Geldpolitik Vor der Sitzung der US-Notenbank: Reduziert die Fed ihre Anleihekäufe in diesem Jahr?
Denver

Der US-Notenbankchef wählt seine Worte stets mit Bedacht – umso mehr in der aktuellen Situation.
Die amerikanische Wirtschaft startet durch. Es gab zuletzt starke Zahlen vom Arbeitsmarkt, der Einzelhandel profitiert von den Stimulusschecks. Die Häuserpreise sind so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Für Jerome Powell macht das die Arbeit nicht unbedingt leichter. Denn je besser die wirtschaftliche Lage, desto größer wird der Druck auf den Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), Details über den künftigen geldpolitischen Kurs preiszugeben.
Bei der Sitzung an diesem Mittwoch werden keine großen Sprünge erwartet. Marktbeobachter gehen davon aus, dass die Fed den Leitzins weiter bei null lassen wird. Auch die Anleihekäufe werden weitergeführt. Investoren und Ökonomen interessieren sich daher vor allem für Nuancen in Powells Blick auf die wirtschaftliche Lage.
Eine ganze Reihe von Ökonomen geht davon aus, dass die Fed ihre Anleihekäufe noch in diesem Jahr reduzieren könnte, wie eine Umfrage des Finanzdienstleisters Bloomberg zeigt. Das wäre früher als ursprünglich erwartet, würde jedoch den starken Aufschwung widerspiegeln, der für die kommenden Monate erwartet wird.
Die Fed will größtmögliche Flexibilität
Derzeit kauft die Fed jeden Monat Staatspapiere und mit Hypotheken besicherte Anleihen, sogenannte Mortgage Backed Securities (MBS), im Wert von insgesamt 120 Milliarden Dollar. Powell hat bereits bei der letzten Pressekonferenz im März betont, dass er die Märkte deutlich im Voraus auf Veränderungen in der Geldpolitik aufmerksam machen will. Auch wolle er „weitere, substanzielle Fortschritte“ auf dem Weg zur Vollbeschäftigung und mit Blick auf die Inflationsrate sehen, statt sich nur auf rosige Vorhersagen zu verlassen, stellte er klar.
Wie dieser Fortschritt genau definiert wird, dazu bleiben die Währungshüter bewusst vage, um sich möglichst viele Möglichkeiten offenzuhalten. Das führt an den Märkten jedoch zu allerlei Spekulationen. Die meisten Ökonomen rechnen laut Bloomberg mit einer Reduzierung der Anleihekäufe, wenn die Arbeitslosenquote auf 4,5 Prozent fällt und die Inflation auf 2,1 Prozent steigt.
Die Renditen auf zehnjährige US-Staatsanleihen sind in diesem Jahr deutlich schneller gestiegen als erwartet. Die Fed signalisierte jedoch, dass sie sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen will. Bis sich die wirtschaftliche Lage deutlich verbessere, werde es „einiges an Zeit“ brauchen, wie aus den Sitzungsprotokollen aus dem Monat März hervorgeht.
Powell hatte im vergangenen Sommer eine neue Inflationsstrategie ausgegeben. Demnach ist die Fed bereit, eine Inflationsrate von über zwei Prozent für eine gewisse Zeit zuzulassen. Powell hat die derzeitigen Preissteigerungen als „vorübergehende Effekte“ bezeichnet.
Nicht alle stimmen seiner Einschätzung zu. So warf Starinvestor Jeffrey Gundlach den Notenbankern am Dienstag vor, sie würden „nur raten“. Angesichts der hohen Stützungsmaßnahmen der Fed und der gestiegenen Rohstoffpreise könnte die Inflation durchaus auch längerfristig steigen, sagte er im Interview mit Bloomberg TV.
Bidens Infrastrukturpaket könnte Zinswende beschleunigen
Ökonomen von Goldman Sachs gehen davon aus, dass die Fed in der zweiten Jahreshälfte erste Anzeichen für einen Strategieschwenk geben wird und dann Anfang 2022 damit beginnt, die Anleihekäufe zurückzufahren. Sie erwarten, dass die Notenbank dann in jeder der acht Sitzungen im Jahr die Anleihekäufe um 15 Milliarden Dollar reduzieren wird.
Damit würde es genau ein Jahr dauern, um diese Stützung der Finanzmärkte komplett zu beenden. „Danach glauben wir, dass die Notenbank eine Pause von einem oder idealerweise zwei Quartalen einlegen wird, um die Auswirkungen zu beobachten“, schreiben die Goldman-Ökonomen in einer Analyse. „Damit wäre eine Anhebung der Zinsen Mitte 2023 ein Thema.“
Die Währungshüter müssen in ihrer Planung auch fiskalpolitische Maßnahmen berücksichtigen, die US-Präsident Joe Biden plant. Der Demokrat fordert ein gut zwei Billionen Dollar schweres Infrastrukturpaket, über das derzeit in Washington heftig debattiert wird.
Sollte Biden die nötigen Mehrheiten dafür bekommen, würden die Investitionen die Wirtschaft noch einmal deutlich beflügeln. „Die Fed könnte die Zinsen früher anheben, falls ein großes Infrastrukturpaket verabschiedet wird“, gibt der unabhängige Ökonom Joel Naroff zu bedenken. So würde die Wirtschaft nicht überhitzt. „Dennoch wäre solides Wachstum sichergestellt, ohne dass die Zinsen bei null bleiben müssen.“
Mehr: Inflationsraten bis drei Prozent: Ökonomen erwarten temporären Preisschub in diesem Jahr
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