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Interview mit Pablo Hernández de Cos Spaniens Notenbank will, dass sich Europas Staaten Coronarisiken teilen

Der Chef der spanischen Notenbank hält in der Coronakrise flexiblere Grenzen für den Kauf von Staatsanleihen für möglich. Auch für eine weitere Zinssenkungen der EZB ist er offen.
25.03.2020 - 18:07 Uhr Kommentieren
Spaniens Notenbankchef mahnt die Banken zu einer umsichtigen Dividenden-Politik.
Pablo Hernandez de Cos

Spaniens Notenbankchef mahnt die Banken zu einer umsichtigen Dividenden-Politik.

Madrid Der spanische Notenbankchef Pablo Hernández de Cos fordert weitreichende Stützungsaktionen der Europartner in der Coronakrise, die er als „in der modernen Geschichte beispiellos“ bezeichnet. „Deshalb ist eine ehrgeizige und koordinierte Antwort auf europäischer Ebene erforderlich. Die Ausgabe von Eurobonds ist eine Möglichkeit, diese europäische Antwort zu geben. Wenn nicht jetzt, wann dann?“, sagte er dem Handelsblatt.

„Ich halte es sowohl aus Gründen der Solidarität als auch der Effizienz für zwingend, dass wir die Haushaltsrisiken der Mitgliedstaaten, die sich aus der Coronakrise ergeben, unter den europäischen Partnern teilen“, sagte Hernández de Cos.

Spaniens Zentralbankchef zeigt sich auch offen dafür, dass die EZB die selbst gesteckten Grenzen für Anleihekäufe anhebt. Bislang darf sie nicht mehr als ein Drittel der ausstehenden Anleihen eines Landes kaufen. „Diese Grenzen hat die Währungsbehörde sich selbst auferlegt und sollten überprüft werden, wenn sie es der EZB erschweren, ihr Mandat zu erfüllen“, sagte er.

Auch eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank schließt er nicht aus. Bisher hat die EZB davon abgesehen. „Unsere Entscheidungen basieren auf Prognosen, die in dieser Krise mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet sind. Die Folgen der Krise sind zeitlich begrenzt“, sagte Hernández de Cos. „Vor diesem Hintergrund erscheinen uns die jetzt getroffenen Maßnahmen am wirksamsten. Trotzdem halten wir uns im EZB-Rat die Option offen, die Zinsen zu senken, sollte es notwendig sein.“

Lesen Sie hier das vollständige Interview:

Herr Hernández de Cos, viele Ökonomen erwarten 2020 wegen der Coronakrise einen Einbruch der Wirtschaftsleistung von mehr als sechs Prozent, manche reden sogar von bis zu 20 Prozent. Glauben Sie, dass die Krise gefährlicher ist als die Finanzkrise?
Die Auswirkungen dieser Krise werden in der Tat kurzfristig gravierend sein. Obwohl es meines Erachtens noch zu früh ist, das genaue Ausmaß der Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt einzuschätzen. Natürlich ist die Gefahr real, dass das gesamte Euro-Gebiet vorübergehend in eine Rezession abrutscht – durchaus auch vergleichbar mit dem Einbruch des Jahres 2009. Noch aber besteht die Hoffnung, dass die Krise nicht so lange anhält wie damals. Gerade deshalb brauchen wir jetzt zwingend starke und koordinierte wirtschaftspolitische Maßnahmen.

Spanien gehört mit seiner hohen Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit neben Italien zu den gefährdeten Staaten. Wie schlimm wird 2020?
Die Verschuldung des privaten Sektors in Spanien ist nicht mehr besonders hoch; sie liegt ungefähr beim Durchschnitt der Euro-Zone. Es stimmt, dass Spanien die zuletzt guten Jahre nicht genutzt hat, um die Staatsverschuldung zu verringern. Jetzt kommt es vor allem darauf an sicherzustellen, dass alle öffentlichen und privaten Akteure komfortable Finanzierungsbedingungen vorfinden – nicht nur in Spanien, sondern im gesamten Euro-Raum. Wenn diese Krise überwunden ist, sollten wir auf den Pfad der Haushaltskonsolidierung zurückkehren.

Spanien hat ein riesiges Hilfsprogramm über 200 Milliarden Euro geschnürt, das entspricht 20 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ein Großteil davon sind Kreditgarantien. Droht dem Land der Staatsbankrott, wenn die tatsächlich in Anspruch genommen werden?
Wie ich bereits sagte, brauchen wir jetzt ein schnelles, energisches und koordiniertes Vorgehen der verschiedenen wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger, um die Krise zu überwinden. Die Finanzkrise hat uns eines gelehrt, was auch in dieser Krise von großem Wert sein kann: Wenn wir dem Privatsektor die Finanzierung erschweren, verschärfen wir die Krise und stehen am Ende mit noch höheren Staatsschulden da.

Was meinen Sie konkret? Sehen Sie die Zeit für Euro-Bonds, also eine gemeinsame Schuldenaufnahme, gekommen?
Diese Krise betrifft alle Länder der Euro-Zone. Es ist Zeit für Solidarität und Effizienz bei der Nutzung der EU-Ressourcen, von denen es viele gibt, und deshalb ist eine ehrgeizige und koordinierte Antwort auf europäischer Ebene erforderlich. Die Ausgabe von Euro-Bonds ist eine Möglichkeit, diese europäische Antwort zu geben. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die EZB hat diese Woche neue, umfangreiche Maßnahmen beschlossen. Reicht das nicht erst einmal, um die Märkte zu beruhigen und auch die Refinanzierungsbedingungen für die südlichen Länder zu verbessern?
Die Reaktion der Märkte nach der Ankündigung des neuen Kaufprogramms war positiv, und in den Tagen nach der Ankündigung konnte man erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen der Euro-Volkswirtschaften sehen, die bisher noch stärker unter dem Virus leiden. Wir sind jedoch bereit, den Umfang oder die Dauer unserer Ankäufe der EZB zu erhöhen und ihre Zusammensetzung gegebenenfalls anzupassen.

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In der Bundesregierung gibt es Bedenken, dass ein Hilfsantrag beim ESM die Märkte in Panik versetzen könnte. Teilen Sie diese Meinung?
Was noch mehr Panik auslösen könnte, wäre die Untätigkeit der europäischen Institutionen. Tatsache ist, dass der ESM über eine breite Palette von Instrumenten verfügt. Einige sind für den Fall gedacht, dass Mitgliedsländer den Marktzugang zu verlieren drohen. Darüber hinaus verfügt die Europäische Union über ergänzende Instrumente, etwa die Europäische Investitionsbank, die Garantien und Bürgschaften für Kreditprogramme übernimmt.

Noch gibt es die Hoffnung, dass die Krisenkurve wie ein V verläuft, dass also auf den Einbruch eine schnelle Erholung folgt. Glauben Sie daran?
Voraussetzung ist, dass die Wirtschaftspolitik eine entscheidende Rolle spielt. Sie muss verhindern, dass dieser kurzfristige Schock Unternehmen und Arbeitsplätze zerstört. Die derzeitige Lage ist in der modernen Geschichte beispiellos. Die Geldpolitik hat bereits reagiert, und wir begrüßen auch die nationalen Konjunkturpakete. Diese Maßnahmen müssen auch auf europäischer Ebene durch entschlossene Maßnahmen begleitet werden. Ich halte es sowohl aus Gründen der Solidarität als auch der Effizienz für zwingend, dass wir die Haushaltsrisiken der Mitgliedstaaten, die sich aus der Coronakrise ergeben, unter den europäischen Partnern teilen.

Mit dem OMT-Programm (Outright Monetary Transaction) kann die EZB selektiv Anleihen einzelner Euro-Länder kaufen. Wäre dieses Programm nicht der sauberste Weg, um einzelnen Ländern zu helfen, wenn sie auf Probleme am Anleihemarkt stoßen?
Die Coronavirus-Krise ist weder ein lokaler Schock in zwei oder drei Ländern der Region, noch hat sie ihren Ursprung in früheren makroökonomischen Ungleichgewichten. Es handelt sich um einen globalen Gesundheitsschock, der im Falle der Euro-Zone Maßnahmen in allen Bereichen der Wirtschaftspolitik, einschließlich der Geldpolitik der EZB, erfordert. Das OMT-Programm wurde für einzelne Staaten geschaffen, die wegen ihrer makroökonomischen Ungleichgewichte keinen Marktzugang haben. Diese Situation ist komplett anders. In jedem Fall bleibt das OMT-Programm ein wesentliches Element unserer möglichen Instrumente.

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Bei ihren jüngsten Entscheidungen hat die EZB auch Flexibilität hinsichtlich ihrer selbst gesteckten Grenzen für die Anleihekäufe signalisiert. Eigentlich darf sie nicht mehr als ein Drittel der ausstehenden Anleihen eines Landes kaufen. Diese Grenzen sind für manche Länder fast erreicht. Sollten sie angehoben werden?
Diese Grenzen hat die Währungsbehörde sich selbst auferlegt und sollten überprüft werden, wenn sie es der EZB erschweren, ihr Mandat zu erfüllen.

Während andere Zentralbanken in der Coronakrise die Zinsen massiv gesenkt haben, hat die EZB von diesem Schritt abgesehen. Einige Ökonomen sagen, dass eine weitere Senkung der Zinssätze in der Euro-Zone mehr schaden als nützen würde. Teilen Sie diese Ansicht?
Unsere Entscheidungen basieren auf Prognosen, die in dieser Krise mit einem hohen Maß an Unsicherheit behaftet sind. Die Folgen der Krise sind zeitlich begrenzt. Vor diesem Hintergrund erscheinen uns die jetzt getroffenen Maßnahmen am wirksamsten. Trotzdem halten wir uns im EZB-Rat die Option offen, die Zinsen zu senken, sollte es notwendig sein.

Wie schätzen Sie die Stabilität des Bankensystems ein. Erwarten Sie hier Schieflagen?
Sicherlich werden einige der Kunden der Banken in dieser Krise in Schwierigkeiten geraten, ihre Kredite zu bedienen. Aber insgesamt verfügen Europas Banken über Kapitalpuffer und sind in der Lage, diese Kredite zu refinanzieren. Stabilisierend wirken auch die nationalen Hilfspakete mit staatlichen Garantien und Bürgschaften sowie die neuen aufsichtsrechtlichen Reformen der EZB in den vergangenen Wochen.

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Glauben Sie, dass diese Krise das Verhältnis zwischen dem Staat und den Notenbanken verändern könnte?
Ich denke, es ist noch zu früh für eine Bilanz und die richtigen Lehren aus dieser Krise. Wir sind noch zu sehr damit beschäftigt, den Schock zu bewältigen, statt uns auf die langfristige Perspektive zu konzentrieren. Aber diese Erfahrung sollte uns dazu bringen, gründlich zu überlegen, welche Rolle unsere Institutionen – natürlich auch die Zentralbanken – spielen sollten, um unseren Bürgern am besten zu dienen. Fest steht, dass wir unsere gemeinsamen europäischen Institutionen stärken müssen. Und auch auf globaler Ebene brauchen wir mehr Koordination und Kooperation.

Bedeutet der Schock des Coronavirus, dass die Weltwirtschaft vor einem Wendepunkt steht? Gibt es so etwas wie eine neue Fragilität?
Das Coronavirus kennt keine Grenzen und ist ein Problem für alle, nicht nur für die Südeuropäer. Nur wenn wir gemeinsam handeln, kommen wir aus dieser Situation wieder heraus. Das gilt nicht nur für die Geld- und Fiskalpolitik, sondern auch für andere Bereiche wie die Gesundheitsvorsorge.
Herr Hernández de Cos, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Ex-IWF-Chefökonom zur Krisenfinanzierung: „Ich glaube, dass Italien das schaffen kann“.

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