Geldpolitik Norwegen hebt Leitzins über die Null-Marke

Experten hatten mit der Zinsanhebung gerechnet.
Stockholm, Istanbul, Frankfurt, New York Die norwegische Zentralbank hat am Donnerstag wie erwartet den Leitzins von bislang null Prozent auf 0,25 Prozent erhöht. Gleichzeitig stellte Zentralbankchef Øystein Olsen weitere Zinserhöhungen in Aussicht. „Die Normalisierung der Wirtschaft zeigt, dass es richtig ist, jetzt mit einer schrittweisen Normalisierung des Leitzinses zu beginnen“, erklärte er.
Damit bestätigt sich ein weltweit anlaufender Trend zu einer Straffung der Geldpolitik. Jim Reid von der Deutschen Bank kommentiert diesen Trend mit der Bemerkung, die Gefahr von Fehlgriffen durch die Notenbanken steige. Dabei sei aber offen, ob der Fehler jeweils in einer zu frühen oder einer zu späten Straffung bestehe.
Neben Norwegen haben die Zentralbanken in der Tschechischen Republik, in Südkorea und in Island die Leitzinsen bereits wieder vorsichtig angehoben. Nur die türkische Notenbank stellte sich am Donnerstag mit einer überraschenden Zinssenkung gegen den Trend.
Noch in diesem Jahr rechnet Olsen mit einer weiteren Erhöhung des wichtigsten Zinssatzes in Norwegen. Vermutlich werde die zweite Zinserhöhung im Dezember erfolgen, sagte er. Im kommenden Jahr rechnet die Zentralbank mit drei weiteren Zinserhöhungen, sodass der Leitzins Ende 2022 bei 1,25 Prozent liegen dürfte.
Die Erholung der norwegischen Wirtschaft spiegelt sich unter anderem in der gesunkenen Arbeitslosenrate wider. Lag sie Anfang dieses Jahres noch bei 4,4 Prozent, bezifferte sie das statistische Zentralamt im August auf 2,7 Prozent. Wuchs die norwegische Wirtschaft im vergangenen Jahr nur um 2,5 Prozent, rechnet die Zentralbank jetzt mit einem Plus von 3,9 Prozent.
Norwegische Wirtschaft erhöht Prognose
Damit erhöhte sie sogar leicht ihre Prognose von vor drei Monaten. Damals ging sie von einem Wachstum von 3,8 Prozent im Jahr 2021 aus. Für das kommende Jahr korrigierte sie die Wachstumsprognose um 0,4 Prozentpunkte auf 4,5 Prozent nach oben.
Im vergangenen Jahr hat die norwegische Zentralbank ihren Leitzins dreimal gesenkt. Damit feuerte sie einen bereits heißen Immobilienmarkt weiter an. Die Gefahr einer Überhitzung sieht die Zentralbank allerdings nicht. Sorgen bereiten ihr dagegen die hohen Energiepreise. Man habe die Preisentwicklung immer im Auge, erklärte Olsen. Er wollte allerdings nicht sagen, ab welchem Preisniveau die Zentralbank eingreife.
In Großbritannien hat die Bank of England am Donnerstag keine Änderung ihrer Geldpolitik beschlossen. Allerdings steigen die Erwartungen, dass es dort im kommenden Jahr schon früh zu einer Erhöhung des Leitzinses kommen könnte, der zurzeit bei 0,1 Prozent liegt.
In der Euro-Zone könnte im Dezember der Entschluss fallen, Ende März das unter dem Kürzel PEPP bekannte Anleihekaufprogramm zu beenden, das extra zu Bekämpfung der Coronakrise aufgelegt wurde. Danach würde aber ein anderes Kaufprogramm von 20 Milliarden Euro pro Monat weiterlaufen, vielleicht sogar aufgestockt.
Eine Zinserhöhung ist im Euro-Raum jedenfalls vorerst nicht zu erwarten. Der Leitzins liegt bei null Prozent, der praktisch noch wichtigere Einlagenzins bei minus 0,5 Prozent.
Zinserhöhungen für das kommende Jahr
Die US-Notebank (Fed) hat am Mittwoch eine Drosselung, auch „Tapering“ genannt, ihrer Anleihekäufe relativ deutlich angekündigt. Wenn sich die Wirtschaft weiter erholt, „dann könnte ein Tapering bald angemessen sein“. Mit diesen Worten hat Fed-Chef Jerome Powell die Investoren darauf vorbereitet, dass die Fed ihr aggressives Anleihekaufprogramm bald herunterfahren könnte, und zwar bis Mitte 2022, also relativ schnell.
Außerdem stellte die Fed mögliche Zinserhöhungen für das kommende Jahr in Aussicht. Neun der 18 Mitglieder des Ausschusses rechnen mit Zinserhöhungen im kommenden Jahr und damit früher als bisher erwartet. Der Leitzins bleibt weiter in der niedrigen Spanne von 0,0 bis 0,25 Prozent. Powell hat deutlich gemacht, dass die Frage der Zinsanhebung flexibel ist, die Investoren werden künftig vor allem auf jedes Wort zu diesem Thema achten.
Viele Beobachter gehen nun davon aus, dass die Fed bei ihrem Treffen im November ankündigen wird, dass sie die Anleihekäufe zurückfährt und im Dezember damit beginnt. „Das Tapering wird beim nächsten Treffen beschlossen“, ist auch der Georgetown-Professor und ehemalige Pimco-Ökonom Paul McCulley überzeugt.
US-Inflation zu hoch
Der Markt nahm die Ankündigungen gelassen auf. „Vielleicht ist das ein Zeichen, dass der Zeitpunkt für ein Tapering ohne Ausrasten der Märkte gekommen ist“, kommentierte Liz Young, Chefinvestmentstrategin bei Sofi. In der Pressekonferenz am Mittwoch erklärte Powell, man werde diese Entscheidung vor allem von der Inflation und von der Arbeitsmarktlage abhängig machen. Zuletzt war die Inflation stärker gestiegen, als es die Fed erwartet hatte.
Das lag vor allem an den Lieferengpässen bei Chips und war Folge der Coronakrise. Waren und Dienstleistungen kosteten im August 5,3 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Die Notenbank geht in ihrer neuen Prognose davon aus, dass die Inflation dieses Jahr auf einen Wert von 4,2 Prozent steigen wird – das wäre mehr als doppelt so hoch wie von der Fed angestrebt.
Dennoch hält die Zentralbank an ihrer Einschätzung fest, dass es sich bei der Inflation um ein vorübergehendes Phänomen handelt, und fühlt sich dabei von den jüngsten Inflationszahlen bestätigt. „Bei der Inflation haben wir einen deutlichen Fortschritt erreicht“, sagte Powell. Beim Arbeitsmarkt „meinen einige von uns, dass das Ziel bereits erfüllt ist. Andere glauben, es dauert noch etwas“, erklärte er.
Das ehemalige Fed-Board-Mitglied Robert Heller sieht die Inflation weniger entspannt als Powell. „Da kommt noch mehr“, sagte der deutschstämmige Ökonom. Die Probleme mit den Lieferketten in China und die steigenden Löhne werden die Preise weiter nach oben treiben. Zinserhöhungen seien irgendwann unausweichlich, glaubt Heller daher.
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