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Geldpolitik EZB-Direktorin Schnabel verurteilt Verrohung der Sprache

Isabel Schnabel wendet sich gegen „Halbwahrheiten und falsche Narrative“ bei Kritikern der EZB. Diese schadeten nicht nur dem Vertrauen in die Geldpolitik.
11.02.2020 - 17:35 Uhr Kommentieren
Laut Schnabel ist die EZB sehr beunruhigt über das Coronavirus. Quelle: dpa
EZB-Direktorin Isabel Schnabel

Laut Schnabel ist die EZB sehr beunruhigt über das Coronavirus.

(Foto: dpa)

Frankfurt Isabel Schnabel, seit Anfang des Jahres Direktorin bei der europäischen Zentralbank (EZB), beklagt die „zunehmende Aggressivität und Verrohung der Sprache“ bei Kritikern der Geldpolitik. Ausdrücke wie „Graf Draghila“ für den ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi sowie Bezeichnungen wie „Totengräber der deutschen Sparer“, die „kontinuierlich enteignet“ würden, könnten kaum zu einer sachlichen Diskussion beitragen.

Ebenso wenig der Vorwurf, die Geldpolitiker seien „Gehilfen der Spekulanten“ oder betrieben das „größte Enteignungsprogramm seit der sowjetischen Industriedemontage und der SED-Zwangskollektivierung“.

Schnabel, die vorher an der Universität Bonn lehrte und Mitglied des Sachverständigenrats – der sogenannten Wirtschaftsweisen – war, hat sich vorgenommen, in Deutschland für ein besseres Verständnis der Geldpolitik zu werben. Vor der Juristischen Studiengesellschaft in Karlsruhe sagte sie am Dienstag laut Manuskript, eine auf „Halbwahrheiten und falschen Narrativen“ beruhende Kritik an der EZB sei „gefährlich, weil sie nicht nur das Vertrauen in die gemeinsame Geldpolitik bedroht, sondern auch den Zusammenhalt in Europa“.

Sie konterte mit Fakten und Argumenten. „Was am Ende für den Sparer wirklich zählt, sind die Realzinsen, also die Zinserträge abzüglich Inflation“, sagte sie. Die seien seit Einführung des Euros im Schnitt etwa so hoch gewesen wie in den 24 Jahren davor Vor allem in den 1970er-Jahren habe es wegen hoher Inflation negative Realzinsen gegeben.

Weiter führte sie an, tendenziell habe die Geldpolitik dazu geführt, dass mehr Unternehmen profitabel und weniger Firmen mit Verlusten arbeiteten. Das widerspreche der These, die Geldpolitik erhalte künstlich „Zombie-Firmen“ am Leben.

Schnabel räumte ein, dass niedrige Zinsen zu steigenden Vermögenspreisen führen und damit ein Risiko für die Finanzstabilität darstellen. Bei Immobilien sei aber zu beachten, dass die Preissteigerung auch auf dem verstärkten Zuzug in die Städte beruhe. In Deutschland lägen die Immobilienpreise im internationalen Vergleich noch auf einem „vergleichsweise niedrigen Niveau“. Außerdem sei im Euro-Raum die Verschuldung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), trotz steigender Hauspreise „weitgehend konstant“.

Überhang an Sparmitteln

Die Ökonomin erklärte ihren Zuhörern auch das Prinzip des „realen Gleichgewichtszinses“, bei dem die Kapazitäten gerade ausgelastet sind, aber kein Preisdruck entsteht. Dieser könne nur geschätzt werden, er liege seit einigen Jahren wahrscheinlich unter null. Ursache dafür ist, dass relativ viel gespart und relativ wenig investiert wird. Dafür stehe Deutschland geradezu „sinnbildlich“, sagte Schnabel. Der Überhang an Sparmitteln komme auch im hohen Leistungsbilanzüberschuss zum Ausdruck.

Wenn die EZB die Wirtschaft in Gang halten und ein Abrutschen der Inflation verhindern will, muss sie sich an diesem Satz des realen Gleichgewichtszinses orientieren. Schnabel zitierte Berechnungen von Ökonomen des Euro-Systems, nach denen in den Jahren 2015 bis 2019 bei einer härteren Geldpolitik die Inflation bis zu einen halben Prozentpunkt niedriger gewesen wäre. Zudem wäre das BIP um rund 2,5 Prozent und die Beschäftigung um rund zwei Millionen Arbeitnehmer geringer ausgefallen.
Schnabel betonte: „Es ist also nicht in erster Linie die Zentralbank, die für die niedrigen Zinsen verantwortlich ist. Denn es liegt nicht in der Macht der Zentralbanken, die strukturellen Rahmenbedingungen zu verändern, um den negativen Zinstrend umzukehren.“

Als wichtige Ursachen für die sinkenden Zinsen nannte sie auch das niedrige wirtschaftliche Wachstum. In den 1980er-Jahren sei die Produktivität im Durchschnitt um zwei Prozent pro Jahr gewachsen. Dieser Wert ging seither auf weniger als die Hälfte zurück. Hinzu kommt: Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft. „Dieser Rückgang wird sich angesichts des demografischen Wandels aller Voraussicht nach in den kommenden Jahrzehnten fortsetzen“, sagte die Ökonomin.

Als weiteren Grund nannte sie die Tatsache, dass sich der wirtschaftliche Schwerpunkt von kapitalintensiver Industrie weg zu Dienstleistungen verschiebt. Das trägt dazu bei, dass weniger Kapital benötigt wird – was wiederum den Überhang an Spargeld verstärkt.

Abschließend sagte Schnabel: „Natürlich muss auch die Zentralbank die Nebenwirkungen bei der Ausgestaltung der geldpolitischen Maßnahmen im Blick haben, vor allem wenn diese Rückwirkungen auf die Preisstabilität haben.“ Es komme auf eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Kosten der geldpolitischen Entscheidungen an. Sie betonte: „Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit diesen Prozess kritisch und konstruktiv begleitet – aber bitte auf der Basis von Fakten, nicht von Narrativen, die einer sachlichen Grundlage entbehren.“

Kritik aus Deutschland

In den vergangenen Jahren hatte es gerade in Deutschland häufig Kritik an der EZB gegeben. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, der als Chef einer nationalen Notenbank im Euro-Raum auch zum EZB-Rat gehört, hatte die Linie von Draghi oft auch in der Öffentlichkeit kritisiert. Sabine Lautenschläger, die vor wenigen Monaten das EZB-Direktorium verlassen hat, hielt sich in der Regel an die Linie von Weidmann.

Mit Isabel Schnabel gibt es daher erstmals seit Längerem eine deutsche Vertreterin der europäischen Geldpolitik, die offensiv um Verständnis wirbt. Dabei kann es durchaus in geldpolitischen Einzelfragen zu unterschiedlichen Meinungen kommen. Die umstrittenen Beschlüsse der EZB vom vergangenen September, die eine weitere geldpolitische Lockerung darstellten, hatte Schnabel – damals noch als Uni-Professorin – mit einer gewissen Skepsis kommentiert.

Mehr: Wie Lagarde mit der Bevölkerung kommunizieren muss

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