Notenbank Draghi-Kritikerin Lautenschläger gibt Job im EZB-Direktorium auf

Die Deutsche verlässt ihren Posten bei der EZB Ende Oktober.
Frankfurt EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger hat am Mittwochabend überraschend ihren Rücktritt erklärt. Sie werde ihren Posten am 31. Oktober aufgeben, rund zwei Jahre vor dem regulären Ende ihrer Amtsperiode, teilte die Europäische Zentralbank mit.
Gründe für den Rücktritt nannte die EZB zunächst nicht. EZB-Chef Mario Draghi dankte Lautenschläger laut Pressemitteilung „für ihre bedeutende Rolle beim Aufbau und der Steuerung der europaweiten Bankenaufsicht“. Das Verhältnis von Lautenschläger zu Draghi gilt seit Längerem als angespannt. Dennoch kam ihr Rücktritt auch für viele Kollegen überraschend, heißt es intern. Der EZB-Rat hatte sich am Mittwoch zu seiner nicht-geldpolitischen Sitzung in Frankfurt getroffen, danach veröffentlichte die Notenbank die Rücktrittsmeldung.
Lautenschläger gilt als Kritikerin der lockeren Geldpolitik der EZB. Nach dem früheren EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark, dem früheren Bundesbank-Präsident Axel Weber und dem ehemaligen EZB-Direktor Jörg Asmussen ist sie bereits die vierte prominente deutsche Notenbankerin, die innerhalb weniger Jahre vorzeitig zurücktritt. Ihr Rücktritt dürfte einerseits die Kritik am Kurs der EZB in Deutschland verstärken. Andererseits dürfte er im Ausland zum Teil auf Unverständnis stoßen.
Lautenschläger hatte ihre kritische Haltung zur Lockerung der Geldpolitik vor der wichtigen EZB-Ratssitzung im September untermauert. Sie sehe „derzeit keine Notwendigkeit für einen Neustart des Anleihekaufprogramms“, sagte sie. Auf der Sitzung beschloss der EZB-Rat dann eine weitere Zinssenkung und die Neuauflage ihrer Anleihezukäufe von monatlich 20 Milliarden Euro. Intern gab es in der Notenbank aber auch Leute, die Lautenschläger hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen haben, dass sie der deutschen Öffentlichkeit die Geldpolitik der EZB nicht ausreichend erklären würde.
Die 55-jährige Juristin gilt vor allem als Expertin für die Bankenaufsicht. Sie war von der Finanzaufsicht BaFin über die Bundesbank im Januar 2014 ins Direktorium der EZB gewechselt. Dort war sie fünf Jahre lang Stellvertreterin der EZB-Bankenaufsicht SSM. Gemeinsam mit der ersten SSM-Chefin Danièle Nouy baute sie die zentrale Kontrolle der Notenbank über die größten Banken in der Währungsunion federführend mit auf.
Ihr Verhältnis zu Draghi gilt vor allem seit Jahresbeginn als angespannt, als ihre Amtszeit für den SSM-Vizeposten auslief. Lautenschläger signalisierte damals intern frühzeitig, dass sie im Direktorium andere Aufgaben übernehmen wollte. Der SSM-Vize muss aus dem EZB-Direktorium kommen. Die Amtszeit von EZB-Direktoren beträgt jedoch acht Jahre und damit drei Jahre mehr als die des Vizes der Bankenaufsicht.
Notenbankchef Mario Draghi hatte wohl darauf gehofft, dass Lautenschläger als SSM-Vize weitermachen würde, und ließ den Posten zunächst unbesetzt. Das Hickhack hatte zur Folge, dass Lautenschläger zeitweise im Direktorium nur für Statistik verantwortlich war. Seit April hat sie dann die Bereiche Banknoten, Marktinfrastruktur, Zahlungsverkehr und Risiko dazubekommen. Nach ihrem Rücktritt muss Lautenschläger vor einem möglichen Wechsel in die Finanzbranche als ehemalige Bankenaufseherin eine zweijährige Abkühlungsperiode hinter sich bringen, die noch bis Februar 2021 läuft.
Axel Weber und Jürgen Stark begründeten ihre Rücktritte damals jeweils mit ihrer Kritik am Kurs der EZB. Weber hatte zeitweise als aussichtsreicher Kandidat für die EZB-Präsidentschaft gegolten. Auf Jürgen Stark folgte als deutscher Vertreter im EZB-Direktorium Jörg Asmussen, der ebenfalls nach knapp zwei Jahren zurücktrat. Anders als bei Weber und Stark führte Asmussen persönliche Gründe an. Nun tritt mit Lautenschläger auch Asmussens Nachfolgerin vorzeitig zurück.
Mehrere Kandidatinnen für Nachfolge möglich
Wer folgt nun auf Lautenschläger im EZB-Direktorium? Als ungeschriebenes Gesetz gilt, dass die vier großen Euro-Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien jeweils einen Vertreter oder eine Vertreterin im EZB-Direktorium stellen.
Nach Lautenschlägers Rücktritt gibt es im sechsköpfigen Gremium keine Frau – mit Ausnahme der designierten neuen Präsidentin Christine Lagarde. Wahrscheinlich ist daher, dass Deutschland eine Frau nominieren wird.
Eine mögliche Kandidatin wäre Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. Sie verantwortet bei der deutschen Notenbank den wichtigen Bereich Finanzstabilität und hat in ihrer aktuellen Funktion bereits Bundesbank-Präsident Jens Weidmann im EZB-Rat vertreten. Die Ökonomin hat fachlich eine sehr gute Reputation – auch in der EZB. Sie gilt als eigenständiger Kopf. Allerdings hat sie sich bisher mit Äußerungen in der Öffentlichkeit sehr zurückgehalten.
Frederik Ducrozet, Ökonom bei Pictet, nennt als weitere mögliche Kandidatinnen die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel und Elga Bartsch, Ökonomin bei Blackrock. Die Bonner Professorin Schnabel ist ebenfalls Expertin für Finanzstabilität und Banken. Sie hat in der Vergangenheit die EZB gegen Kritik aus Deutschland verteidigt. Das gilt auch für Elga Bartsch. Sie würde außerdem langjährige Finanzmarkt-Erfahrung mitbringen. Zuletzt hat Bartsch zusammen mit anderen prominenten Notenbankern wie dem früheren Vize der Fed, Stanley Fisher, einen kontroversen Vorschlag gemacht. Er sieht vor, die Notenbanken sollten im Krisenfall der Regierung und den Bürgern direkter Geld zur Verfügung stellen.
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