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Steigende Preise Schreckgespenst Stagflation – Wie Ökonomen das Risiko einschätzen

Angesichts von Lieferengpässen und steigenden Rohstoffpreisen nimmt die Sorge vor Inflation und wirtschaftlicher Stagnation zu. Was Ökonomen dazu sagen.
07.10.2021 - 18:52 Uhr Kommentieren
Die Branche leidet besonders unter Produktionsengpässen. Quelle: dpa
Volkswagen-Nutzfahrzeuge in der Produktion

Die Branche leidet besonders unter Produktionsengpässen.

(Foto: dpa)

Frankfurt Wenn Inflation schon ein Wort ist, das Verbrauchern und Investorinnen einen Schrecken einjagt, dann gilt das umso mehr für den Begriff Stagflation. Und dieser Begriff macht zurzeit Furore. Die US-Großbank JP Morgan schreibt zum Beispiel in einer neuen Studie: „In den letzten Wochen war eine mögliche ‚Stagflation‘ ein prominentes Thema bei Diskussionen mit unseren Kunden.“

Was genau heißt „Stagflation“? Da fängt das Problem schon an: Es gibt zwei verschiedene Definitionen. Die eine meint mit Stagflation das Zusammentreffen von Arbeitslosigkeit und Inflation. Laut der zweiten aber ist ein wesentliches Element des Phänomens eine wie der Begriff schon sagt, „stagnierende“, also nur schwach wachsende Wirtschaft.

Unter Anlagestrategen und Ökonominnen ist daher umstritten, ob wir uns überhaupt in einer Phase der Stagflation befinden. JP Morgan etwa sieht „allenfalls zaghafte Ansätze“, weil das Wachstum gerade in den USA keineswegs schwächelt. Ganz ähnlich argumentiert Karen Dynan vom Peterson Institut in Washington: „Wenn das Wirtschaftswachstum über dem langfristigen Trend liegt, kann man das kaum als Stagflation bezeichnen.“

Sie widerspricht damit prominenten Kollegen wie Larry Summers und Robert Rubin, die die Vokabel mit Blick auf relativ hohe Inflation und einen noch schwachen Arbeitsmarkt für durchaus angebracht halten.

Vergleich mit den 1970er-Jahren hinkt

Das Thema kocht genau deswegen hoch: Weil die Inflation steigt, aber gleichzeitig der Arbeitsmarkt noch längst nicht bei Vollbeschäftigung angelangt ist, und das gilt für Europa ebenso wie für die USA. Es erinnert an die 1970er-Jahre und es kann die Notenbanken vor eine ungute Entscheidung stellen: Entweder die Inflation zu bekämpfen und noch mehr Arbeitslosigkeit zu riskieren – oder sie noch weiter laufen zu lassen und den Kontrollverlust zu riskieren.

In beiden Fällen kann es passieren, dass am Ende nichts gewonnen ist und die Geldpolitik in der Stagflation feststeckt. Aber in den Siebzigern war das Wachstum teilweise schwach, zugleich gab es starke Gewerkschaften, die hohe Preise, etwa beim Öl, in hohe Löhne verwandeln konnten, sodass eine inflatorische Spirale entstand.

Dynan glaubt daher nicht, dass die Siebziger ein guter Vergleich sind. Sie traut den Notenbanken zu, rechtzeitig einzugreifen, bevor die Preise in eine Aufwärtsspirale geraten.

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Kommentare von Mitgliedern des EZB-Schattenrats, eines vom Handelsblatt moderierten geldpolitischen Expertengremiums, bestätigen weitgehend die Sichtweise von Dynan. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sagt allerdings zur Lage in Deutschland: „Mit Blick auf das Winterhalbjahr kann man von einer Stagflation sprechen.“ Er befürchtet, dass bei der Inflationsrate im November sogar eine fünf vor dem Komma stehen könnte. Zugleich sieht er voraus, dass sich für die wichtige deutsche Autoindustrie im vierten Quartal aufgrund von Materialengpässen und nachlassender Nachfrage aus China „sogar eine Stagnation“ abzeichne.

Dies könne das „Wachstum im Euro-Raum empfindlich dämpfen“, zumal eine neue Coronawelle droht. Für die USA hält aber auch Krämer den Begriff „Stagflation“ für „weniger angemessen“, weil die Commerzbank dort ein Wachstum von drei Prozent im vierten Quartal 2021 erwartet.

Lohn-Preis-Spirale gilt als unwahrscheinlich

Andrew Bosomworth vom Anleihespezialisten Pimco bewertet das Risiko einer Stagflation als „ziemlich gering“. Er argumentiert: „Die Arbeiterschaft ist nicht mehr so stark organisiert wie in vergangenen Jahrzehnten.“ Deswegen befürchtet er keinen sogenannten Zweitrundeneffekt: Dieser könnte dann auftreten, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften auf die gestiegene Inflation reagieren und deswegen höhere Löhne vereinbaren. Eine solche Lohn-Preis-Spirale könnte eine starke Eigendynamik entwickeln.

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Frederik Ducrozet von Pictet rechnet zwar damit, dass die Inflation noch längere Zeit aufgrund steigender Energiepreise auf einem höheren Niveau bleibt. Auch er glaubt aber, gerade mit Blick auf Europa, nicht an Zweitrundeneffekte. Katharina Utermöhl von der Allianz erwartet ebenfalls eine verhaltene Lohnentwicklung im Euro-Raum, was auf die immer noch angeschlagenen Arbeitsmärkte zurückzuführen ist. Sie hält die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften im Vergleich zu den Siebzigern für „stark eingeschränkt“.

Mehr: Das Dilemma der Notenbanken

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