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Geldpolitik Türkische Notenbank hält Zins stabil – und hofft auf bessere Zeiten

Die Inflationsrate in der Türkei steigt weiter. Die Zentralbank will dagegen ankämpfen – wenn da nicht der Staatschef wäre. Aber auch die Konsumenten machen Druck.
12.08.2021 - 16:21 Uhr Kommentieren
Wie die türkische Wirtschaftspolitik die Gesellschaft weiter spaltet Quelle: AP
Wechselstube in der Türkei

Entgegen den Behauptungen von Staatspräsident Erdogan wird sich der Anstieg der Verbraucherpreise voraussichtlich fortsetzen.

(Foto: AP)

Istanbul Die türkische Zentralbank hat wie erwartet zum wiederholten Mal den Leitzins stabil gehalten. Er bleibe bei 19 Prozent teilte die Notenbank am Donnerstag in Ankara mit.

Die sich verschlechternden Inflationsaussichten lassen dem Gouverneur Sahap Kavcioglu wenig Optionen offen. Denn der Gegenwind wird immer größer: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wünscht sich, wie er klar formulierte, niedrigere Zinsen. Und ein wachsender Teil der Bevölkerung schließt sich dem an. So fährt Gouverneur Kavcioglu eine Doppelstrategie: Die Notenbanker senken derzeit nicht die Zinsen, stellen dies aber immer wieder in Aussicht.

Ihre Entscheidung, den Leitzins stabil zu halten, erläuterten die Gouverneure der Zentralbank ausführlich. Sie führten an, dass die rasche Erholung der weltweiten Nachfrage, der hohe Rohstoffpreisverlauf, Angebotsengpässe in einigen Sektoren und der Anstieg der Transportkosten die Erzeuger- und Verbraucherpreise im internationalen Maßstab hätten steigen lassen.

Zudem spielten die negativen Auswirkungen der klimatischen Bedingungen in den wichtigsten Agrarrohstoffexportländern auf die weltweiten Nahrungsmittelpreise eine Rolle, genau wie die Auswirkungen der steigenden globalen Inflation.

Aber auch die hohen Importpreise sowie die wirtschaftliche Erholung im eigenen Land nach dem Ende des Corona-Lockdowns würden die Preise treiben. „Die CBRT wird im Einklang mit ihrem Hauptziel der Preisstabilität weiterhin alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente entschlossen einsetzen“, beteuerten sie.

Nach Erdogan-Aussagen: Türkische Lira verliert zwei Prozent

Staatschef Erdogan hatte erst in der vergangenen Woche seine Forderung nach niedrigeren Zinsen wiederholt. In der Folge fiel die türkische Lira um mehr als zwei Prozent, was die Verluste seit Kavcioglus Ernennung im März auf mehr als 16 Prozent anhäuft. Damit hat die türkische Lira die schlechteste Performance unter den von Bloomberg verfolgten Schwellenmarkt-Währungen.

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Nach Ansicht der Bloomberg-Finanzexperten müsste Kavcioglu, um die von Erdogan angestrebte Zinssenkung durchzusetzen, entweder seiner Forward Guidance widersprechen oder auf eine Abkühlung der Kursgewinne warten.

Die jüngste Abwertung deutet jedoch darauf hin, dass jede Änderung der geldpolitischen Aussichten die relative Stabilität der Lira seit Juni beeinträchtigen könnte.

„Wir gehen davon aus, dass die Verbraucherinflation um 19 Prozent erhöht bleiben wird“, sagte der Deutsche-Bank-Ökonom Fatih Akcelik. „Wir haben unsere Erwartung für den Beginn des Lockerungszyklus von Oktober auf November verschoben. Wir erwarten in jedem dieser Monate Kürzungen um 50 Basispunkte“, fügte er hinzu.

„Für eine Zinssenkung ist absolut kein Platz“, bestätigt auch Selva Demiralp, Wirtschaftsprofessorin an der Istanbuler Koc-Universität. „Davon abgesehen besteht seit Langem eine chronische Kluft zwischen dem, was die Zentralbank tun sollte, und dem, was sie jetzt tun wird.“

Die sich ändernde Stimmung in den Industrieländern und die Erwartungen einer Straffung der Geldpolitik würden die Lira weiter unter Druck setzen.

Türkische Zentralbank hofft auf Rückgang der Inflation

Die türkische Zentralbank hat in ihrem jüngsten Quartalsbericht vom 29. Juli ihre Inflationserwartungen angehoben, prognostiziert jedoch für das Schlussquartal einen deutlichen Rückgang des Preiswachstums.

Die Bank hofft auf eine Inflation bis Jahresende in Höhe von 14,1 Prozent. Laut der internationalen Ratingagentur Fitch wird die bereits hohe „Dollarisierungsrate“ in der Türkei getrieben durch die dramatische Abwertung der Lira seit 2018.

Die im November 2002 an die Macht gekommene AKP genoss bis 2013 sowohl binnen- als auch außenwirtschaftlichen Rückenwind, was ihr half, die Inflation niedrig zu halten und das Wirtschaftswachstum beizubehalten. Infolgedessen konnte sie ihre Unterstützung in der Bevölkerung leicht aufrechterhalten und sogar steigern, um aufeinanderfolgende Wahlen zu gewinnen.

Nach 2013 hat sich das Blatt gewendet. Vor allem begann der reichliche Fluss von ausländischem Kapital in die Türkei zu sinken, die Inflation zog an, und die Wachstumsrate der Wirtschaft ging zurück. Das macht es deutlich schwieriger, die Wähler zufriedenzustellen.

Kaufen auf Pump: Türkische Konsumenten mögen Kredite

„Für Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) ist die richtige Wirtschaftspolitik diejenige, die ihren Wählerzuspruch nicht untergräbt“, schließt der türkische Journalist Mustafa Sönmez aus der derzeit brenzlichen Lage. Man muss dazu sagen, dass wahrscheinlich keine Regierung auf der Welt eine Politik durchsetzen würde, die ihren eigenen Wählerinnen und Wählern nicht passt.

Welche Geldpolitik wollen aber türkische Unternehmerinnen, Konsumenten und Sparerinnen? Es ist kein Geheimnis, dass Türken häufig auf Pump kaufen, der Binnenkonsum hoch ist und türkische Banken wiederum hervorragend mit Eigenkapital ausgestattet sind. Sparen gehört nicht zu den Stärken des Landes. Anders gesagt: Es spricht grundsätzlich erst einmal nichts dagegen, die Zinsen niedrig halten zu wollen.

Zwei Umstände sind allerdings hinderlich: Zum einen sind da die ansteigenden Zinsen im US-Anleihemarkt. Sie machen es für internationale Investoren, etwa Pensionsfonds, leicht, ihr Geld in die Vereinigten Staaten zu transferieren. Das ist allemal sicherer, als das Geld in einem instabilen Schwellenland zu parken.

Türkei ist kein Liebling ausländischer Investoren

Ein weiterer Grund: Die Türkei wird zu häufig von Krisen und Schocks getroffen – ein Teil davon hausgemacht. Wer nicht nur mit einem Bürgerkrieg im Nachbarland leben muss, sondern auch mit einem autoritärem Regierungsstil von sich reden macht, gehört nicht zu den Lieblingen in den Investment-Abteilungen von Allianz, Blackrock und Co.

So wird sich entgegen den Behauptungen von Staatspräsident Erdogan der Anstieg der Verbraucherpreise im August voraussichtlich fortsetzen, befeuert von der vorherrschenden Nahrungsmittelknappheit aufgrund von Dürren und Waldbränden und der hohen Produzenteninflation in Höhe von 45 Prozent.

Viele sorgen sich nun, dass Erdogan trotz des düsteren Trends die Inflation herunterspielt und die Zentralbank zu Zinssenkungen zwingt.

Mehr: Die türkische Inflation kann auch Deutschland treffen

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