+++ EZB-Newsblog +++ Lagarde will „moderates Überschießen“ des Inflationsziel akzeptieren – So erklärt die Präsidentin die EZB-Beschlüsse
Die EZB hat ihren geldpolitischen Ausblick an ihre neue Strategie angepasst: Ihr ultralockerer Kurs wird damit gefestigt. Die Pressekonferenz zum Nachlesen.
Damit beendet Lagarde die Pressekonferenz. Die nächste EZB-Ratssitzung ist am 9. September.
In der Zwischenzeit hat die EZB auch das Eingangsstatement von Lagarde veröffentlicht. Hier können Sie den Wortlaut noch einmal nachlesen.
Am Aktienmarkt hat die geldpolitische Ausrichtung keine Auswirkungen. Der deutsche Leitindex Dax bleibt auf Erholungskurs. Der Euro drehte aus der Verlust- in die Gewinnzone.
Lagarde scherzt in dem Zusammenhang, dass in dem EZB-Rat keine Ärzte säßen, sondern Ökonomen. Manche seien noch nicht einmal das, sondern Juristen.
Lagarde wird nun gefragt, wann sie denn erkennen wolle, wann das Ende der Corona-Pandemie erreicht sei. Schließlich fehlen dafür historische Vergleiche.
Der Bankenverband BdB warnt vor den Konsequenzen des veränderten geldpolitischen Ausblicks: Wirtschaft und Sparer würden „leider noch lange Zeit mit Negativzinsen leben müssen. Und dies trotz deutlich steigender Preise“, sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Christian Ossig.
Elmar Völker von der LBBW meint vor dem Hintergrund des neuen geldpolitischen Ausblicks sogar, „die Erwartung einer Leitzinswende innerhalb der kommenden drei Jahre erscheint vor diesem Hintergrund aus heutiger Sicht geradezu verwegen“.
Mittlerweile sind auch die ersten Reaktionen von Ökonomen zum neuen geldpolitischen Ausblick eingegangen. Friedrich Heinemann vom ZEW sagt: „Mit dem überarbeiteten zinspolitischen Ausblick immunisiert die EZB ihre Negativzinsen und die Anleihekäufe auf lange Zeit gegen einen überraschend starken Inflationsanstieg.“
Hier sehen Sie die Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde noch einmal in voller Länge:
- Die EZB hat ihren geldpolitischen Ausblick an ihre neue Strategie und das neue Inflationsziel von zwei Prozent angepasst.
- Die Notenbanker räumten sich mehr Spielraum für das Erreichen dieses Inflationsziel ein und zementierten damit ihre Politik des billigen Geldes.
- Das Anleihekaufprogramm PEPP führt die EZB bis mindestens Ende März 2022 fort.
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Das Fazit zur heutigen Pressekonferenz: Insgesamt bedeuten die Änderungen in der Kommunikation, die die EZB heute gemacht hat, dass die Geldpolitik länger sehr locker bleibt. Die Entscheidung über den angepassten Ausblick fiel nicht einstimmig. Dies könnte ein Vorgeschmack sein, dass es bei den Debatten über die Zukunft der Anleihekäufe kontroverser zugehen wird. Hierzu wird es frühestens im September Entscheidungen geben.
Nochmal zur Diskussion innerhalb des EZB-Rats: Lagarde will nicht die Argumente der Kritiker nennen, die gegen die Anpassung des Ausblicks waren. „Sie müssen sie selbst fragen. Es war eine sehr kleine Zahl von Ratsmitgliedern“, sagt sie.
Dass es unterschiedliche Meinungen gebe, sei aber völlig normal.
Jetzt äußert sich Lagarde auf Nachfrage noch einmal zum Inflationsziel. Hintergrund ist, dass die EZB künftig ein „moderates Überschießen“ des Inflationsziel akzeptieren will.
Wann eine höhere Inflation „moderat“ und ab wann „exzessiv“ ist, will Lagarde nicht definieren. Wichtig sei festzuhalten, dass die EZB eine höhere Inflation temporär akzeptiere. Ihr sei auch bewusst, dass sie mit ihrer Geldpolitik zu einer zwischenzeitig höheren Inflation beitragen könne.
Und die Verteidigung der EZB-Politik geht weiter. „Wir mussten machen, was wir gemacht haben“, sagt Lagarde.
Sie fragt rhetorisch, was passiert wäre, wenn die Notenbanken und Regierungen in der Corona-Pandemie nicht ihre Hilfsprogramme gestartet hätte. Wie viel mehr Arbeitslose hätte es gegeben, und wie wäre dann die wirtschaftliche Situation?
Lagarde stellt bei der nächste Frage noch einmal klar, dass das Ziel der neuen EZB-Strategie nicht sei, die Zinsen niedrig zu halten. Vielmehr habe die Notenbank ihre Ziele angepasst, um ihre Ziele zu erreichen.
Damit spielt Lagarde darauf an, dass ihre Eignung zur EZB-Präsidentin von manchen in Frage gestellt wurde, weil sie keine geldpolitische Expertin sondern Juristin sei.
Lagarde weist darauf hin, dass man sich auf Experteneinschätzungen stütze und sich auf Fakten konzentriere: Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, den Zustand der Industrie, des Dienstleistungssektors und des Welthandels.
Damit die Zinsen erhöht werden können, müsse die Inflation weit vor dem Ende des EZB-Projektionszeitraums die Marke von zwei Prozent erreichen. Der Projektionszeitraum der EZB erstreckt sich über drei Jahre. Aktuell von 2021 bis 2023. „Weit vor dem Ende“ bedeutet laut Lagarde im zweiten Jahr der Projektion.
Lagarde wird nun gefragt, wie genau denn in der neuen Formulierung des Ausblicks „projection horizon“ zu verstehen sei. Schließlich sollen die Zinsen erst sinken, wenn die Inflation innerhalb dieses Zeitraums dauerhaft das Ziel von zwei Prozent erreiche.
Lagarde erklärt, dass die EZB immer einen Ausblick über ihre Inflationserwartungen für das aktuelle und die beiden folgenden Jahre gibt. Aktuell also für 2021, 2022 und 2023. Sobald das laufende Jahr abgeschlossen ist, wird dann das nächste Jahr mit einbezogen.
Kleiner Versprecher von Lagarde. Sie sagt: „Wir wollen drei Prozent Inflation deutlich vor Ende des Prognosehorizonts erreichen.“ Gemeint sind zwei Prozent.
Offenbar waren die Änderungen des geldpolitischen Ausblicks umstritten. Anders als bei der Strategieanpassung fielen die Entscheidungen laut Lagarde nicht einstimmig. Es habe aber eine „überwältigende Mehrheit“ dafür gegeben.
Die EZB hält trotz der Zunahme der Corona-Fälle an ihrer Einschätzung fest, dass die Chancen und Risiken für das Wachstum im Euroraum ausgeglichen sind.
Bei der Inflation erwartet die EZB, dass der gegenwärtige Anstieg bei den Verbraucherpreisen nur temporär ist und im kommenden Jahr wieder abschwächen wird.
Getrieben seien die hohe Inflation durch die hohen Energiepreise, den niedrigen Vergleichswert beim Öl aus dem Vorjahr und die zwischenzeitliche Mehrwertsteuersenkung in Deutschland.
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