternehmen für 38 Prozent der jährlichen Gesamtrendite verantwortlich. Dieser Effekt spricht für eine Fondsanlage. Ohnehin kommt für die meisten Anleger die Auswahl einzelner Aktien auf eigene Faust nicht infrage. Die Gefahr eines Fehlgriffs ist groß. Um das Anlagerisiko über Unternehmen aus der ganzen Welt oder aus Europa zu streuen, kommen zum Beispiel Dividendenfonds infrage (siehe „Ausgesuchte Dividendenfonds“).
Auf das Risiko von Einzelinvestments hinzuweisen, ist die Aufgabe von Finanzanlagenvermittlern. Ebenso die anschließende Beratung hinsichtlich einer Fondsanlage zur Vermeidung ebendieses Risikos. Ein enorm großer Dividendenfonds ist zum Beispiel der „DWS Top Dividende“. Der Flaggschifffonds aus dem Deutsche-Bank-Konzern bringt fast 21 Milliarden Euro Volumen auf die Waage. Fondsmanager Thomas Schüßler preist das Produkt als „eine absolute Basisanlage im Aktienbereich“ an. Die Dividendenstrategie eigne sich „hervorragend für den Vermögensaufbau“. Er verfolge mit seinem Anlageteam eine Strategie der ruhigen Hand. „Hektisches Kaufen und Verkaufen passt nicht zu unserem langfristig ausgerichteten Investmentansatz“, so Schüßler.
Solche aktiv verwalten Fonds sind allerdings relativ teuer. Die Gesamtkostenquote liegt oft zwischen 1,4 und 2,0 Prozent. Im Gegenzug vertrauen Anleger darauf, dass das Fondsmanagement stets die aussichtsreichsten Aktien im Portfolio hat und bei Bedarf die Favoriten wechselt. Diese Flexibilität haben passive Fonds nicht. Diese Exchange Traded Funds (ETFs) bilden starr einen Index ab. Der von der Deutschen Börse aufgelegte Dividendenindex (DivDax) etwa enthält die 15 Unternehmen des Dax mit den höchsten Dividendenrenditen. Der Index wird jährlich im September angepasst. Fondsexperte Ali Masarwah von Morningstar hält ein Dividendenprodukt mit nur 15 Bestandteilen allerdings „als havariegefährdet“. Schon wenige Index-Unternehmen könnten die Wertentwicklung des ETFs stark beeinflussen.
ETFs gezielt auswählen
Auch Adrian Roestel, Leiter Portfoliomanagement des Vermögensverwalters Huber, Reuss & Kollegen, betont: „Blind zugreifen sollten Anleger bei Dividenden-ETFs nicht.“ Er erklärt: „Sinn macht nur ein ETF auf den DivDax-Performanceindex, der die Dividenden einrechnet.“ Bei einem Kursindex würden die Zahlungen an die Aktionäre nicht berücksichtigt, weshalb sie unattraktiver seien als Performanceindizes.
Weil Dividenden in ihrer Höhe schwanken, können sie feste Zinseinnahmen von Anleihen zwar nicht eins zu eins ersetzen. Das wird gerade im Zuge des Coronavirus deutlich. Auch Qualitätsaktien werden an den Börsen abgestraft, weil Anleger in Panik Wertpapiere verkaufen. Das bietet aber langfristig orientierten Anlegern sehr gute Einstiegschancen. Am einfachsten über Fonds.
Die Gesamtausgabe der Handelsblatt Finanzberater Edition finden Sie hier.
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Liebe Redaktion,
gerne würde ich für einzelne interessante Redaktionsbeiträge auch bezahlen.
Leider geht das nicht, sondern ich müsste ein ABO-buchen um diesen oder jenen Artikel zu lesen.
Ich bin 83 Jahre und schliesse keine ABOs mehr ab.
Bitte diskutieren Sie doch einmal darüber.
Bitte entscheiden Sie kundenfreundlich und geben Sie Ihren Lesern die Chance selektiv einzelne Artikel zu kaufen OHNE ABO.
danke
Mit freundlichen Grüßen
Walter Dietrich