Geldpolitik Drei Dinge, die beim Treffen der US-Notenbank heute wichtig werden

Die Notenbank werde die Zinsen nicht präventiv aus Furcht vor einer einsetzenden Inflation erhöhen, betonte er.
New York Jerome Powell ist niemand, der sich zu Entscheidungen drängen lässt. Schon seit Monaten wirbt er bei Investoren und Politikern für Geduld. Es sei trotz der boomenden US-Wirtschaft noch zu früh, eine Kehrtwende in der ultralockeren Geldpolitik einzuleiten. Ökonomen rechnen daher nicht damit, dass der Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nach der Sitzung am Mittwoch grundlegende Änderungen verkünden wird. Dennoch ist es ein wichtiges Treffen, das in Zeiten rapide steigender Inflation bei einem gleichzeitigem Wiederaufflammen der Corona-Krise eine Reihe von Fragen aufwirft. Anleger interessieren sich vor allem für die Nuancen, mit Blick auf die künftige Strategie. Diese drei Punkte werden im Fokus stehen.
1. Lage der Wirtschaft
Die größte Volkswirtschaft der Welt sendet uneinheitliche Signale. Sie wächst rasant. Restaurants und Hotels an Ferienorten sind voll. Viele Amerikaner konnten in der Krise Geld sparen, das sie nun nur zu gerne ausgeben: Die Einzelhandelsumsätze lagen im Juni um 20 Prozent höher als vor zwei Jahren, dem Sommer vor der Pandemie. Das Bruttoinlandsprodukt könnte im zweiten Quartal aufs Jahr gerechnet um gut acht Prozent gewachsen sein, so die Schätzungen. Die genauen Daten werden am Donnerstag veröffentlicht. Doch Ökonomen befürchten, dass damit schon die Spitze erreicht sein könnte und sich die US-Wirtschaft danach wieder zurück zu einem Trendwachstum von rund zwei Prozent bewegt.
Hinzu kommen die rapide gestiegenen Corona-Fallzahlen, die zusätzlich das Wachstum belasten könnten. Die US-Gesundheitsbehörde CDC legte am Dienstag angesichts der schlechten Lage wieder das Tragen von Masken in Innenräumen nahe, auch für vollständig geimpfte in besonders stark belasteten Regionen. Damit vollzog sie eine Kehrtwende, nachdem sie erst vor wenigen Wochen mitgeteilt hatte, das Geimpfte keine Masken bis auf wenige Ausnahmen mehr tragen müssten.
Anleger werden gespannt verfolgen, wie Powell die jüngsten Entwicklungen bewertet. In den vergangenen Sitzungen hat die Fed ihre Prognose für die US-Wirtschaft regelmäßig angehoben. Nun ist offen, ob die Notenbanker die rapide gestiegenen Infektionszahlen durch die Delta-Variante als Bremse für das Wachstum einstufen. Powell hatte bei der letzten Sitzung im Juni bereits betont, dass er bei seinen strategischen Entscheidungen besonders die Arbeitsplätze im Service-Bereich im Blick hat, die von der Pandemie besonders stark getroffen wurden. Die Ausbrüche könnten auch Amerikaner davon abhalten, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, was die Erwerbsquote weiter unterhalb des Vorkrisenniveaus halten könnte.
2. Interpretation der Preissteigerungsraten
Die deutlich gestiegene Nachfrage, gepaart mit Lieferproblemen in einer ganzen Reihe von Branchen haben dazu geführt, dass die Preise in den USA deutlich angestiegen sind. Die jüngsten Daten für die Ausgaben von Konsumenten und Produzenten zeigen an, dass sich die Preissteigerungen offenbar doch nicht so schnell auflösen, wie Powell gehofft hatte. Die Kerninflationsrate, ein von der Fed bevorzugtes Maß, das volatile Preise für Nahrungsmittel und Energie ausblendet, stieg im Mai um 3,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit lag sie deutlich über der avisierten Zielmarke von zwei Prozent.
Auch der Häusermarkt läuft heiß. Die Preise für Einfamilienhäuser in großen Städten sind im Mai im Vergleich zum Vorjahr um 16,6 Prozent gestiegen, wie neue Daten zum Case-Shiller-Index zeigen. Das ist der größte Anstieg seit Beginn der Analysen 1987. Die Lage auf dem Häusermarkt führt bei vielen Amerikanern zu Existenzängsten, weil sie sich ein Eigenheim schlicht nicht mehr leisten können.
Powell verharrte bislang auf dem Standpunkt, dass dies nur vorübergehende Effekte seien, die noch keine Abkehr der ultra-lockeren Geldpolitik rechtfertigen würden. Doch längst nicht alle Experten sind seiner Meinung.
3. Andeutungen zu weiteren Anleihekäufen
Angesichts der anhaltenden und hohen Inflationsraten, wächst der Druck auf den Notenbankchef, auch aus den eigenen Reihen. Die Fed kauft seit beginn der Pandemie Staatspapiere im Wert von 80 Milliarden Dollar pro Monat und mit Hypotheken besicherte Anleihen im Wert von 40 Milliarden Dollar pro Monat.
Ähnlich wie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte es immer mehr Geldpolitiker geben, die mit seinem ultra-lockeren Kurs nicht mehr einverstanden sind und ein schnelleres Rückdrehen der Anleihekäufe fordern. „Christine Lagarde ist nicht die einzige Chefin einer systemisch wichtigen Zentralbank, für die es immer schwieriger wird, eine einheitliche Front innerhalb ihres Entscheidungsgremiums aufrecht zu erhalten“, gibt Mohamed El-Erian, ökonomischer Chefberater der Allianz, zu bedenken. Er ist schon seit Monaten der Meinung, dass die Fed die Anleihekäufe langsam zurückfahren sollte.
Für Anleger sind dabei zwei Fragen wichtig: Wann beginnt die Fed mit dem Tapering und wie schnell fährt sie die Anleihekäufe zurück? Das Timing ist von besonderer Bedeutung, da die Geldpolitiker in der Vergangenheit angekündet haben, erst dann die Leitzinsen zu erhöhen, wenn die Anleihekäufe beendet sind.
Nach der Finanzkrise 2013 entschied sich die Fed, die Anleihekäufe in gleichem Maße in einem Zeitraum von zehn Monaten zurückzufahren. „Ich bin mir nicht sicher, ob das dieses Mal jedoch auch die beste Strategie sein wird“, warnte James Bullard, Chef der regionalen Fed in St. Louis. Schließlich würde die Wirtschaft nach der Pandemie deutlich schneller und ungleichmäßiger wachsen.
Jan Hatzius, Chefökonom von Goldman Sachs, geht davon aus, dass die Fed bei ihrer Notenbankertagung in Jackson Hole im August oder bei der kommenden Sitzung im September signalisieren könnte, dass ein Tapering bevor steht.
Wie stark sich das Tapering auf die Anleihemärkte auswirken wird, ist unterdessen unklar. Analysten der Bank of America verwiesen am Dienstag auf ein Szenario, das die Effekte auf den Bondmarkt abfedern könnte. So gehen die Analysten davon aus, dass die US-Regierung im Fiskaljahr 2022 einen geringeren Finanzierungsbedarf haben wird als das derzeit der Fall ist. Und wenn das Angebot an Staatsanleihen geringer ist, würde es weniger ins Gewicht fallen, wenn die Fed weniger Anleihen aufkauft.
So sei es denkbar, dass die Fed im Januar ihre Käufe von US-Staatsanleihen um zehn Milliarden Dollar pro Monat reduziert und die MBS-Käufe um fünf Milliarden Dollar. Das Tempo des Abbaus könnte dann in den folgenden Fed-Sitzungen beschleunigt werden. Das Timing sei „zufällig und hängt damit zusammen, dass die Regierung ihre Hilfen nach der Pandemie zurückfährt“, so die Analysten.
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