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Bank of England hebt Leitzins an Das Ende des billigen Geldes

Die Bank of England erhöht zum ersten Mal seit der Finanzkrise den Leitzins. Doch Entwarnung geben die Notenbanker noch nicht, die Brexit-Risiken sind zu groß. Die Anleger bezweifeln, dass die Zinswende nachhaltig ist.
02.11.2017 - 17:57 Uhr Kommentieren
Die Geldpolitik Großbritanniens unterscheidet sich zunehmend von der der Europäischen Zentralbank. Quelle: The Image Bank/Getty Images
Britische Pfundmünzen

Die Geldpolitik Großbritanniens unterscheidet sich zunehmend von der der Europäischen Zentralbank.

(Foto: The Image Bank/Getty Images)

London/New York/Frankfurt Lange hat Mark Carney diesen Schritt gescheut. Mehrfach hatte der britische Notenbankchef seit seinem Amtsantritt 2013 eine Zinserhöhung signalisiert, nur um dann wieder zurückzuzucken. In Bankerkreisen wurde er schon als der „unzuverlässige Freund“ verspottet. Nun hat Carney sich getraut und die Zinsen das erste Mal seit 3773 Tagen angehoben – und prompt einen Proteststurm ausgelöst.

Die von Carney geleitete Bank of England verdoppelte am Donnerstag den Leitzins von 0,25 Prozent auf 0,5 Prozent. Es ist die erste Zinserhöhung seit der Finanzkrise 2007. Die Entscheidung im geldpolitischen Ausschuss fiel mit sieben zu zwei Stimmen.

Die Bank nehme den Fuß etwas vom Gas, erklärte Notenbankchef Carney. Und der Kanadier legte gleich noch nach: Für die kommenden drei Jahre stellte er zwei weitere Zinsschritte von je 0,25 Prozent in Aussicht. Damit soll die Inflation, die im Oktober auf 3,2 Prozent gestiegen ist, zurück auf den Zielwert von zwei Prozent gedrückt werden.

Es ist das Ende des billigen Geldes in der westlichen Welt: Mit ihrer Zinserhöhung folgt die Bank of England ihrem US-Pendant Federal Reserve. Die Amerikaner haben bereits 2015 den Schalter umgelegt, der US-Leitzins liegt inzwischen bei einer Spanne von 1 bis 1,25 Prozent. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat kürzlich eine Kehrtwende vollzogen: Sie hat zwar nicht die Zinsen erhöht, aber ihre Anleihenkäufe zurückgefahren.

Die globale Wirtschaft feuere auf elf von zwölf Zylindern, sagte Carney. Da sei es nicht überraschend, dass die Geldpolitik in verschiedenen Ländern ähnlich reagiere. Zugleich räumte er ein, dass Großbritannien wegen des geplanten Ausstiegs aus der Europäischen Union weniger von diesem Aufschwung profitiere.

Die Notenbank revidierte ihre Wachstumsprognose für Großbritannien leicht nach unten, von 1,8 auf 1,7 Prozent im kommenden Jahr. Die Währungshüter betonen, dass aufgrund der Brexit-Verhandlungen in Brüssel große Unsicherheiten bleiben und sie bereit stehen zu reagieren. Das heißt: Notfalls können sie den Zins auch wieder senken, wenn sich ein harter Brexit abzeichnet.

Das Pfund fällt

Die gemischte Botschaft führte dazu, dass das Pfund gegenüber dem Dollar und dem Euro nachgab. Auch die Renditen auf britische Staatsanleihen fielen. Die Anleger bezweifeln, dass die Zinswende nachhaltig ist. „Der heutige Schritt bedeutet nicht den Beginn eines klassischen Zinsanhebungszyklus“, sagt Martin Lück, Kapitalmarktstratege bei Blackrock. Die Notenbank werde bis auf weiteres auf Sicht fahren.

Eine solche Zinserhöhung bei schwachem Wachstum komme zustande, wenn eine Notenbank international verwundbar sei, sagt Adam Posen, ehemaliges Mitglied im geldpolitischen Ausschuss der Bank of England. „Der Brexit führt die Geldpolitik zurück zu den schlechten Entscheidungen der 1970er Jahre.“ Damals hatte es im Zuge der Ölkrise die Phase der so genannten „Stagflation“ gegeben, also der Kombination aus hoher Inflation und wirtschaftlicher Stagnation. Der äußere Schock extrem gestiegener Ölpreise hatte für einen hohen Anstieg der Löhne und Preise gesorgt, obwohl die Wirtschaft schwach war. Eine ähnliche Konstellation fürchtet nun der Chef des ifo-Instituts, Clemens Fuest. Steigende Inflation gehe mit schwachen Wachstumsaussichten einher, sagt er. „Diese Mischung ist schwierig für die Geldpolitik. Die Inflation verlangt steigende, das schwache Wachstum sinkende Zinsen“.

Anna Stupnytska, Volkswirtin bei Fidelity International, sprach von einer „merkwürdigen Entscheidung“. Die Bank of England habe sich selbst in eine Sackgasse manövriert. „Es dürfte noch eine lange Zeit dauern, bis die Bank of England die Zinsen noch einmal erhöht.“

In der Begründung des Zinsentscheids führt die Bank of England an, dass die niedrige Arbeitslosigkeit von 4,3 Prozent den Inflationsdruck erhöhe. Bislang sind die Löhne jedoch nicht gestiegen. Die Inflation ist vor allem der Abwertung des Pfunds nach dem Brexit-Votum im vergangenen Jahr geschuldet. Nach Einschätzung der Notenbank wird sich dieser externe Effekt in den kommenden Monaten von selbst abschwächen.

So konnte Carney keinen zwingenden Grund für die Zinserhöhung zum jetzigen Zeitpunkt nennen. Er zog sich darauf zurück, dass es der Auftrag der Notenbank sei, die Inflation zurück auf den Zielwert zu bringen. Vor dem Brexit wolle man den Märkten signalisieren, dass sie sich um die Teuerung nicht zu sorgen brauchten.

Mit ihrem Schritt gehört die Bank von England zu den Vorreitern unter den westlichen Notenbanken. Am Donnerstag hob auch die tschechische Notenbank zum zweiten Mal dieses Jahr den Zins an - von 0,25 auf 0,5 Prozent.

„Die jüngste Phase der zunehmend expansiven Geldpolitik ist eindeutig zu Ende“, sagt Fuest. „Aber es ist unklar, ob der längerfristige Trend zu sinkenden Zinsen und expansiver Geldpolitik, der seit 20 Jahren anhält, vorbei ist. Man kann nicht ausschließen, dass die wirtschaftliche Erholung bald endet und die Notenbanken den Rückwärtsgang einlegen.“

Bei der Straffung gehen die Notenbanken in sehr unterschiedlichem Tempo vor. Marc Chandler, Währungsstratege der US-Bank BBH glaubt, dass sich die Differenzen zunächst sogar weiter vergrößern werden. „Der Höhepunkt der währungspolitischen Divergenz liegt noch vor uns“, sagt er. Besonders fortgeschritten im wirtschaftlichen Zyklus sind die USA. Dort hat die Notenbank Fed bereits ihre Netto-Wertpapierkäufe beendet und die Zinsen in vier Schritten auf das aktuelle Niveau von 1,00 bis 1,25 Prozent erhöht. Seit Oktober hat die US-Notenbank außerdem damit begonnen, ihre Bilanz zu schrumpfen, indem sie einen Teil ihrer auslaufenden Anleihen nicht durch Neuankäufe ersetzt. Chandler glaubt, dass die Fed 2018 noch dreimal die Zinsen erhöht.

„Es gibt in den entwickelten Volkswirtschaften einen unterschiedlich stark ausgeprägten Aufschwung, der dazu führt, dass die Notenbanken einen weniger expansiven Kurs fahren“, sagt der frühere Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard. Mit der Zeit würden die meisten Notenbanken die Zinsen erhöhen und ihre Bilanz reduzieren.

Europa hinkt hinterher

Weiter zurück hängt dagegen die Europäische Zentralbank. Auch sie hat aber am vergangenen Donnerstag entschieden, ihre umstrittenen Anleihekäufe ab 2018 auf monatlich 30 Milliarden Euro zu halbieren. Viele Ökonomen werten das ebenfalls als ersten Schritt hin zu einer Normalisierung der Geldpolitik. Doch bis dahin ist es noch lang. So verzichtete die EZB auf ein festes Enddatum für ihre Käufe und hält sich die Option offen, diese im Notfall wieder auszuweiten. Außerdem bekräftigte sie ihre Absicht, die Zinsen auch weit über das Ende ihrer Anleihekäufe hinaus auf dem bisherigen Niveau zu belassen. Momentan liegt der Leitzins im Euroraum bei null Prozent. Banken, die über Nacht Geld bei der Notenbank parken wollen, müssen dafür sogar einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen.

In den USA wartete die Fed nach dem Ende ihrer Anleihekäufe 15 Monate, bis sie im Dezember 2015 erstmals die Zinsen erhöhte. Die Zinsen im Euroraum würden noch lange bei Null bleiben, lautet das Fazit von Chandler.

Damit ist die EZB aber immerhin noch etwas weiter als die japanische Notenbank. Diese kauft weiterhin in großem Stil vor allem Staatsanleihen. Die Bank of Japan habe „nicht einmal einen Hinweis gegeben, wie sie aussteigen möchte“, so Chandler.

Auch die Bank of England kauft trotz der Zinserhöhung weiterhin vor allem Staatsanleihen. Und selbst die Bedeutung der Zinserhöhung spielte Carney herunter: Es handele sich um einen kleinen Schritt. Die Geldpolitik im Königreich solle auch in Zukunft ein Treiber für die Konjunktur sein.

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