US-Notenbank Alle Augen auf die Fed: Jerome Powell steht vor einem schwierigen Spagat

Der US-Notenbankchef wählt seine Worte stets mit Bedacht – umso mehr in der aktuellen Situation.
Denver Vor ziemlich genau einem Jahr waren die US-Währungshüter im Krisenmodus. Am 15. März 2020, einem Sonntag, senkten sie nach einem Notfall-Meeting die Zinsen um einen ganzen Prozentpunkt auf nahe null und kündigten umfangreiche Aufkaufprogramme für Staatsanleihen an. Die Federal Reserve (Fed) unter Präsident Jerome Powell war gewillt, alles zu tun, um die Märkte nach dem ersten Corona-Schock zu beruhigen.
Heute steht Powell vor einem Problem, das deutlich mehr Fingerspitzengefühl erfordert. Bei der Sitzung der Notenbank am Mittwoch muss er eine schwierige Balance finden. Ökonomen gehen davon aus, dass die Währungshüter ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum anheben. Gleichzeitig wird Powell den Märkten jedoch versichern müssen, dass die Fed in absehbarer Zeit weder die Leitzinsen anheben noch die Anleiheaufkaufprogramme reduzieren will.
Die Notenbanker wollen „deutlich mehr Fortschritt“ sehen, bevor sie aktiv werden, hatte Powell in den vergangenen Wochen immer wieder betont. Es war ihm jedoch nicht immer gelungen, die Anleger davon zu überzeugen.
Anfang März waren vor allem Technologieaktien eingebrochen, nachdem die Renditen auf zehnjährige US-Staatsanleihen überraschend schnell in die Höhe geschossen waren. In der vergangenen Woche hatte sich die Lage jedoch wieder etwas beruhigt.
Powells Einschätzung der Lage wird am Mittwoch daher besonders genau verfolgt. Die Fed veröffentlicht dann auch den sogenannten „Dot Plot“, in dem die Notenbanker ihre unverbindlichen Erwartungen für Wachstum, Arbeitslosigkeit und Zinsniveau abgeben.
Schnelleres Wachstum könnte die Fed zum Umdenken zwingen
Die Notenbank hat – anders als beispielsweise die Europäische Zentralbank (EZB) – die primäre Aufgabe, sowohl für Preisstabilität als auch für Vollbeschäftigung zu sorgen. „Bei beiden Zielen wollen wir noch mehr Daten sehen, die belegen, dass wir uns stärker in die richtige Richtung bewegen“, sagte Powell bei einer Anhörung vor dem Kongress Ende Februar.
Aufgrund des Konjunkturpakets und der Impfkampagne des Landes gehen Ökonomen nun jedoch von einer deutlich besseren Stimmung aus. Goldman Sachs etwa rechnet damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um sieben und im kommenden Jahr um 5,1 Prozent wächst.
Die US-Zentralbank hatte im vergangenen Jahr bereits angekündigt, dass sie bereit sei, eine Inflationsrate von über zwei Prozent zu akzeptieren, zumindest für eine gewisse Zeit. Offen bleibt jedoch, bei welchem Niveau die Notenbanker einschreiten würden und wie lange sie das Überschreiten des Zwei-Prozent-Ziels akzeptieren wollen. Die Inflation ist seit Jahren schwach, die Währungshüter wollen sich hier bewusst einen gewissen Spielraum bewahren. Das sorgt bei Investoren jedoch für viel Spekulation.
Die US-Wirtschaft und gerade die Finanzmärkte haben sich relativ schnell von den Turbulenzen aus dem vergangenen März erholt. Hinzu kommt Rückenwind durch das 1,9 Billionen Dollar schwere Stimuluspaket, das US-Präsident Joe Biden vergangene Woche verabschiedet hat. Das muss sich auch in den Prognosen widerspiegeln.
Die Notenbanker haben zuletzt im Dezember ihre Prognosen für die kommenden drei Jahre abgegeben. Damals gingen sie im Mittel davon aus, dass die US-Wirtschaft 2021 um 4,2 Prozent wachsen und die Inflation auf 1,8 Prozent steigen würde. Die Arbeitslosenquote sahen sie bei fünf Prozent und damit deutlich unter dem Höchstwert in der Coronakrise (14,7 Prozent). Vollbeschäftigung ist nach Fed-Einschätzung bei einer Quote von 4,1 Prozent erreicht.
Das Jahr 2013 ist noch in guter Erinnerung
Im Dezember waren zwölf der 17 Währungshüter davon ausgegangen, dass die Zinsen noch bis Ende 2023 nahe null bleiben werden. Ob sich diese Prognosen ändern, ist für Investoren von besonderem Interesse. Immer mehr Anleger rechnen mittlerweile damit, dass die Fed schon im kommenden Jahr die Zinswende einleiten könnte, damit die Wirtschaft nicht überhitzt.
Leidenschaftlich wird derzeit an der Wall Street über das weitere Vorgehen diskutiert. Das Schreckensszenario aus dem Jahr 2013 ist vielen noch ist guter Erinnerung. Der damalige Fed-Chef Ben Bernanke löste damals ein sogenanntes „Taper Tantrum“ aus, eine Art Wutanfall an den Märkten, als er in Aussicht stellte, dass die Fed die großzügigen Anleihekäufe bald zurückfahren könnte.
Powell will das verhindern. Andere sehen dagegen keinen Grund zu übermäßiger Vorsicht. „Der Anleihemarkt muss sich früher oder später auf die neuen Realitäten einer sich erholenden Wirtschaft einstellen“, schrieb David Kelly, Chefaktienstratege von JP Morgan Chase, in einer Analyse. Powell müsse sich so verhalten wie Eltern eines vierjährigen Kindes. „Es ist besser, hart zu bleiben und Wutanfälle auszuhalten, als immer wieder nachzugeben und später viel schlimmere Anfälle eines destruktiven Teenagers ertragen zu müssen.“
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