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Leserabend „Wohin treibt uns die EZB?“ Experten zweifeln am geldpolitischen Kurs der EZB

Ökonomen haben mit Lesern des Handelsblatts über den Kurs der EZB diskutiert. Dabei dominierte die Kritik an der ultralockeren Geldpolitik der Notenbank.
18.02.2020 - 18:11 Uhr 1 Kommentar
Katharina Utermöhl (links), Volker Wieland und Kathrin Jones im Gespräch. Quelle: Bernd Roselieb für Handelsblatt Club
Wohin treibt uns die EZB?

Katharina Utermöhl (links), Volker Wieland und Kathrin Jones im Gespräch.

(Foto: Bernd Roselieb für Handelsblatt Club)

Frankfurt Volker Wieland hat einen Vorschlag für die Europäische Zentralbank (EZB): „Sie sollte möglichst früh beginnen, die Zinsen zu erhöhen, aber dann sehr vorsichtig, in kleinen Schritten vorgehen.“ Der Frankfurter Professor, der auch Mitglied des Sachverständigenrats der Wirtschaftsweisen ist, ließ bei einem Leserabend des Handelsblatts keinen Zweifel daran, dass er die Geldpolitik der EZB für überzogen hält.

„Der Wirtschaft geht es doch gut, die Beschlüsse vom vergangenen September waren nicht notwendig“, sagte er bei der Veranstaltung, die unter dem Titel „Wohin treibt uns die EZB?“ von Kathrin Jones, der Leiterin des Finanzressorts des Handelsblatts, moderiert wurde.

Im September hatte die EZB die Zinsen weiter auf minus 0,5 Prozent gesenkt und neue Nettozukäufe von Anleihen beschlossen. Wieland, der regelmäßig zu der Konferenz „The ECB and its watchers“ einlädt, regte auch an, die EZB solle bei der Inflationsmessung nicht nur auf die Verbraucherpreise schauen, sondern zum Beispiel auch Baupreise oder die Produktionspreise der Industrie stärker beachten.

Katharina Utermöhl, Europa-Ökonomin bei der Allianz, nahm die EZB hingegen in Schutz. „Bei den niedrigen Zinsen haben vor allem auch strukturelle Faktoren ihre Finger im Spiel“, sagte sie. Daher sei auch die Politik gefragt, mit Reformen das Wachstum in Gang zu setzen, um so am Ende wieder zu höheren Zinsen zu kommen: „Wenn man wirklich will, dass die Zinsen steigen, dann ist nicht nur die EZB gefragt. Vor allem in Deutschland geht es um staatliche Strukturpolitik.“

Sie befürchtet, etwa beim Blick auf die Digitalisierung, „dass Deutschland den strukturellen Wandel verschläft“. Utermöhl schloss sich damit weitgehend der Argumentation an, mit der die EZB selbst immer wieder ihre Geldpolitik rechtfertigt und zugleich politische Reformen fordert. Als Ursachen für die niedrigen Zinsen gelten unter anderem relativ hohe Sparquoten und zu niedrige Investitionen: So steht ein hohes Angebot an Kapital einer niedrigen Nachfrage gegenüber.

Unternehmensteuern senken

Wieland regte in dem Zusammenhang eine Senkung der Unternehmensteuern an, um private Investitionen anzureizen. „Normalerweise sparen die privaten Haushalte, und die Unternehmen und der Staat verschulden sich. Aber jetzt sparen sogar die Unternehmen und legen ihr Geld lieber im Ausland als im Inland an“, erklärte er. Damit widersprach er den zurzeit viel diskutierten Vorschlägen, mit höheren Staatsschulden für mehr öffentliche Investitionen zu sorgen.

Auch die Idee, dass Deutschland die EZB unterstützen sollte, lehnte er ab: „Wir brauchen nicht die deutsche Fiskalpolitik, um das Preisstabilitätsziel der EZB zu erreichen. Finanzminister Olaf Scholz soll sich auf Deutschland konzentrieren und Christine Lagarde auf Europa.“

Lebhafte Gespräche nach der Podiumsdiskussion. Quelle: Bernd Roselieb für Handelsblatt Club
Handelsblatt Wirtschaftsclub

Lebhafte Gespräche nach der Podiumsdiskussion.

(Foto: Bernd Roselieb für Handelsblatt Club)

Unterschiedlicher Meinung waren die beiden Experten des Abends auch bei der Frage, ob Minuszinsen oder Anleihekäufe im Zweifel zu bevorzugen seien. Utermöhl verwies auf die schädlichen Folgen der Minuszinsen für Sparer und das Finanzsystem. Ihre Schlussfolgerung: „Wenn ich mich entscheiden müsste, dann wären mir Anleihekäufe lieber.“

Wieland dagegen hält Anleihekäufe für besonders schädlich, weil sie die langfristigen Zinsen drücken, die letztlich für Sparer und Banken wichtiger seien als die kurzfristigen Sätze. Er betonte zudem, die Notwendigkeit, noch mehr als bisher zu machen, sei nicht zu erkennen, allenfalls bei einer schweren Rezession könne er sich notfalls noch negativere Zinsen vorstellen.

Schwieriger Konsens zur Klimafrage

Im EZB-Rat gibt es zu der Frage ebenfalls unterschiedliche Meinungen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hält die Käufe für besonders problematisch, vor allem, weil sie einer Staatsfinanzierung durch die Notenbank sehr nahekommen. Ignazio Visco, der Chef der italienischen Notenbank, warnt dagegen vor mehr Minuszinsen.

EZB-Chefökonom Philip Lane wiederum schwört auf die Kombination beider Maßnahmen, weil so mit weniger Aufwand mehr erreicht werden könne, um Wachstum und Inflation so zu stärken, dass später die Rückkehr zu höheren Zinsen möglich sei.

Utermöhl und Wieland waren sich einig, dass mit der seit November amtierenden EZB-Präsidentin Christine Lagarde ein neuer, mehr auf Ausgleich bedachter Kommunikationsstil in der Geldpolitik Einzug gehalten hat. Wieland zog einen Vergleich: „Lagarde führt die EZB wieder mehr so wie unter Jean-Claude Trichet.“

Utermöhl befürchtete allerdings: „Es kann sein, dass beim Thema Klimapolitik kein Konsens zu finden ist.“ Lagarde hat dieses Thema immer angesprochen und dabei auch die Verantwortung der EZB betont. Auf der anderen Seite gibt es im EZB-Rat Gegner von grün ausgerichteten Anleihekäufen. Die beiden Referenten des Abends lehnten das auch ab, räumten aber ein, dass bei der Bewertung von Risiken von Anleihen eventuell auch Klimaaspekte ins Spiel kommen könnten. Wieland sagte: „Es wäre verfehlt, wenn man meint, über den Hebel der Notenbank Klimapolitik zu machen.“

Aus dem Publikum kamen zahlreiche Anmerkungen und Fragen. Ein Leser regte an, das Mandat der EZB zu erweitern – ähnlich wie bei der US-Notenbank, die neben Preisstabilität gleichgewichtig auch Vollbeschäftigung anstrebt. Die beiden Referenten reagierten zurückhaltend, aus ihrer Sicht schützt ein enges Mandat die EZB besser vor Einfluss von außen. Deutlich wurden auch Sorgen über das Platzen einer Blase an den Kapitalmärkten und Kritik an möglichen Umverteilungseffekten der Geldpolitik zugunsten einzelner Länder.

Ein Zuhörer fragte, ob negative Zinsen mit dem Mandat und mit dem Prinzip der Marktwirtschaft vereinbar seien. Insgesamt war ein gewisses Unbehagen wegen der Geldpolitik der EZB spürbar. An den Antworten von Utermöhl und Wieland wurde aber auch deutlich: Solange die EZB sich an ihr Mandat der Preisstabilität hält, ist sie kaum wirksam angreifbar.

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1 Kommentar zu "Leserabend „Wohin treibt uns die EZB?“: Experten zweifeln am geldpolitischen Kurs der EZB"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • "Wieland regte in dem Zusammenhang eine Senkung der Unternehmensteuern an, um private Investitionen anzureizen. "

    Nicht nur die Unternehmen leiden unter hohen Steuern - auch die Bürger haben (zusammen mit Belgien) die höchsten Abgaben zu stemmen.
    Aber immerhin bekommen sie dafür eine 1a Infrastruktur, rasend schnelles InterNetz, exzellente Schulbildung, flächendeckenden ÖPNV, effiziente Verwaltung, ein Top-Gesundheitssystem und auskömmliche Renten.

    OK, der letzte Satz waren #FakeNews

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