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Geldpolitik Warum die Schwellenländer ihre Leitzinsen so deutlich erhöhen – und wo die Risiken liegen

Brasilien hebt den Leitzins zum sechsten Mal in diesem Jahr, in Russland sieht es ähnlich aus. Die Schwellenländer stehen aus mehreren Gründen geldpolitisch unter Druck.
28.10.2021 - 16:02 Uhr Kommentieren
Die Inflation in Brasilien könnte in diesem Jahr über sieben Prozent erreichen. Quelle: imago stock&people
São Paulo, Brasilien

Die Inflation in Brasilien könnte in diesem Jahr über sieben Prozent erreichen.

(Foto: imago stock&people)

Frankfurt Brasiliens Notenbank gehört derzeit zu den aktivsten auf der Welt. Bereits zum sechsten Mal in diesem Jahr erhöhte sie am Mittwoch den Leitzins von 6,25 auf 7,75 Prozent. Die Anhebung um 150 Basispunkte ist die stärkste dort seit fast 20 Jahren.

Auch andere Schwellenländer haben die Geldpolitik in diesem Jahr bereits erheblich gestrafft. In der vergangenen Woche erhöhte Russland zum sechsten Mal in diesem Jahr den Leitzins auf 7,5 Prozent, und in Mexiko liegt er nach vier Erhöhungen bei 4,75 Prozent. All diese Länder haben längst hinter sich, was Europa und den USA noch bevorsteht: Die Wende in der Geldpolitik. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed ringen noch darum, wann sie ihre massiven Anleihekäufe herunterfahren, bevor überhaupt an Zinserhöhungen zu denken ist.

„Der Zinserhöhungszyklus in den Schwellenländern ist in vollem Gange“, kommentierte der Chefvolkswirt des Internationalen Bankenverbands (IIF), Robin Brooks, die Zinserhöhung in Brasilien auf Twitter.

Die Vorreiterposition der Schwellenländer hat mehrere Gründe. Eine wichtige Rolle spielt die Inflation, die dort noch stärker gestiegen ist als in den entwickelten Volkswirtschaften.

Für Brasilien beispielsweise erwartet die Commerzbank in diesem Jahr eine Inflationsrate von 7,5 Prozent. Der IIF geht davon aus, dass die Inflation in den meisten Schwellenländern gegen Ende 2021 oder Anfang 2022 ihren Höchststand erreichen wird. Und er prognostiziert weitere Zinserhöhungen.

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Ähnlich sieht das auch Klaus-Jürgen Gern, Schwellenländerexperte am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). „Ich sehe bei den Zinsen in vielen Schwellenländern noch Raum nach oben – vor allem dort, wo die Notenbanken bisher noch nicht so stark reagiert haben.“

Geringere Reputation der Notenbanken

Die Geldpolitiker in diesen Ländern sind aus seiner Sicht in einer besonders schwierigen Situation, weil dort die Erfahrungen mit hoher Inflation noch nicht so lange zurückliegen. „Die Reputation vieler Notenbanken in den Schwellenländern ist geringer als die der EZB oder der US-Notenbank Fed, die über sehr lange Zeit bewiesen haben, dass sie die Inflation gering halten können. Daher müssen sie eher handeln“, meint er.

Ein weiterer Grund für die frühen Zinserhöhungen ist das absehbare Auslaufen der Anleihekäufe in den USA (Tapering). Analysten erwarten, dass die US-Notenbank Fed noch in diesem Jahr mit der Reduktion beginnt. Es gibt die Sorge vor einer Wiederholung des sogenannten Taper Tantrums.

Als der damalige Chef der US-Notenbank Fed, Ben Bernanke, im Jahr 2013 eine frühere Reduktion von Anleihekäufen in den USA in Aussicht stellte, löste er heftige Reaktionen an den Märkten aus – unter denen vor allem die Schwellenländer litten. Damals zogen viele US-Investoren kurzfristig Kapital von dort ab und brachten es in die Heimat. Frühzeitige Zinserhöhungen sollen das dieses Mal verhindern.

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Allerdings dürfte die Straffung der Geldpolitik nicht nur die Inflation bremsen, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung. Außerdem treibt sie die Finanzierungskosten der Staaten in die Höhe. Dabei haben viele Schwellenländer wirtschaftlich noch nicht das Niveau von vor der Pandemie erreicht.

„Nach unseren Berechnungen hatte die Pandemie nicht nur überdurchschnittliche Auswirkungen auf Schwellenländer im Vergleich zu den entwickelten Volkswirtschaften, die Auswirkungen werden dort auch länger anhalten“, schreibt die US-Großbank JP Morgan in einer aktuellen Analyse.

Sie sieht einzelne Länder in einer besonders schwierigen Situation, wie zum Beispiel Brasilien. Dort habe die Regierung die Wirtschaft in der Krise mit hohen Staatsausgaben gestützt. Dies habe aber die Währung geschwächt und die Inflation nach oben getrieben. Nun gibt es Sorgen um die Tragfähigkeit der Schulden.

Erholung von der Krise in Schwellenländern erst später

In anderen Ländern wie Mexiko, Indonesien oder Indien hielt sich der Staat dagegen in der Krise finanziell zurück, wodurch sich aber die Erholung der Wirtschaft länger hinzieht. „Einige Schwellenländer standen schon vor der Krise nicht solide da. Zum Beispiel die sogenannten „fragilen Fünf“, also die Türkei, Brasilien, Indonesien, Südafrika und Indien“, sagt IfW-Ökonom Klaus-Jürgen Gern.

Er sieht die Straffung der Geldpolitik in den USA als größte Herausforderung für die Schwellenländer. Auf die geplante Reduktion der Anleihekäufe in den USA haben die Märkte zwar bisher relativ gelassen reagiert. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass dies auch so bleiben wird, wenn die Fed den Schritt in der nächsten Woche tatsächlich ankündigt.

Aus Sicht von Gern bedeutet das aber keine Entwarnung, denn nach dem angestrebten Ende der Anleihekäufe Mitte 2022 dürften weitere Schritte folgen. „Der große Lackmustest für die Schwellenländer kommt, wenn die Fed die Zinsen anhebt.“

Mehr: Wie Anleger in Schwellenländer-Anleihen investieren können

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