Geldpolitik Die Fed wird reden, aber noch nicht handeln

Experten gehen davon aus, dass der Notenbankchef erneut betont, das Ansteigen der Inflation sei ein „vorübergehender“ Effekt.
New York, Frankfurt Bewegt sie sich, oder bewegt sie sich nicht? Diese Frage stellen sich die Investoren mit Blick auf die Sitzung der US-Notenbank (Fed) am Mittwoch. Fed-Chef Jerome Powell hat immer wieder betont, die Preissteigerungen in den USA seien vorübergehender Natur. Aber die Frage, ob die Fed angesichts höherer Inflation nicht doch bald anfängt, ihre Anleihekäufe zu drosseln, taucht immer wieder auf – in Notenbankkreisen und bei den Anlegern.
Diese Drosselung – als „Tapering“ bekannt, ist das heiße Thema. Und die Märkte spielen es sehr unterschiedlich, wie der unabhängige US-Experte Ed Yardeni anmerkt: Die Rohstoffmärkte signalisieren eine steigende Inflation, der Anleihemarkt bleibt dagegen erstaunlich ruhig.
Powell hat die schwierige Aufgabe, die Wirtschaft lange genug zu unterstützen, zugleich aber zu verhindern, dass die Inflationserwartungen außer Kontrolle geraten. Nach einer Umfrage der Fed New York im Mai steigen die Inflationserwartungen der Konsumenten. Der mittlere Wert für die Inflation in einem Jahr lag zuletzt bei 4,0 Prozent, im April waren es erst 3,4 Prozent. Die Fed legt großen Wert auf diese Umfragen, weil sie relativ stabil sind, während die aus Marktdaten abgeleiteten Inflationserwartungen oft ein verzerrtes Bild geben.
Die Experten gehen davon aus, dass Powell erneut betont, das Ansteigen der Inflation auf zuletzt fünf Prozent sei ein „vorübergehender“ Effekt. Zugleich dürfte er deutlich machen, dass die Notenbanker die Entwicklung sehr genau beobachten. Michael Feroli, der Fed-Experte der US-Großbank JP Morgan, erwartet, dass die Fed ihre „sehr unterstützende Geldpolitik unverändert“ lässt. In der Pressekonferenz nach der Fed-Sitzung wird Powell seiner Einschätzung nach erwähnen, dass man über das Tapering diskutiert habe, aber dass die Wirtschaft „weitere substanzielle Fortschritte“ machen müssen, bevor man damit tatsächlich beginnen könne.
Ähnliches schreibt der Experte Ebrahim Rahbari der Citigroup: „Wir erwarten, dass die Fed-Sitzung kaum etwas Neues bringt.“ Die Citigroup geht aber davon aus, dass Powell im September die Drosselung der Käufe ankündigt – und dass er im Dezember damit beginnt. Zurzeit kauft die Fed netto pro Monat Anleihen für 120 Milliarden Dollar zu und lässt so ihre Bilanzsumme immer weiter anschwellen.
Wahrscheinlich ändern sich am Mittwoch die Prognosen der Mitglieder im geldpolitischen Ausschuss der Fed und deuten so eine leichte Verschärfung der Geldpolitik an. Feroli erwartet, dass der mittlere Wert (Median) der Prognosen am Mittwoch eine erste Erhöhung der Leitzinsen schon 2023 anzeigen wird. Nach der letzten Prognose vom März wäre dieser Schritt erst 2024 fällig. Rahbari rechnet mit einem ähnlichen Trend bei den Vorhersagen der Fed-Entscheider.
Zu wenig Staatspapiere im Angebot
Obwohl sich wahrscheinlich wenig verändern wird, sind die Investoren sehr gespannt auf die Fed-Sitzung. „Dies ist das wichtigste Notenbanker-Treffen in Powells Karriere“, sagte der Hedgefonds-Manager Paul Tudor Jones sogar im US-Fernsehsender CNCB. Er geht nicht davon aus, dass die Inflation nur vorübergehend ist. Und er betonte im Interview: „Sollte sich die Fed über die jüngsten Inflationsdaten nicht besorgt zeigen, dann würde ich ganz auf Inflation-Trades setzen. Ich würde vermutlich Rohstoffe kaufen, Kryptowährungen und Gold.“
Zugleich warnte er: Sollte die Fed eine Kurskorrektur einleiten, dann werde es ein Taper-Tantrum, einen „Abverkauf bei Anleihen geben und eine Korrektur bei Aktien“. Das Schlagwort Taper-Tantrum entstand 2013, als die Märkte aus Furcht vor steigenden Anleiherenditen eine Art Panikattacke bekamen. Jones hat einen guten Ruf als Prognostiker: Er sagte bereits den Aktien-Crash im Jahr 1987 voraus.
Das Erstaunliche ist aber: Trotz der zuletzt auf fünf Prozent angestiegenen Inflation verharrt die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe bei 1,5 Prozent, nachdem sie zwischenzeitlich, von Inflationsängsten getrieben, sogar schon rund 1,8 Prozent erreicht hatte. Der Logik der Märkte nach müsste sie eigentlich weiter steigen, wenn die Inflationserwartungen sich nach oben bewegen und damit die Fed stärker als bisher erwartet reagieren sollte.
Für diese seltsame Ruhe am Anleihemarkt werden mehrere Gründe genannt. Einmal scheint die Mehrheit der Anleger der Fed zu vertrauen, dass sie die Wende zu einer strafferen Geldpolitik sehr vorsichtig angeht und auch hinbekommt, ohne dass zu hohe Preissteigerungen sie zu schnellerem Handeln zwingen. Dann sehen selbst Investoren, die das Vorgehen der Fed für zu zögerlich halten, keinen Sinn darin, sich gegen die Notenbank zu positionieren – das bringt nur selten Gewinn.
Außerdem spielen Investoren aus Europa und Asien eine Rolle: Sie greifen gerne bei US-Staatsanleihen zu, weil sie bei sich zu Hause noch niedrigere Renditen geboten bekommen.
Verzerrter Markt
Und schließlich macht Robin Brooks, Chefökonom der Internationalen Großbanken-Organisation IIF in Washington, noch auf einen sehr speziellen Punkt aufmerksam: In den letzten Wochen hat die US-Regierung verhältnismäßig wenige Anleihen herausgegeben. Weil so ein knappes Angebot auf unveränderte Nachfrage stößt, erhöht das die Preise und drückt entsprechend die Renditen.
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Brooks sieht hier den Hauptgrund für die zurzeit niedrigen Renditen und warnt, dass dahinter eine kurzfristige Entwicklung stehe. Die US-Regierung hatte im Rahmen ihrer Ausgabenprogramme ihr Konto bei der Fed üppig gefüllt. Zurzeit fährt sie den Bestand dort herunter und braucht daher weniger Geld aus neuen Anleihen. Wenn diese Phase vorbei ist, könnten die Renditen also wieder etwas steigen.
Analyst Yardeni betont vor dem Hintergrund dieser Verzerrung am Anleihemarkt: „Die Rohstoffpreise geben ein deutlicheres Signal als die Bond-Renditen.“ Seiner Meinung nach sagt Powell den Investoren quasi: „Geht weiter, hier gibt’s nichts zu sehen.“ Yardeni fährt fort: „Die Anleihemärkte scheinen ihm zuzustimmen, obwohl ihr Preismechanismus durch den Tsunami an Liquidität, den die Fed bereitstellt, zerstört worden ist.“
Dagegen bilde der Preismechanismus in den Rohstoffmärkten genau diesen Tsunami ab. Sogar Bauholz werde immer teurer, stellt er heraus, und ergänzt: „Die Preise von Kupfer, Zinn und Zink sind ebenfalls in die Höhe geschnellt.“
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