Volksabstimmung Vollgeld-Initiative – Ein neues Geldsystem für die Schweiz?
Zürich Die Schweiz stimmt am 10. Juni über ein neues Geldsystem ab. Die sogenannte „Vollgeld-Initiative“ will die Kreditvergabe von Banken beschränken und die Steuerung der Geldmenge allein der Notenbank überlassen. Die überaus komplexe Initiative wurde von Finanzexperten ins Leben gerufen – darunter Wissenschaftler und Banker.
Die Regierung und die Notenbank lehnen das Vorhaben ab – ebenso wie diverse Industrie- und Wirtschaftsverbände sowie viele Banken. In der Bevölkerung fällt das Votum jedoch nicht so eindeutig aus: Einer Umfrage der Mediengruppe Tamedia von Ende April zufolge sind 42 Prozent klar oder eher für die Initiative, 45 Prozent lehnen sie ab und 13 Prozent machten keine Angaben. Eine andere Umfrage im Auftrag des Schweizer Rundfunks SRG kam mit 35 Prozent auf eine geringere Zustimmungsrate.
Es folgt ein Überblick über einige Ziele der Initiative und mögliche Folgen für Banken, deren Kunden sowie die Notenbank und den Franken.
Was will die Initiative?
Im Kern will sie die Kreditvergabe der Banken beschränken und die Ausweitung der Geldmenge eindämmen. Das soll gelingen, indem Banken nur noch Geld verleihen dürfen, welches sie dafür zur Verfügung gestellt bekommen - über langfristige Spargelder, andere Banken oder die Schweizerische Nationalbank (SNB).
Bislang können Banken Geld „schaffen“, indem sie bei der Kreditvergabe ihre Bilanz ausweiten: Bei einem Darlehen über 100.000 Franken wird dieses auf einer Seite der Bank-Bilanz als Forderung gegenüber dem Kunden verbucht und auf der anderen Seite der Betrag auf dem Konto des Kunden gutgeschrieben. Das können Banken in einem ersten Schritt auch machen, ohne dass sie über diese Gelder verfügen. Wenn der Kunde das Geld dann tatsächlich verwendet, etwa um sich ein Haus zu kaufen, dann müssen Banken in einem zweiten Schritt den abfließenden Betrag refinanzieren - über einen Kredit bei einer anderen Bank, Spareinlagen oder Notenbankgeld.
Die Aufgabe der SNB: Steuerung der Geldmenge würde in einem solchen Szenario allein der Notenbank obliegen, denn sie ist dann die einzige Institution, die dem System neues Geld zuführen kann. Sie würde die Geldpolitik vornehmlich auch über die Veränderung der Geldmenge steuern - und nicht mehr wie aktuell über den Leitzins, der die Konditionen für Kredite an Unternehmen und Privatpersonen beeinflusst. Nach Einschätzung der Befürworter der Initiative wäre jedoch auch eine Zinssteuerung weiterhin möglich.
Um die Geldmenge zu erhöhen, hätte die SNB mehrere Möglichkeiten: Zum einen könnte sie Geld an die Banken ausgeben, um damit deren Kreditvergabe anzukurbeln.
Gratisgeld für die Bürger: Zum anderen könnte sie Geld einfach verschenken, indem sie Franken druckt und an den Bund sowie Kantone oder sogar direkt an die Bürger ausgibt. Dieses „Bürgergeld“ dürfte im Jahr pro Kopf einige Hundert Franken umfassen, wie die Initiatoren in Aussicht stellen. Die SNB sieht jedoch die Gefahr einer politischen Einflussnahme bei der Verteilung der Gelder.
Sichere Spareinlagen: Bank-Kunden hätten künftig Anspruch auf sogenannte Vollgeld-Konten, die außerhalb der Bank-Bilanzen geführt werden. Das darauf gelagerte Geld wird zwar nicht verzinst, wäre bei einer Bank-Pleite jedoch sicher. Parallel dazu können Kunden weiterhin Anlagekonten besitzen, die verzinst werden.
Die Bilanzen der Banken: Sämtliche Giroguthaben bei den Banken müssten bei einer Systemumstellung auf Treuhandkonten außerhalb der Bilanz überwiesen werden. Im Gegenzug sollen die Banken dafür Übergangskredite von der SNB erhalten. Sie schulden das Geld dann nicht mehr Privatpersonen und Unternehmen, sondern der SNB. An diese müssten sie die Kredite über die Zeit wieder zurückbezahlen.
Welche Auswirkungen sind denkbar?
Wirtschaft: Dem Ökonomen Philippe Bacchetta von der Universität Lausanne zufolge würde das Wachstum der Schweizerischen Wirtschaft in einem Vollgeld-System um 0,4 Prozent geringer ausfallen. Er unterstellt dabei ein positives Zinsumfeld wie in den Jahren von 1993 bis 2006 – und nicht die derzeit in der Schweiz geltenden Negativzinsen von minus 0,75 Prozent. Negativ dürfte sich vor allem die fehlende Verzinsung auf Kundeneinlagen bei Banken auswirken, ebenso die sinkenden Profite der Finanzinstitute. Zu den Gewinnern könnte die SNB zählen, die für ihre Kredite an Banken Zinsen kassiert.
Banken: Die Zürcher Kantonalbank argumentiert, die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte würde teurer, bürokratischer und langwieriger, weil Banken zur Refinanzierung von Darlehen künftig nicht mehr auf jederzeit kurzfristig verfügbare Sichteinlagen der Kunden zurückgreifen können.
Negativ treffen würde die Initiative demnach vor allem kleinere und mittlere Banken, die auf das Zinsgeschäft angewiesen seien und sich nur schwer am Kapitalmarkt refinanzieren könnten. Doch auch die Großbanken lässt das nicht kalt: Nach Einschätzung von UBS-Schweiz-Chef Axel Lehmann wäre eine Umstellung für das Schweizgeschäft der Großbank „unangenehm“. Die Bank könne aber damit umgehen. „Es würde uns nicht umbringen.“
Franken: SNB-Präsident Thomas Jordan sieht die Gefahr einer Franken-Aufwertung. „Wenn man in ganz schwierigen Zeiten die Möglichkeit hat, unbeschränkt Zentralbankgeld zu bekommen, dann wird das eher den Wert des Frankens sehr stark erhöhen.“ Allerdings hänge es von der konkreten Situation ab.
Daher sei eine genaue Prognose nicht möglich. Auch nach Einschätzung von UBS-Schweiz-Chefökonom Daniel Kalt könnte der Franken zulegen: „Dann will jeder auf diesem Planeten, wenn es irgendwo kriselt, diese Vollgeldwährung Schweizer Franken haben.“ Ein starker Franken ist jedoch schlecht für die exportorientierte Wirtschaft, weil er Schweizer Waren im Ausland teurer macht.
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Das ist nicht ganz richtig. Wenn der Kreditnehmer den Kredit in Bar behebt, dann muß die Bank natürlich das Bargeld irgendwoher beschaffen. Bleibt der ganze Vorgang aber im virtuellen Raum - wie bei großen Beträgen üblich - dann bleibt das auch für immer virtuelles - also von den Banken erschaffenes - Geld. Lediglich über ca. 2-3% dieser Kreditvergabesumme muß eine Sicherheit (= Versicherungsprämie) bei der Zentralbank hinterlegt werden. daher ist dieses Creationsgeld auch so gefährlich, da sein Gegenwert nur das Vertrauen in diese Bank ist!
Die hohe Sachkenntnis in den bisherigen Kommentare fällt auf. Als Ergänzung etwas Emotionaleres.
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, Eidgenossen
Unsere Väter - die alten Eidgenossen - haben die fremden Vögte aus unserem Land verjagt und das war gut.
Das war ein wirklich lebensgefährliches Experiment, sich gegen die bewährte Ordnung aufzulehnen.
Das erfordert Mut, Kraft und Entschlossenheit.
Über das Bankensystem sind die fremden Vögte fast unbemerkt wieder in unser Land eingedrungen.
Was wir wissen müssen:
Die beiden Grossbanken produzieren einen Grossteil unserer Schweizer Franken aus der Luft, das Buchgeld - nichts anderes als Zahlen fein säuberlich und korrekt doppelt gebucht.
Der Anteil ausländischer Aktionäre liegt deutlich über 70 %.
Wohin fliessen also die Erträge des vielgepriesenen Schweizer Bankenplatzes?
Und die fetten Boni für die vielen ausländischen MaNager (deutsch ausgesprochen)? Man hört: darunter fällt auch eine ziemlich unangenehme Gattung.
Was es jetzt braucht:
Wir müssen in unserem Geldwesen eine bessere und marktgerechtere Ordnung herbeiführen.
Nur unsere Nationalbank soll Schweizer Franken ausgeben dürfen - dafür wurde sie ausdrücklich extra geschaffen.
Das gesamte Kreditwesen bleibt bei den Geschäftsbanken und diese sollen genau das tun, was sie uns jahrzehntelang vorgegaukelt haben, dass sie täten.
Nämlich Geld ausleihen, das ihnen für Kredite zur Verfügung gestellt wurde, auch z.B. von der Nationalbank.
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, Eidgenossen
Die Vollgeld-Initiative ist kein gefährliches Experiment, sondern wohl durchdacht und einfach umzusetzen.
Die alten Eidgenossen brauchten Mut, Kraft und Entschlossenheit um die fremden Vögte aus unserem Land zu verjagen.
Wir brauchen einzig die Entschlossenheit, das Geldwesen wieder in unsere eigenen Hände zu nehmen zum Wohle unseres Landes.
Danke für ein JA zur Vollgeld-Initiative.
Johann Schuler
Sehr geehrter Herr Autor, es geht hier in erster Linie um die privatisierte Geldschöpfung der Geschäftsbanken und nicht um die Beschränkung der Kreditvergabe. Wenn Sie schon damit anfangen, dass die Kreditvergabe eingeschränkt werden soll, dann nennen Sie bitte, dass vor allem wegen der Geldschöpfung Banken ungerechtfertige Marktvorteile erhalten, die andere Unternehmen nicht erhalten.
Den abfliessenden Betrag müssen die Banken nur zu einem sehr niedrigen Bruchteil refinanzieren, das könnten Sie durchaus ergänzen, da es bei Vollgeld genau darum geht.
Der politische Einflussnahme ist die SNB immer ausgesetzt, deswegen ist Sie ja auch eine unabhängige Institution die per Verfassung und Gesetz dem "Gesamtinteresse des Landes" verpflichtet ist.
Das positive Zinsumfeld laut Philippe Bacchetta ist nicht realitätsnah und deshalb ausser Acht zu lassen. Interessanter wäre gewesen von 2008 bis jetzt mit und ohne Vollgeld zu errechnen.
Falsch ist, dass Banken zur Refinanzierung auf Sichteinlagen zurückgreifen. Sie brauchen Einlagen bei der SNB, sehr sehr niedrige.
Falsch ist auch, dass es vor allem kleinere und mittlere Banken treffen würde, denn die haben grundsätzlich eine viel höhere Eigenkapitalquote und sind dem Finanzmarkt weniger ausgesetzt, da sie oft lokal und in viel kleineren Ausmassen Kredite gewähren im Vergleich zu Grossbanken. Wobei Herr Lehmann von der UBS selbst sagt, dass sogar Grossbanken das überleben würden.
Die Aufwertung des Frankens könnten mit Währungsreserven im Ausland stark eingeschränkt werden und das ist nur eine von mehreren starken Geldinstrumenten, um die Währung zu schwächen.
Wenn es irgendwo kriselt auf der Welt, und die Anlegen in den CHF investieren möchten, könnte man die Investitionen einfach abblocken, wenn kein Bedarf ist. Etwas mehr Selbstverantwortung und die Erinnerung an den Gründungszweck der SNB würde der Debatte sehr gut tun.
Schlagzeile auf dem unteren Teil der Titelseite der heutigen Handelsblatt-Printausgabe: „Steuerplus weckt Begehrlichkeiten“
Das tut fremder Leute Geld öfter.
Es wäre nicht nur deshalb an der Zeit, sich endlich ein zeitgemäßeres Instrument zur Steuerung der Wirtschaft einfallen zu lassen.
@Herr Matthias Ulrich
08.05.2018, 16:28 Uhr
Noch etwas muss man in aller Deutlichkeit einmal sagen: Unser Geldsystem beruht auf feudalistischen Prinzipien. Und ist deshalb ein die Weltgemeinschaft zunehmend in ihrer Existenz bedrohender Anachronismus.
Man muss es in aller Deutlichkeit einmal sagen: Der Franken ist eine private Währung; erschaffen durch Banken im Interesse eigener Profitmaximierung. Denn Banken erschaffen nicht nur jedesmal Geld aus dem Nichts, wenn sie Kredite vergeben, wie hier gut beschrieben. Nein, Banken erschaffen auch Geld, wenn sie einkaufen. Das ist kein Witz: Banken kaufen gratis ein. Sie generieren sich selber Geld beim "Kauf". Jedes Bankgebäude, dass hierzulande zu sehen ist, wurde so "gekauft". Auch alle Wertpapiere, Devisen, Grundstücke, Gold, etc. werden so "erworben". So entstanden 1000 Milliarden CHF - im Dienste der Gewinnmaximierung von Banken. Dies ist nicht nur moralisch höchst fragwürdig (schliesslich müssen alle anderen für Geld arbeiten und können sich nicht einfach per Bilanzverlängerung Vermögenswerte aneignen). Es ist darüberhinaus eine unglaubliche Marktverzerrung, die ihresgleichen sucht. Dass dies nicht von der Wettbewerbskommission geahndet wird, sondern die legale, von FINMA und Basel I-III abgesegnete Geschäftspraxis der Bankenwelt darstellt, ist schlicht kafkaesk... Ganz egal, was man von Vollgeld hält.
"Welche Auswirkungen sind denkbar?
Wirtschaft: Dem Ökonomen Philippe Bacchetta von der Universität Lausanne zufolge würde das Wachstum der Schweizerischen Wirtschaft in einem Vollgeld-System um 0,4 Prozent geringer ausfallen."
(Zitat Artikel 08.05.18 Stand 15:46)
Sind das 0.4 Prozent oder 0.4 Prozentpunkte?
0.4 Prozent wären sehr leicht verschmerzbar , 0.4 Prozentpunkte wären ziemlich viel.