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Nassim Nicholas Taleb im Interview „Der Euro hat nichts grundlegend verändert“

Der US-Ökonom nennt Europas Währung einen Irrtum und lobt das dezentrale, „antifragile“ Deutschland. Er sei inzwischen längt kein Außenseiter in der Wissenschaftswelt mehr.
01.04.2015 - 17:31 Uhr Kommentieren
„Brauche mich nicht um die Meinung anderer zu kümmern.“ Quelle: Bloomberg
Nassim Taleb

„Brauche mich nicht um die Meinung anderer zu kümmern.“

(Foto: Bloomberg)

Wien Es ist kein Zufall, dass der Ökonom Nassim Nicholas Taleb auf seinem Weg von Beirut nach New York in Wien Station macht. Denn hier hat der Wissenschaftler und Bestsellerautor („Der Schwarze Schwan“) Versicherungsmanagern aus Österreich und Osteuropa erklärt, welche Rolle der Zufall in der Wirtschaft spielt und was sie dagegen unternehmen können.

Herr Taleb, Sie studieren die ökonomischen Risiken und Unsicherheiten. Sind Sie persönlich jemand, der das Risiko mag und gerne ins Kasino geht?
Ich gehe in kein Kasino.

Warum nicht?
Ich mag keine Risiken.

Aber Sie kommen als ehemaliger Banker aus einer Welt der Risiken.
Unternehmertum heißt, Risiken einzugehen. Das gilt auch für Banken. Sie müssen für ihre Aktionäre zwangsweise Wagnisse eingehen.

In Europa haben viele Menschen den Eindruck, dass die Politik kaum noch in der Lage ist, die ökonomischen und politischen Risiken zu managen. Ist der Eindruck richtig?
In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Menschen über soziale Netzwerke miteinander verknüpft. Heute bekomme ich meine Informationen, Meinungen und Einschätzungen über soziale Netzwerke. Kurznachrichtendienste wie Twitter haben die Szenerie verändert. Über diese neue Kommunikationsstruktur sehen wir auch eben sehr viel mehr Schrott, der von der Bürokratie und der Politik produziert wird. Viele Dinge hätten vor zehn Jahren noch keinen Eingang in die Zeitungen gefunden. Das vielfältige Wissen verstärkt den Eindruck wachsender Risiken in der Gesellschaft.

Sie schreiben sehr viel über Zufälligkeit. Wie fragil sehen Sie Europa?
In Europa gibt es zu wenige Entscheider, die Risiken eingehen. Ich spreche dabei von unternehmerischen Risiken im positiven Sinn. Je mehr der Ausbildungsstand in Europa stieg, umso geringer wurde die Zahl der Risikobereiten.

Sind dabei die Deutschen ein besonders gutes Beispiel für mangelnde Risikobereitschaft in Europa?
Deutschland ist aus meiner Sicht das wahrscheinlich beste Land in Europa. Die wirtschaftlichen Zentren sind innerhalb der Bundesrepublik gut verteilt. Hinzu kommt eine breite ökonomische Elite. Um ein antifragiles System aufzubauen, braucht man eine gute Ausbildung, aber nicht alle müssen Akademiker sein. Je länger junge Menschen in Ausbildung gehalten werden, umso größer sind die Nachteile.

In Europa wachsen die populistischen Parteien links und rechts. Bewegen wir uns auf eine immer fragilere Politik zu?
Ich glaube nicht, dass politische Parteien von großer Bedeutung sind. Es ist viel wichtiger, ob ein Land zentralisiert oder dezentralisiert ist. Und was zählt, ist Größe. Das macht eben den Unterschied zwischen China und Singapur aus. Hinzu kommt die Bedeutung des Unternehmertums. In Europa gibt es einen Mangel an Unternehmertum. Das wird die zukünftigen Generationen entscheidend beeinflussen.

Aber Europa hat es geschafft, mit dem Euro eine gemeinsame Währung auf die Beine zu stellen, die den Unternehmen nutzt. Das ist doch ein Fortschritt ...
Die gemeinsame europäische Währung ist die größte Zeitverschwendung. Ich kümmere mich nicht darum.

Wie bitte?
Ich erzähle Ihnen mal, warum. Als ich noch Wertpapierhändler an der Wall Street war, gab es die Deutsche Mark, den österreichischen Schilling et cetera. Niemand hat sich damals um den Schilling geschert. Unser Maßstab war die Deutsche Mark. Sie war die Schattenwährung für Österreich und viele andere Länder. Eine gemeinsame Währung ist daher nur oberflächlich. Der Euro hat nichts grundlegend verändert.

In Ihrer Theorie der Antifragilität plädieren Sie grundsätzlich für kleine Einheiten, nicht für große. Doch in Europa streben wir große Einheiten an, um gegen die Risiken gewappnet zu sein. Ist das ein Irrtum?
Die Schaffung großer Entitäten ist der größte Unsinn der Welt. Um Risiken zu vermeiden, muss die Vielfalt maximiert werden, nur so können organisch Risiken gemanagt werden. Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel. Der Mittelstand in der Bundesrepublik ist ein Stabilitätsfaktor. Durch den EU-Einigungsprozess kommt Europa aber ökonomisch zu immer größeren Einheiten, die zwangsläufig zu mehr Fragilität führen.

Lobbyisten ohne Verantwortungsgefühl
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