Jens Weidmann Bundesbank-Präsident fordert standhafte Geldpolitik nach der Coronakrise

Beim jüngsten Anstieg der Renditen für Euro-Staatsanleihen sieht Jens Weidmann keinen Handlungsbedarf für die EZB.
Frankfurt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fordert nach Überwindung der Corona-Pandemie eine standhafte Geldpolitik im Euro-Raum. Die Notfallmaßnahmen der EZB dürften kein Dauerzustand werden, sagte Weidmann am Mittwochabend auf einer virtuellen Veranstaltung des Internationalen Clubs Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (ICFW). „Sie müssen eng an die Krise gebunden bleiben und nach der Pandemie auch beendet werden,“ sagte er.
Sollten es die Preisaussichten erfordern müsse der EZB-Rat die sehr expansive Geldpolitik insgesamt zurückfahren. „Dann darf es nicht an Entschlossenheit fehlen, auch wenn mit den Zinsen dann die Finanzierungskosten der Staaten steigen“, sagte Weidmann.
Beim jüngsten Anstieg der Renditen für Euro-Staatsanleihen sieht Weidmann keinen Handlungsbedarf für die EZB. Seiner Einschätzung nach ist die Entwicklung vor allem von einer Verbesserung des Wirtschaftsausblicks in den USA getrieben. „Nicht jeder Anstieg der Zinsen auf den Kapitalmärkten ist geldpolitisch ein Problem“, sagte der Bundesbank-Präsident. Die Finanzierungskosten seien immer noch auf einem „historisch niedrigen Niveau“.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zur Bekämpfung der Pandemie-Folgen umfangreiche Hilfspakete aufgelegt. Dazu zählen sehr günstige längerfristige Kreditspritzen für Banken sowie ein PEPP getauftes Notfall-Anleihenkaufprogramm, dessen Kaufrahmen inzwischen auf 1,85 Billionen Euro angelegt ist.
Erst jüngst beschloss die EZB, das Tempo der Käufe zu erhöhen. So soll eine Verschärfung der Finanzierungsbedingungen vermieden werden. „Damit nutzt der EZB-Rat die Flexibilität, die das PEPP bietet“, sagte Weidmann. Seit Jahresbeginn waren die Staatsanleihe-Renditen zum Teil deutlich gestiegen, an denen sich Banken bei der Festlegung ihrer Kreditkonditionen orientieren.
Corona-Welle könnte Konjunkturerholung bremsen
Die Welle von Corona-Infektionen könnte nach seiner Einschätzung die erst vor drei Wochen vorgelegten Konjunkturprognosen der EZB zur Makulatur machen. „Aufgrund der aktuell stark steigenden Infektionszahlen könnte es bis zur Lockerung der Schutzmaßnahmen länger dauern als in der März-Prognose angenommen. Entsprechend würde sich auch die Erholung der Wirtschaft verzögern“, sagte Weidmann. „Womöglich wäre in diesem Fall die Prognose der BIP-Wachstumsrate für den Euroraum im Jahr 2021 nicht mehr zu halten.“
Die Europäische Zentralbank (EZB) geht in ihrem jüngsten Basisszenario von einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Euroraum von 4,0 Prozent im laufenden Jahr aus. 2020 war die Wirtschaftsleistung im gemeinsamen Währungsraum der 19 Staaten um 6,6 Prozent geschrumpft und damit so stark wie nie.
Auch wenn die Wirtschaft langsamer Fahrt aufnehmen sollte, könnte die Preisentwicklung stärker als erwartet ausfallen, führte Weidmann aus. Rohstoffpreise etwa hätten angezogen, was für „Aufwärtsrisiken für den Inflationsausblick“ sorge. Seit Jahresbeginn sind die Ölpreise stark gestiegen, zudem verteuerten sich Industriemetalle. „Wenn die Unternehmen die höheren Kosten an ihre Kunden weitergeben, könnte sich dies später auch auf der Stufe der Verbraucherpreise auswirken.“
EU sollte Konjunkturprogramm nach US-Art meiden
Das massive US-Konjunkturprogramm sollte laut Weidmann kein Vorbild für den Kontinent sein. Fehlende budgetäre Mittel seien nicht das Hindernis für Europas wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie.
Der Bundesbanker sagte, er sei „optimistisch“, dass die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union den 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds ratifizieren werden. Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst diese Ratifizierung vorläufig blockiert, da es über eine Klage gegen das Programm berät.
Das Programm sollte laut Weidmann aber nicht mit dem des neuen US-Präsidenten Joe Biden verglichen werden, der ein Notprogramm über 1,9 Billionen Dollar (1,6 Milliarden Euro) bereits durchgesetzt und nun ein erstes längerfristiges über 2,25 Billionen Dollar nachgereicht hat.
„Der Vergleich zu den USA kann aus meiner Sicht nicht als Referenz dienen,“ sagte Weidmann und fügte hinzu, das US-Programm werde den Auslastungsgrad der Wirtschaft weit über die normale Auslastung hinaus anheben. „Wir müssen Antworten finden, die auf unsere Situation zugeschnitten sind“, so Weidmann. „Ich glaube nicht, dass das Volumen unserer Mittel eine bedeutende Begrenzung darstellt.“
Weidmann wies darauf hin, dass die deutschen Verfassungsrichter, die nun das Verfahren zum Wiederaufbaufonds führen, frühere Fälle rasch abgewickelt haben. Ähnlich hatte sich auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde geäußert.
„Es ist jetzt nicht so ungewöhnlich, dass sich das Bundesverfassungsgericht in Deutschland mit solchen Fragen befasst,“ so Weidmann. „Und in der Vergangenheit war es ja auch so – ohne dass ich jetzt den Zeitplan prognostizieren wollen würde – dass das Verfassungsgericht die Zeitpläne sehr verantwortungsvoll gestaltet hat und dort auch die Auswirkungen im Blick hatte.“
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