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Anleihekäufe Ein Staubsauger namens EZB

Die Europäische Zentralbank macht Tempo bei den Käufen von Unternehmensanleihen. Die Folge: Die Renditen sinken deutlich. Für Investoren auf der Suche nach neuen Bonds ist das verheerend.
18.07.2016 - 17:23 Uhr Kommentieren
Viele Firmenanleihen fallen in das Beuteschema der europäischen Notenbank. Quelle: dpa
Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt

Viele Firmenanleihen fallen in das Beuteschema der europäischen Notenbank.

(Foto: dpa)

Frankfurt Preisfrage: Was haben Unternehmen wie Robert Bosch, RWE, Metro oder Siemens aus Deutschland, Air Liquide und Danone aus Frankreich, Anheuser Busch Inbev aus Belgien, Telefónica aus Spanien, der Versorger Eni aus Italien und der Versicherer Aegeon aus den Niederlanden gemeinsam? Antwort: Sie gehören zu den Unternehmen, von denen die Europäische Zentralbank (EZB) seit dem 8. Juni Anleihen gekauft hat. Am Montag um punkt 15.45 Uhr lüftete die Notenbank das Geheimnis um die Namen der Unternehmen, von denen sie insgesamt rund 450 Anleihen erworben hat. Dabei haben die Notenbanker um EZB-Chef Mario Draghi 10,43 Milliarden Euro investiert. „Die EZB legt Tempo vor und hat deutlich mehr Anleihen gekauft als viele Investoren zunächst erwartet hatten“, meint Garland Hansmann, Fondsmanager bei Investec Asset Management. Eine Wirkung „wie ein Staubsauger“ hat die Notenbank nach Ansicht von Suki Mann, Kreditstratege bei Credit Market Daily.

Für den Markt hat das gravierende Folgen: Die große Nachfrage der EZB hat dazu beigetragen, dass die Renditen für auf Euro lautende Unternehmensanleihen im Schnitt auf unter 0,6 Prozent gefallen sind. Die Renditen ergeben sich aus den Zinskupons und den Kursgewinnen. Investoren, die die Papiere jetzt noch kaufen wollen, bekommen also nicht mehr viel für ihr Geld. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis auch die ersten Anleihen von Unternehmen mit Minus-Renditen platziert werden“, ist Mann überzeugt.

Die absurde Welt der Minuszinsen, sie erreicht dank der EZB-Geldflut auch die Unternehmen. Einen Präzedenzfall gibt es bereits: Die Deutsche Bahn hat vor gut einer Woche eine Anleihe mit minus 0,006 Prozent platziert. Dabei griff die EZB nicht zu, kaufte aber ältere Bonds des Staatskonzerns. Im Handel rentieren zudem fünfjährige Bonds von zum Beispiel Deutscher Telekom oder RWE leicht negativ. Auch hier griff die EZB beziehungsweise die Deutsche Bundesbank zu.

Staatsanleihen sind schon länger und tiefer im Sog der Minuszinsen, denn hier kauft die EZB seit März 2015. Bei Bundesanleihen liegen die Renditen bis zu 0,65 Prozent im Minus. Für die EZB werden damit die kaufbaren Bonds langsam knapp (siehe Bericht rechts). Minus-Renditen bedeuten, dass Investoren, die die Papiere jetzt kaufen und bis zur Fälligkeit halten, einen Verlust machen. Sie bekommen weniger Geld zurück als sie angelegt haben.

Mit den Käufen wollen die Notenbanker die Kreditvergabe und so Wachstum und Inflation im Euro-Raum ankurbeln. Insgesamt kauft die EZB inzwischen pro Monat für 80 Milliarden Euro Anleihen – vor allem Staatspapiere. Mit der Ausweitung auf Unternehmensanleihen will sie die Renditen noch weiter drücken. Investoren sollen so dazu gebracht werden, in höher rentierende Anlagen zu investieren. Und Banken sollen auf der Suche nach Rendite mehr Kredite an kleine und mittelständische Unternehmen vergeben, die sich nicht über Anleihen refinanzieren. Immerhin ist dabei die Kreditvergabe im Euro-Raum im Mai – neuere Daten gibt es noch nicht – gegenüber dem Vorjahr um 1,4 Prozent gestiegen.

Doch das besänftigt die Kritiker des EZB-Kaufprogramms nicht. Die Notenbank begünstige große Unternehmen mit direktem Kapitalmarktzugang, die sich ohnehin schon günstig refinanzieren könnten, betont Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands in Berlin. Er fürchtet, dass die Politik der EZB „unmittelbar zu neuen Übertreibungen an den Finanzmärkten führt, etwa wenn die extrem günstigen Kreditkosten in überhöhten Preisen bei Unternehmenskäufen münden“.

Zumindest kurzfristig könnten dabei die Kurse für Unternehmensanleihen weiter steigen und die Renditen im Gegenzug absacken. „Angesichts der Minus-Renditen bei vielen Staatsanleihen werden Investoren weiter in Unternehmensanleihen getrieben“, meint Marco Stöckle, Leiter des Researchs für Unternehmensanleihen bei der Commerzbank. Für gesund hält er dies nicht: „Das wirtschaftliche Bild hat sich kaum verbessert. Das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone ist anämisch, und die Finanzkennzahlen der Unternehmen werden langsam wieder schwächer.“

Doch das hält die EZB nicht davon ab, bei Firmenbonds zuzugreifen. Dabei fallen viele Papiere unter ihr Beuteschema. Infrage kommen alle auf Euro lautenden Zinspapiere von Unternehmen, denen mindestens eine der großen Ratingagenturen Standard & Poor‘s, Moody‘s oder die kleine kandadische DBRS das Gütesiegel „Investment Grade“ für ordentliche Kreditqualität gibt. Gekauft werden können alle Anleihen von Unternehmen, die zumindest eine Tochtergesellschaft in der Euro-Zone haben. Hier schlug die belgische Zentralbank im Auftrag der EZB bei Unternehmen wie Coca Cola, Shell oder Unilever zu. Ausgeschlossen sind dagegen Bankanleihen.

Auffällig ist für Hansmann von Investec Asset Management, dass die EZB mit ihren Käufen sofort in die Vollen gegangen ist. „Sie hat schnell auch bei langlaufenden Anleihen von Unternehmen mit schwächerer Bonität zugegriffen und durch dieses aggressive Handeln die Renditen am breiten Markt so deutlich fallen lassen.“ So finden sich zum Beispiel zehnjährige Anleihen von Telecom Italia auf der Ankaufliste. Sie wird von Fitch Ratings gerade noch als „Investment-Grade“ eingestuft, andere Bonitätsprüfer sehen die Anleihen im Junk-Bereich für schwächere Schuldner.

Konkret gekauft werden die Unternehmensanleihen von den Notenbanken aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Finnland, Italien und Spanien. Bislang hatte die EZB den Beteiligten einen Maulkorb verordnet, es sickerten nur hier und da einzelne Angaben durch. Die nationalen Notenbanken veröffentlichten jetzt die teils nur aus den ISIN-Identifikationsnummern bestehenden Listen. Der Grund: Die jeweiligen Zentralbanken rücken die Anleihen ab sofort zur sogenannten Wertpapierleihe heraus. Das heißt: „Wenn Investoren bei einem Bankenhändler eine bestimmte Unternehmensanleihe kaufen wollen, die Bank das Papier aber nicht vorrätig hat, kann der Händler sie sich bei der EZB gegen Hinterlegung einer Sicherheit ausleihen“, erklärt Analyst Stöckle. Der Händler habe damit Zeit gewonnen, sich den Bond später bei einer anderen Bank oder einem Investor zu besorgen.

Mit diesen Leihgeschäften will die EZB verhindern, dass der Markt austrocknet. Leihen können sich Händler auch Anleihen von Staaten, staatsnahen Institutionen und Pfandbriefe. „Gerade bei Unternehmensanleihen ist der Markt noch illiquider geworden, gerade Bonds mit einem Volumen von weniger als einer Milliarde Euro lassen sich also schwer handeln“, meint Hansmann. Der Grund: „Die meisten Investoren wollen nur kaufen, von daher ist es schwer überhaupt einen Verkäufer zu finden.“ Er glaubt nicht, dass die Leihegeschäfte viel bringen werden; Händler dürften sich auch künftig zurückhalten.

Künftig wird die EZB ihre Einkaufsliste jede Woche veröffentlichen, jedoch ohne Volumina. „Gewisse Rückschlüsse sollten dennoch möglich sein, zum Beispiel ob die EZB mit ihren Käufen breit den Markt abbildet oder bestimmte Segmente, Namen und Länder bevorzugt – und ob es Unterschiede zwischen den sechs durchführenden nationalen Zentralbanken gibt“, sagt Stöckle.
Montag, 15.45 Uhr - das ist ab sofort ein Fixpunkt in jedem Investorenkalender.

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