Bargeldloses Bezahlen EU-Kommission will Gegengewicht zu Mastercard und Visa schaffen

Die EU-Kommission lotet aus, ob neue Regeln erforderlich sind, um die Markteinführung zu beschleunigen.
Frankfurt Die EU-Kommission will einem neuen europäischen System im Zahlungsverkehr zum Durchbruch verhelfen. Mit dem „TIPS“ genannten System für blitzschnelle Zahlungen will Europa sich unabhängiger von den US-Zahlungsanbietern wie Mastercard und Visa machen. Man überlege, ob weitere neue Regeln nötig seien, um den Prozess hin zu mehr Echtzeitzahlungen zu beschleunigen, sagte EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis am Dienstag. Das könne im Zuge der Überprüfung einer Richtlinie zum Zahlungsverkehr passieren.
Dank TIPS gebe es die Chance, dass der darauf basierende Instant Payment genannte Service weite Verbreitung finde. TIPS („Instant Payment Settlement“) ist ein Angebot der Europäischen Zentralbank, mit dem sie vergangenen November gestartet ist. Instant Payment bedeutet, dass der Betrag binnen zehn Sekunden auf dem Konto des Empfängers gutgeschrieben wird.
Echtzeitzahlungen sind in der EU schon seit Ende 2017 möglich. Die meisten europäischen Geldhäuser, die ihren Kunden blitzschnelle Überweisungen anbieten, haben sich allerdings nicht TIPS, sondern dem Abwickler EBA Clearing oder nationalen Abwicklungssystemen angeschlossen.
Die deutschen Kreditinstitute – Deutsche Bank, DZ Bank, Hypo-Vereinsbank, Landesbank Hessen-Thüringen und Landesbank Baden-Württemberg – wickeln Instant Payment über EBA Clearing ab. Neuerdings zählt auch die Commerzbank dazu.
Insgesamt sind rund 40 Geldhäuser direkt beim Instant-Payment-Service von EBA Clearing angeschlossen und mehr als 2000 indirekt erreichbar. Die deutschen Sparkassen und Volksbanken etwa wickeln die Sofortüberweisungen über ihre Spitzeninstitute, Landesbanken sowie die DZ Bank ab.
EBA Clearing rechnet damit, dass die Zahl der angeschlossenen Banken europaweit deutlich steigt, wie Geschäftsführer Hays Littlejohn dem Handelsblatt sagte. 90 Prozent der Banken, die das EZB-Zahlungssystem Sepa nutzen, könnten dann angeschlossen sein. Bisher wird das EBA-System vor allem in Deutschland und Italien genutzt.
EZB verteidigt ihr System
Sollte sich dieser Trend so fortsetzen, wäre das ein herber Rückschlag für die EZB mit TIPS. Zumal es voraussichtlich noch dauern wird, bis Echtzeitzahlungen zum Standard werden. Erst wenn große Händler Instant Payment für sich entdecken und Zahlungen von Kunden so standardmäßig abwickeln, dürfte es einen echten Schub geben. Zudem müssen Banken ihre Zahlungsinfrastruktur wie etwa die Betrugsprävention auf Sofortzahlungen und somit auf zehn Sekunden ausrichten.
Doch die EZB hat noch lange nicht aufgegeben: „TIPS ist früh genug gestartet, denn Instant Payments sind bisher noch nicht verbreitet“, sagt Mehdi Manaa, stellvertretender Generaldirektor für Marktinfrastruktur und Zahlungsverkehr der EZB. Er traut dem europaweit einheitlichen System viel zu: „Europa hat durch TIPS das Potenzial, einen Standard zu setzen und Weltmarktführer bei Instant Payment zu werden“, sagte er dem Handelsblatt.
Dieselbe Sichtweise vertritt auch Dombrovskis: „Wir stehen möglicherweise am Anfang eines europaweiten, schnellen Bank-zu-Bank-Zahlungssystems.“ Als Hintergrund nannte er die Diskussion darüber, wie Europa im internationalen technologischen Wettbewerb bestehen könne. Der Zahlungsverkehr gehöre zu jenen strategisch wichtigen Bereichen, bei denen es erstklassige Innovationen brauche, um die Souveränität Europas zu wahren.
Heute laufen viele nationale Zahlungssysteme in Europa mithilfe der Technik der US-Kreditkartenfirmen Mastercard und Visa. Ihre Systeme sorgen auch dafür, dass die jeweiligen nationalen Bankkarten – in Deutschland die Girocard, die früher EC-Karte hieß – miteinander korrespondieren können. Wichtig für grenzüberschreitende Zahlungen ist beispielsweise Maestro, ein Debitkartendienst von Mastercard.
EU-Kommission und EZB setzen nun offenbar darauf, dass Europa mit TIPS ein unabhängiges Gegengewicht schaffen und zumindest bei Blitzzahlungen einen weltweiten Standard setzen kann. Tatsächlich hat TIPS auch große Vorteile für Banken: Sie können so grenzüberschreitende Sofortüberweisungen besser abwickeln, und sie können ihre Liquidität über die EZB besser managen. Deutsche Geldhäuser sind dem Vernehmen nach dennoch skeptisch und wünschen sich, dass sich EBA Clearing mit TIPS direkt austauschen kann.
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