EZB Lagarde gibt den Märkten weiter Rückenwind

Die Chefin der EZB gleicht Gegensätze aus.
Frankfurt Die Europäische Zentralbank (EZB) wird nach übereinstimmenden Schätzungen von Experten ihre Anleihekäufe unter dem Notfallprogramm PEPP im kommenden Quartal etwas zurückfahren. Zugleich werde EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag voraussichtlich betonen, dass damit keinesfalls schon eine härtere Geldpolitik eingeleitet wird.
Mohammed Kazmi, Anleihe- und Makro-Experte bei Union Bancaire Privée, glaubt: „Angesichts der bereits von verschiedenen EZB-Ratsmitgliedern ausgesprochenen Warnungen vor derartigen Maßnahmen werden die Ankündigungen kaum die Renditen der Bundesanleihen bewegen. Darüber hinaus wird jede Anpassung des PEPP wahrscheinlich von gemäßigten Äußerungen von Christine Lagarde begleitet werden.“ Seiner Einschätzung nach will sie die Märkte nicht erschrecken.
Die EZB kauft zurzeit im Rahmen von PEPP monatlich Anleihen für 80 Milliarden Euro. PEPP ist dabei ein besonders flexibles Programm, bei dem die Höhe der Käufe und die Schwerpunkte variiert werden können. Hinzu kommt ein älteres, unter dem Kürzel APP bekanntes Programm, das zusätzlich eine feste Rate von Käufen für 20 Milliarden Euro umfasst.
Die US-Fondsgesellschaft und Allianz-Tochter Pimco geht davon aus, dass die EZB die im Sommer etwas erhöhten PEPP-Käufe wieder auf 60 Milliarden, ihren früheren Wert, reduziert werde. Die Experten sehen als Grund für die vorübergehende Anhebung im Sommer, dass von den USA zeitweise ein Trend zu höheren Renditen ausging, den die EZB bekämpfen wollte. Außerdem könnte PEPP möglicherweise schon im März gestoppt und dafür APP auf 60 Milliarden aufgestockt werden, heißt es. Die Entscheidung über das Ende von PEPP dürfte aber erst später im Jahr fallen, heißt es bei Pimco.
Negative Rendite selbst bei Hochzinsanleihen
Für Konstantin Veit, Portfoliomanager bei Pimco, bietet „die anhaltende Unterstützung durch die EZB weiterhin Rückenwind für Risikoanlagen“. Mit Blick auf Anleihen fügt er hinzu: „Die aktuellen Bewertungen bieten nur wenig Spielraum für eine deutliche Spread-Kompression.“ Die Risikoaufschläge (Spreads) bei den Zinsen, die Emittenten geringerer Bonität im Vergleich zu Staatsanleihen zahlen müssen, werden demnach also nicht noch weiter abschmelzen.
Zurzeit liegen im Euro-Raum selbst Hochzinsanleihen mit ihren Renditen unterhalb der Inflationsrate, bieten Anlegern also real eine negative Rendite. Kazmi setzt im Anleihebereich auf kurze Laufzeiten, weil diese Papiere bei steigenden Renditen weniger Kursverluste erleiden. Als Begründung dafür nennt er aber nicht die EZB, die aus seiner Sicht „noch mehrere Jahre“ von einer Zinserhöhung entfernt ist, sondern die US-Notenbank (Fed), die im Zyklus schon viel weiter ist.
Der Ökonom Ebrahim Rahbari von der Citigroup erwartet nur eine „leichte Anpassung“ bei den Anleihekäufen der EZB. Er sieht auch mit Blick auf die Geldpolitik anderer Notenbanken weiter Unterstützung für Risikoanlagen, zu denen vor allem Aktien gehören. Weil er weiterhin mit einer „Reflation“ rechnet, als einer Erholung mit etwas mehr Inflation, sollten aus seiner Sicht auch Rohstoffe gut laufen. Wegen der hohen Bewertungen könne es aber zeitnah auch zu Gewinnmitnahmen kommen, warnt er.
Katharina Utermöhl, Europa-Ökonomin der Allianz, empfiehlt Lagarde, sich von der zurzeit hohen Inflation nicht unter Druck setzen zu lassen. Sie sollte in ihrer Politik flexibel bleiben und sich auch nicht auf eine Reaktion für bestimmte Szenarien festlegen.
Utermöhl ist Mitglied im Schattenrat der EZB, einem vom Handelsblatt moderierten Expertengremium. Dort überwiegt die Meinung, die EZB solle PEPP etwas reduzieren, wobei einige der Mitglieder betonen, Lagarde sollte deutlich machen, dass dies keine Straffung der Geldpolitik darstellt.
Mehr Inflation, mehr Wachstum
Der Stab der EZB wird am Donnerstag auch neue Prognosen veröffentlichen. Der Schattenrat hat seine eigenen Prognosen leicht erhöht. Er erwartet bei der Inflation 2,1 statt bisher 1,7 Prozent für 2021, dann 1,5 statt 1,3 Prozent für 2022 und wie bisher 1,5 Prozent für 2023. Die Wachstumsprognosen liegen jetzt bei 4,7 Prozent für 2021, dann 4,4 für 2022 und 2,3 Prozent für 2023.
In der EZB dürften sich die Gegensätze zwischen „Falken“ und „Tauben“, den Anhänger einer harten und denen einer weichen Geldpolitik, im Laufe des Herbsts weiter verschärfen, wenn die Notenbank Farbe bekennen muss, wie es 2022 weitergeht. Dabei sind die Tauben tendenziell in der Überzahl, jedenfalls nach einer Einteilung der DZ Bank.
Jens Weidmann, der Chef der Bundesbank, zählt zu den Falken. Er hat immer wieder betont, dass PEPP, das Notfallprogramm der EZB für die Corona-Pandemie, beendet werden müsse, wenn die Notlage beendet ist. Die Tauben, etwa EZB-Vizechef Luis de Guindos, betonen eher, dass es nach Auslaufen des Programms nicht zu einem Abriss der geldpolitischen Unterstützung kommen darf.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird versuchen zu verhindern, dass die Gegensätze sich zuspitzen. Zentrale Funktionen in diesem Zusammenspiel haben nach Einschätzung von Investoren auch Philip Lane und Isabel Schnabel, neben Weidmann die zweite deutsche Stimme im EZB-Rat. Lane gilt als Taube, als Chefökonom betont er zudem immer wieder die Bedeutung von Daten und Modellen. EZB-Direktorin Schnabel gilt der DZ Bank als geldpolitisch neutral, zugleich sind ihre Aussagen häufig ein guter Indikator dafür, wohin die Reise geht.
Mehr: Wie sich Anleger gegen höhere Inflation und steigende Zinsen schützen
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Viele Bürger in Deutschland bevorzugen eine stabile Währung und werden sich im Zweifel an Parteien wenden, die das sicherstellen wollen und einen Austritt aus der EU nicht ausschließen. Die klassischen Mehrheits-Parteien sind das nicht. Die Alternativen haben nebenbei noch mehr im Gepäck. Wo das dann hinführt, kann man nur erahnen. Eine straffere Geldpolitik wäre vielleicht das kleinere Übel. In ein paar Jahren werden wir wissen, wie es politisch gelaufen ist mit der Inflation.
Die EZB ist unabhängig und diese Sonderrolle hat sie aus einem einzigen Grund: Sie hat nur ein EINZIGES Ziel und das ist die Währungsstabilität.
Die EZB aber mißbraucht dieses Privileg um damit verschiedene politische Ziele jenseits der Währungsstabilität zu verfolgen: Rettung südeuropäischer Staatshaushalte, Erfolg des Projekts "Euro", Nachhaltigkeit, Frauenförderung.
Egal wie lobenswert die einzelnen Ziele sein mögen: es sind politische Ziele und haben die EZB nicht zu interessieren.