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Geldpolitik Niedrigzinsen nützen laut EZB vor allem den Armen

In einer Studie kommt die Notenbank zu dem Fazit, dass ihre Geldpolitik die Ungleichheit reduziert. Dabei betont sie die Wirkung auf den Arbeitsmarkt.
24.03.2021 - 11:05 Uhr Kommentieren
Die Notenbank kauft seit 2015 in großem Umfang vor allem Staatsanleihen der Euro-Länder. Quelle: dpa
EZB-Zentrale in Frankfurt

Die Notenbank kauft seit 2015 in großem Umfang vor allem Staatsanleihen der Euro-Länder.

(Foto: dpa)

Frankfurt Immer wieder muss die Europäische Zentralbank (EZB) sich für ihre lockere Geldpolitik rechtfertigen. Denn die Notenbank hat nicht nur die Zinsen im Euro-Raum auf ein historisches Rekordtief gesenkt, sondern seit 2015 auch für rund vier Billionen Euro Wertpapiere gekauft. Kritiker werfen ihr vor, dass ihre Politik vor allem den Reichen nütze – und so die Ungleichheit in der Gesellschaft verstärke.

In einer neuen empirischen Studie tritt die EZB diesem Vorwurf entgegen. „Die Lockerung der Geldpolitik scheint die wirtschaftliche Ungleichheit in den letzten Jahren insgesamt gedämpft zu haben“, lautet das Fazit ihrer Experten.

Die Forscher haben die Verteilungseffekte der Niedrigzinsen und der Anleihekäufe der EZB auf zwei wichtige Bereiche untersucht: die regelmäßigen Einkünfte und die Vermögen. Der wichtigste direkte Effekt ist demnach der auf die Nettozinseinkünfte der Haushalte, also der Saldo aus dem, was diese für Ersparnisse bekommen und für Kredite aufwenden.

Laut den Berechnungen der EZB-Ökonomen haben die aktuellen Niedrigzinsen die Nettozinseinkünfte armer Haushalte kaum beeinflusst. Vor allem deshalb, weil diese nur über geringe Ersparnisse verfügten, außerdem haben sie oft auch keine hohen Kredite.

Dagegen hätten Bezieher mittlerer Einkommen profitiert. Hier machte sich bemerkbar, dass sie relativ stark verschuldet sind, etwa zur Finanzierung einer Immobilie. Die oberen Einkommensschichten erlitten hingegen bei ihren Einkünften Verluste wegen der niedrigen Zinsen.

Anleihekäufe stärken die Einkommen

Außerdem gehen die EZB-Experten davon aus, dass sich die Anleihekäufe der Notenbank auch auf die Arbeitseinkommen auswirken. Die Maßnahmen stützten die Konjunktur und hätten dadurch einen positiven Effekt auf das Beschäftigungsniveau und die Löhne, heißt es.

Hiervon profitierten vor allem Menschen mit geringen Einkommen. Denn ihre Arbeitsplätze seien oft besonders anfällig für die konjunkturelle Entwicklung. Laut den Berechnungen in der Studie reduzierte sich die Arbeitslosigkeit dank der Anleihekäufe bei den untersten 20 Prozent der Einkommensverteilung um zwei Prozentpunkte. Bei den anderen Einkommensgruppen ging sie demnach um weniger als 0,5 Prozentpunkte zurück.

Wegen der geschaffenen Stellen haben laut der Studie zuvor Arbeitslose mehr verdient. Zudem stiegen auch die Löhne bei den bereits Beschäftigten stärker an. Insgesamt seien dadurch die Löhne der ärmsten 20 Prozent im Schnitt um drei Prozent höher ausgefallen, bei den anderen Einkommensgruppen um 0,5 Prozent höher.

Neben den regelmäßigen Einkünften spielt das Vermögen eine wichtige Rolle. Der wichtigste Punkt hier: Die EZB treibt mit ihren Anleihekäufen die Preise der Zinspapiere in die Höhe, die Renditen sinken umgekehrt. Das führt dazu, dass Investoren auf andere Anlageformen wie etwa Aktien oder Immobilien ausweichen – sodass dort die Preise ebenfalls steigen.

Laut den EZB-Ökonomen profitieren von steigenden Aktienkursen vor allem die Reichen. Dieser Effekt wird aber nach ihrer Analyse durch einen parallelen Anstieg der Häuserpreise ausgeglichen, der im Schnitt allen Einkommensschichten gleichermaßen nützt. Insgesamt macht der Immobilienbesitz etwa 70 bis 80 Prozent des Vermögens der Haushalte aus, daher wirkt sich die Preisentwicklung dort besonders stark auf die Vermögensverteilung aus.

Große Unterschiede zwischen den Ländern

Die EZB weist aber selbst darauf hin, dass es im Euro-Raum große Unterschiede zum Beispiel bei der Quote der Hausbesitzer und deren Einkommen gibt. In Ländern wie Finnland, Portugal und Spanien besitzen viele Angehörige der unteren Einkommensschichten Häuser. Dadurch profitieren sie von steigenden Häuserpreisen. In Österreich, Deutschland und Frankreich spielt dagegen die Miete eine größere Rolle.

Die Studie untersucht nicht, ob steigende Immobilienpreise die Mieten treiben. Während dieser Zusammenhang auf den ersten Blick offensichtlich scheint, müsste aber auch berücksichtigt werden, dass bei Immobilien wie bei den anderen Anlageformen durch die EZB-Politik die Renditen tendenziell fallen, was einen möglichen Mietanstieg bremsen sollte.

Grundsätzlich stellt sich bei Studien zu den Effekten der Geldpolitik immer ein Problem: Es gibt keine Parallelwelt, mit der sich der Status quo vergleichen lässt. In der Regel lockern die Notenbanken in wirtschaftlichen Krisen die Geldpolitik. Daher ist es schwierig, zwischen Veränderungen der Verteilung zu unterscheiden, die auf das verschlechterte wirtschaftliche Umfeld zurückzuführen sind, und Effekten, die direkt mit der Geldpolitik zu tun haben.

Mehr: Olivier Blanchard warnt: „Die Gefahr ist, ein Inflations-Monster zu wecken.“

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