Geldpolitik EZB-Rat diskutiert über Änderung des Zinsausblicks

Auf dem Weg zur geldpolitischen Wende verfolgt die EZB keinen starren Plan, wie Direktoriumsmitglied Coeure mitteilt.
Frankfurt/Berlin Angesichts des Aufschwungs in der Euro-Zone ist in der EZB eine Diskussion über den Zinsausblick ausgebrochen. Wie aus den am Donnerstag veröffentlichten Protokollen der Ratssitzung vom April hervorgeht, drängen einige Währungshüter darauf, die Formulierung dort zu ändern. Bisher geht die EZB darin davon aus, dass die Zinsen im Euroraum für einen langen Zeitraum auf dem aktuellen Niveau oder darunter bleiben.
Dennoch soll Chefvolkswirt Peter Praet die Mitglieder des Rates dazu gemahnt haben, besonders vorsichtig zu sein, wenn sie über die nächsten Schritte in der Geldpolitik sprechen. Nach einer langen Zeit außergewöhnlicher Geldpolitik reagierten die Finanzakteure besonders sensibel, wenn sie Änderungen bei der künftigen Ausrichtung der Geldpolitik wahrnehmen würden, heißt es im Protokoll. Daher sollten solche Schritte nur „sehr langsam und vorsichtig“ erfolgen. Auf der Sitzung hatte das Gremium bekräftigt, dass die Schlüsselzinsen weit über die Zeit des laufenden Anleihenkaufprogramms hinaus auf dem aktuell tiefen Niveau oder sogar noch niedriger liegen werden.
Zuvor hatte der litauische Notenbankchef Redebedarf beim Zinsausblick angemeldet. Die geopolitische Lage habe sich verbessert, so dass eine Diskussion über die Orientierungslinie für den weiteren Kurs der Europäischen Zentralbank zu erwarten sei, sagte das EZB-Ratsmitglied Vitas Vasiliauskas zu Reuters am Donnerstag. „Falls harte Daten die verbesserte Situation bestätigen sollten, wäre es ein logischer Schritt, über die im Zinsausblick beschriebene geldpolitische Lockerungstendenz zu sprechen.“
Experten spekulieren seit längerem, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Passage streichen könnte, in der ein noch niedrigeres Zinsniveau für die Zukunft nicht ausgeschlossen wird. Zudem dürfte sie demnach die Konjunkturaussichten in milderem Licht sehen. Bisher betont sie darin die Abwärtsrisiken. Chefvolkswirt Peter Praet hatte zuletzt aber Spielraum für mögliche Änderungen angedeutet. Die in den Protokollen zum Ausdruck kommende große Vorsicht der Währungshüter spricht jedoch dagegen, dass sie bereits auf der Sitzung am 8. Juni größere Änderungen vornehmen werden.
Vasiliauskas sprach sich zugleich gegen Überlegungen aus, Schlüsselzinsen vor Ablauf des von der EZB betriebenen Anleihenprogramms zum Ankurbeln der Konjunktur anzuheben. Die bislang angepeilte Schrittfolge sollte nicht verändert werden.
EZB-Direktor Benoit Coeure hat hingegen Änderungen an der Abfolge der Schritte generell nicht ausgeschlossen, auch wenn er derzeit keine Notwendigkeit dafür sieht: „Es ist viel über die Abfolge der Schritte gesprochen worden. Sie kann geändert werden und ist nicht in Stein gehauen“, sagte der Franzose in einem am Donnerstag veröffentlichten Reuters-Interview. Derzeit sehe er aber keinen Grund für eine Änderung.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hält ihren Einlagensatz aktuell bei minus 0,4 Prozent. Geldhäuser müssen somit Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht Geld bei der EZB parken.
Coeure betonte, letztlich gehe es darum, Kosten und Nutzen dieser Gebühr gegeneinander abzuwägen. Derzeit lasse sich daraus jedoch keine Änderung der Schrittfolge bei der geldpolitischen Wende ableiten. Anders wäre es, falls die Strafgebühr die reibungslose Umsetzung der Geldpolitik auf der Ebene der Kreditvergabe behindert würde, betonte Coeure: „Ich denke nicht, dass dies derzeit der Fall ist.“
Ob die EZB schon bald Kurskorrekturen an ihrem geldpolitischen Ausblick vornehmen wird, ließ er offen. Es sei aber wichtig, dass diese Orientierungslinie weiter im „Einklang mit den Daten“ stehe. Ihre Plausibilität hänge davon ab, dass sie bei Bedarf an die Faktenlage angepasst werde.
Die EZB hat laut Coeure mit ihrer ultralockeren Geldpolitik die klare Absicht verbunden, dass diese Impulse nach einiger Zeit in der gesamten Wirtschaft der Euro-Zone länderübergreifend ihre Wirkung entfalten: „Das erleben wir jetzt gerade“, sagte der Franzose. Die Zentralbank plant, noch bis mindestens Dezember Wertpapiere im Umfang von 60 Milliarden Euro pro Monat anzukaufen, um damit die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflationsrate nachhaltig nach oben zu treiben. An den Märkten wird darüber spekuliert, dass sie ab Januar 2018 damit beginnen wird, diese Summe abzuschmelzen und 2018 eine Abkehr von der Nullzinspolitik einzuleiten.
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Nicht der Zins ist das Problem, sondern die Staatsfinanzierung. Der Anleihenkauf muß sofort eingestellt werden. Ob Zinssatzänderungen auf die Inflation durchschlagen, wird von vielen Ökonomen inzwischen bezweifelt.