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Europäische Zentralbank EZB signalisiert niedrigeres Tempo bei Anleihekäufen – „Bedeutender Schritt in Richtung Tapering“

Die Notenbank bleibt vorerst bei ihrer insgesamt weichen Geldpolitik. Sie lässt weiterhin offen, wann das Notfallprogramm PEPP endet.
09.09.2021 Update: 09.09.2021 - 19:29 Uhr Kommentieren
Das auf insgesamt 1,85 Billionen Euro angelegte Krisenprogramm soll nach den bisherigen Planungen noch bis mindestens Ende März 2022 laufen. Quelle: dpa
EZB-Zentrale in Frankfurt

Das auf insgesamt 1,85 Billionen Euro angelegte Krisenprogramm soll nach den bisherigen Planungen noch bis mindestens Ende März 2022 laufen.

(Foto: dpa)

Frankfurt Die Europäische Zentralbank (EZB) drosselt moderat ihre Anleihekäufe, die unter dem Pandemie-Programm PEPP laufen. Zugleich machte sie deutlich, dass es sich dabei nicht um eine Verschärfung der Geldpolitik handele.

Der EZB-Rat sei zu dem Ergebnis gekommen, „dass günstige Finanzierungsbedingungen auch mit einem etwas niedrigen Pfad“ bei PEPP beibehalten werden könnten, lautet die genaue Formulierung, die nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde einstimmig beschlossen wurde.

Diese Reaktion bot keinerlei Überraschung, aber der Tonfall war offenbar etwas weicher als von den Kapitalmärkten erwartet. Das lässt sich zumindest aus den ersten Reaktionen ablesen.

Die Aktienkurse, die zuvor im roten Bereich lagen, bekamen etwas mehr Halt, der Anstieg des Euros vor der Entscheidung wurde gebremst, und die Anleiherenditen gaben etwas nach.

Seema Shah, Chefstrategin von Principal Global Investors, kommentiert: „Die EZB hat heute ihren ersten bedeutenden Schritt in Richtung Tapering getan. Bezeichnenderweise hat sie sich nicht auf ein bestimmtes Ankaufstempo festgelegt, sondern sich ein Stück weit Flexibilität bewahrt, die angesichts einer potenziellen Verschärfung der Finanzbedingungen im Zuge des näherrückenden Fed-Taperings auch hilfreich sein wird.“

Warten bis Dezember

Die US-Notenbank (Fed) wird voraussichtlich ab Anfang kommenden Jahres „tapern“, also ihre Anleihekäufe drosseln. PEPP, ein besonders flexibles Programm, läuft bis mindestens Ende März 2022. Lagarde kündigte für Dezember eine Entscheidung darüber an, ob es verlängert wird. Die EZB hatte innerhalb dieses Programms in den Sommermonaten monatlich etwa Anleihen für 80 Milliarden Euro gekauft, nach jeweils rund 60 Milliarden in den Monaten davor.

Ausschlaggebend für die Erhöhungen war die Sorge, dass bei relativ ausgedünnten Märkten und einem zeitweise spürbaren Aufwärtsdruck aus den USA die Renditen in Europa zu stark steigen könnten. Experten gehen davon aus, dass die EZB wieder zu ihrem vorherigen Pfad von rund 60 Milliarden zurückgehen könnte. Lagarde legte sich nicht fest, betonte aber, der Pfad dürfte unter dem der beiden vergangenen Quartale liegen.

Alle anderen Konditionen bleiben unverändert, also der Leitzins verharrt bei null Prozent, der zurzeit noch wichtigere Einlagenzins bei minus 0,5 Prozent und die Käufe unter einem anderen Ankaufprogramm, das unter dem Kürzel APP läuft, werden mit regelmäßig 20 Milliarden Euro pro Monat fortgesetzt. Es gibt Erwartungen, dass nach Auslaufen von PEPP dann APP aufgestockt werden könnte.

Lagarde betonte, die derzeit höhere Inflation beruhe auf vorübergehenden Effekten. Dabei sprach sie den Ölpreis, die deutsche Mehrwertsteuer und eine Verschiebung von Sommerschlussverkäufen im Vorjahr an. Sie betonte aber mehrfach, der Inflationsdruck könne auch zunehmen, wenn Engpässe in der Produktion über höhere Preise zu steigenden Löhnen führen würden. Hiermit wollte sie offensichtlich klarstellen, dass die EZB mögliche Inflationsrisiken ernst nimmt.

Erholung sei da, aber immer noch gefährdet

Die Volkswirte der EZB haben ihre Prognosen für Wachstum und Inflation gegenüber der letzten Vorhersage von vor drei Monaten angehoben. Sie erwarten jetzt 5,0 Prozent Wachstum im laufenden Jahr, 4,6 Prozent 2022 und 2,1 Prozent 2023.

Die Inflation wird demnach im laufenden Jahr insgesamt bei 2,2 Prozent landen, im kommenden Jahr bei 1,7 Prozent und 2022 bei 1,5 Prozent. „Die unterliegenden Inflationskräfte nehmen zu, aber nur moderat“, sagte Lagarde.

Robin Brooks, Chefökonom der Großbanken-Organisation IIF in Washington, kommentiert die Anhebung der Inflationsprognose für 2023 vom vergangenen Dezember mit 1,2 Prozent auf jetzt 1,5 Prozent mit den Worten: „Seit damals gibt es zweifellos positive Entwicklungen.“

Er gibt aber zu bedenken: „Die Geschichte spricht gegen die EZB.“ Es gebe in Europa eine große Unterauslastung der Kapazitäten, daher sei es schwierig, die Wirtschaft wieder ausreichend in Gang zu bringen. Lagarde betonte selbst, die Erholung sei da, aber immer noch gefährdet. Außerdem gebe es trotz aller Fortschritte noch viele Arbeitslose.

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Die zuletzt auf drei Prozent gestiegene Inflation hat Sorgen wegen einer sich möglicherweise beschleunigenden Preissteigerung hervorgerufen. Vor allem weil nach gängigen Prognosen im Laufe des Jahres noch höhere Monatswerte erreicht werden. Allerdings lauten die Vorhersagen der meisten Volkswirte auch außerhalb der EZB für das kommende Jahr wieder auf ein Nachlassen des Inflationsdrucks.
Selbst die Commerzbank, die der EZB eher kritisch gegenübersteht und später, auf längere Sicht, höhere Preissteigerungsraten befürchtet, sieht den heutigen Anstieg im Wesentlichen als vorübergehend an.

Dasselbe gilt für die Bundesbank, deren Chef Jens Weidmann deutlich vor einem Ausufern der Kaufprogramme warnt: Auch er hält die heutige Inflation weitgehend für ein vorübergehendes, von Sonderfaktoren infolge der Coronakrise geprägtes Phänomen. Ulrich Kater, Chef-Volkswirt der Dekabank, schreibt allerdings: „Die Unsicherheit über die Inflationsprognose dürfte auch innerhalb der EZB gestiegen sein.“

In den USA herrscht dagegen unter Ökonomen eine lebhafte Debatte zu der Frage, ob die US-Notenbank (Fed) möglicherweise zu spät gegen Inflationsraten von zuletzt über fünf Prozent angeht.

Kritiker wie zum Beispiel der ehemalige Finanzminister Larry Summers sehen im Zusammenhang mit der sehr expansiven Finanzpolitik der Regierung unter Joe Biden ein ernsthaftes Risiko, dass die Fed die Kontrolle verlieren könnte und dann, um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren, zu heftig gegensteuern müsste.

In Europa gibt es schon deswegen keine vergleichbare Diskussion unter Ökonomen, weil hier die Regierungen weit weniger in die Vollen gegangen sind als die politische Führung in Washington. Trotzdem ist auch hier mitunter Kritik zu hören.

Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, mutmaßt gar, „dass die Notenbanker zwar formal die geldpolitischen Entscheidungen treffen, doch die heimischen Finanzminister am Ende den jeweiligen zinspolitischen Entscheidungsrahmen vorgeben“.

Bernhard Matthes, Portfolio-Manager bei BKC Asset, fordert einen „Ordnungsruf“ der Politik an die EZB und fürchtet zugleich, sie verliere ihre Unabhängigkeit. Gerhard Grandke, der scheidende Sparkassen-Präsident von Hessen und Thüringen, unterstellte ihr kürzlich gar, sie wolle den digitalen Euro einführen, um das Bargeld abzuschaffen.

Die EZB hatte im Frühsommer eine neue Strategie vorgestellt, mit der sie sich mehr Flexibilität zubilligte. Bei Zinssätzen nahe null, heißt es darin, sei eine besonders energische Bekämpfung zu niedriger Inflation unerlässlich, weil dann die Zinspolitik an ihre Grenzen komme. Außerdem hatte die Notenbank deutlich gemacht, dass sie eine zu niedrige Inflation genauso entschieden bekämpfen will wie zu hohe Preissteigerungen.

Und das Inflationsziel, das mit der Formulierung „unter, aber nahe an zwei Prozent“ zuvor etwas kompliziert definiert war, wurde einfach auf „zwei Prozent“ geändert. Die EZB hat allerdings nicht das Beispiel der US-Notenbank nachgeahmt, die sich zuvor im Rahmen einer neuen Strategie vorgenommen hatte, lange Zeiten zu niedriger Inflation anschließend durch ein entsprechendes Überschreiten der Zwei-Prozent-Marke auszugleichen und so eine Art Durchschnittsziel zu erreichen.

Mehr: EZB schließt mittelfristig höhere Inflation nicht mehr aus

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