Differenzen zwischen Weidmann und Schäuble Unheimlich einig

Wolfgang Schäuble (l) und Jens Weidmann zeigen überraschende Einigkeit.
Washington Wolfgang Schäuble (CDU) fühlte sich offenbar unter Rechtfertigungszwang. Er wolle auch noch etwas zur der Europäischen Zentralbank (EZB) sagen, erklärte der Bundesfinanzminister auf einer Pressekonferenz in Washington. Kurz zuvor hatte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der neben Schäuble saß, ausführlich die Unabhängigkeit der EZB verteidigt. Die sei ein „hohes Gut“ und „Deutschland hat zurecht dafür gekämpft“, führte Weidmann aus. Das betone ja auch der Finanzminister immer wieder, so Weidmann.
Schäuble musste das als freundlich verkleidete Kritik verstehen. Schließlich hatte der Finanzminister in den Tagen zuvor sich kritisch zur Politik des billigen Geldes geäußert und EZB-Präsident Mario Draghi gar für den Erfolg der rechtspopulistischen AfD mitverantwortlich gemacht.
Dafür rechtfertigte sich Schäuble nun. Natürlich müsse er als politisch Verantwortlicher über die Folgen der expansiven Geldpolitik sprechen, so Schäuble. In Deutschland leiden nicht nur Banken und Versicherungen unter den Nullzinsen, sondern auch Sparer und die Altersvorsorge. Auf diese Auswirkungen hinzuweisen, so Schäuble, dürfe man nicht mit Kritik verwechseln. Bei Weidmanns Verteidigungsrede auf die Unabhängigkeit der Zentralbank könne er jedes Wort und „jedes Komma unterstützen“, so Schäuble. Weidmann warf darauf süffisant ein: „Da habe ich keine Zweifel.“
In ihrer Analyse sind sich Finanzminister und Bundesbank-Präsident durchaus einig. Sie fürchten die Risiken der ultralockeren Geldpolitik. Bei den Treffen der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) weisen sie beide immer wieder darauf hin: Das billige Geld könnte zu neuen Blasen an den Finanzmärkten und damit zu neuen Krisen führen. Und vor allem nimmt die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik den Reformdruck von den europäischen Staaten. Die EZB kann vielleicht den Schmerz einige Zeit betäuben, so die Analyse, sie alleine kann aber nicht die Ursachen der Krankheit beseitigen.
In der Analyse sind sich Schäuble und Weidmann also einig. In ihrer Reaktion aber nicht. Der Bundesbank-Präsident hält die Attacken gerade der deutschen Politik auf die EZB für gefährlich. Und zwar so sehr, dass er Draghi gegen die Kritik verteidigt. Die expansive Geldpolitik sei für die Eurozone angemessen, die EZB könne ihre Entscheidungen nicht nur an den Erfordernissen eines Landes ausrichten. Zudem gebe es ja auch in Deutschland nicht nur Sparer, sondern auch Schuldner, so Weidmann. Und die profitieren den Nullzinsen.
Schäuble, der sich am Vorabend mit Draghi zu einem Vier-Augen-Gespräch getroffen hatte, klang dann im Verlauf der Pressekonferenz auch milder. Der Erfolg der AfD sei „nicht die Schuld der EZB“, erklärte er nun. Die Zentralbank sei schlicht mit Aufgaben überfrachtet, weil sie die einzig handlungsfähige Institution in der Eurozone sei. „Das ist doch nicht die Schuld der EZB, sondern der anderen“, sagte der Finanzminister. Gemeint sind die europäischen Regierungen, die endlich Reformen angehen müssten, um die ihren Teil zu Belebung der Wirtschaft beizutragen.
Das stimmte dann auch Weidmann versöhnlich. Er vermied es, Schäubles Äußerungen, Draghi sei für den AfD-Erfolg mitverantwortlich, zu kommentieren. Solche Überlegungen dürften für die EZB bei ihren Entscheidungen ohnehin nie eine Rolle spielen, so Weidmann. Und ansonsten könne er dazu nicht viel sagen. „Prognosen über Wahlpräferenzen sind nicht meine Kernkompetenz.“