US-Notenbank Trump bekommt von der Fed, was er will

Donald Trump selbst hatte ihn 2017 noch als Notenbankchef nominiert.
Frankfurt Der US-Notenbankchef macht einen Job, der immer stärker das Bild eines finanzstrategischen Hochseilakrobaten heraufbeschwört. Seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr steht Jerome Powell im Scheinwerferlicht, darauf bedacht, nicht zu fallen, weder in die eine noch in die andere Richtung.
Wie in dieser Woche bei seinen zwei Auftritten vor den beiden Kammern des US-Kongresses deutlich wurde, gestaltet sich dieser Balanceakt für den Chef der Federal Reserve (Fed) immer halsbrecherischer. Vor Vertretern des Repräsentantenhauses sprach er am Mittwoch von „Handelskonflikten und der Sorge um die Weltwirtschaft“, die den Ausblick für die US-Wirtschaft trübten. Der Inflationsdruck bleibe erhalten.
Eine Zinssenkung, so scheint es, rückt damit immer näher. Doch der Weg dorthin bleibt für ihn ein Tanz auf dem Hochseil. Letztlich muss Powell nicht nur den richtigen geldpolitischen Kurs finden, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Fed verteidigen, und das heißt: immer wieder beweisen, dass die Notenbank nicht ein ausführendes Organ der Regierung ist.
Dabei steht er unter doppeltem Druck. Zum einen ist da US-Präsident Donald Trump, der ohne Unterlass niedrigere Zinsen fordert. Und dann sind da die Kapitalmärkte, die Zinssenkungen ohnehin schon vorwegnehmen. Powell weiß: Einem Nein zu einer solchen Maßnahme würden automatisch Kursturbulenzen folgen.
Hinzu kommen Unwägbarkeiten. Die Fed hat sich in ihren Analysen nicht immer als treffsicher erwiesen, vor allem die Inflationsgefahr wird von Notenbankern überschätzt. Am Mittwoch rechnete die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez ihm vor, die Fed habe ihre Angaben zum Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation seit 2014 immer wieder korrigiert.
Die Unsicherheit um Handelskonflikte und Sorgen um die Weltwirtschaft lasteten zuletzt auf dem Ausblick für die US-Wirtschaft. Jerome Powell (Fed-Chef)
Anfänglich habe die Notenbank eine Arbeitslosenrate von 5,4 Prozent für die Untergrenze gehalten, die mit stabilen Preisen vereinbar sei. Inzwischen liege die Kennziffer bei 3,7 Prozent. Und die Inflation? Sie sei noch immer nicht in Sicht, wie Powell auf Nachfrage einräumte.
Abschließend fragte die Abgeordnete: „Kann es sein, dass die Schätzungen der niedrigsten nachhaltig möglichen Arbeitslosenrate zu hoch waren?“ Powell antwortete mit einem Anflug von Lachen sehr knapp: „Auf jeden Fall“ („Absolutely“). Das war Powell, der Offenherzige.
Powell hatte in den vergangenen Monaten kein Problem damit, deutlicher Schwenks zu vollziehen. Bis Ende 2018 lobte er die US-Konjunktur in den höchsten Tönen. Das trug zum Einbruch der Aktienkurse bei, weil die Märkte eine Fehleinschätzung der Fed befürchteten.
Dann plötzlich schlüpfte er in die Rolle des Vorsichtigen, und in dieser Woche sprach er vor allem von Unsicherheiten. Es handelte sich um eine diplomatische Umschreibung dessen, wonach sich Trump gesehnt hatte – er kündigte damit de facto eine Zinssenkung für Ende Juli an.
Kein vorzeitiger Abtritt
War er eingeknickt vor dem Präsidenten, der ihn zuvor immer wieder mit seinen fordernden Tweets malträtiert hatte? Auch dazu gab es in dieser Woche einen aufschlussreichen Dialog. Maxine Waters, die Vorsitzende des Bankenausschusses, fragte ihn: „Wenn Donald Trump Sie anrufen und Ihnen sagen würde, Sie sollten Ihre Sachen packen und gehen, würden Sie das tun?“ Powell antwortete: „Nein, natürlich nicht.“ Er sei für eine vierjährige Amtszeit bestellt und habe vor, bis zum Ende seinen Job zu machen. Das war Powell, der Geradlinige.
Aber seine Aussage klang härter, als sie war. Denn letztlich kann sich Powell Trumps Druck nicht entziehen, weil es diese unheilvolle Wirkungskette gibt: Die aggressive Handelspolitik des Präsidenten verunsichert die Unternehmen und die Märkte – dadurch wird eine Zinserhöhung trotz der ansonsten robusten US-Konjunktur nötig. So bekommt Trump, was er will.
Powell stellte diesen Zusammenhang deutlich dar, ohne Trump zu nennen. Und dann setzte er hinzu: „Das ist keine Kritik an der Handelspolitik.“ Die Fed, sagte er, müsse sich eben mit der wirtschaftlichen Entwicklung auseinandersetzen, ein Urteil über Handelsfragen stehe ihr nicht zu. Das war Powell, der Vorsichtige.
Mehr: Der Hauptgrund für die kommende Zinssenkung der Fed ist die Unsicherheit, die der Handelskonflikt schafft. So erzwingt der US-Präsident eine lockere Geldpolitik.
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Die Niedrigzinspolitik wird auch in Europa nicht so schnell enden. Die deutschen "Sparfüchse" sollten sich darauf einstellen.