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Der Wirtschaftsweise Volker Wieland hält die lockere Geldpolitik in Europa und den USA für riskant. Im Interview spricht er über den Kurs der EZB, den Risikofaktor China und Fehler der US-Notenbank.
„Die Fed-Vorsitzende Janet Yellen fährt eine riskante Politik.“
(Foto: Bernd Roselieb für Handelsblatt)
FrankfurtZum Interview mit dem Handelsblatt bringt Volker Wieland ein Buch mit, das man auch als Nahkampfwaffe verwenden könnte. Mehr als 400 Seiten ist das Gutachten der Wirtschaftsweisen dick. Darin gehen die fünf Ökonomen die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) hart an.
Herr Wieland, am Donnerstag tagt der Rat der Europäischen Zentralbank. Die Märkte hoffen auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik. Und Sie? Ich bin ohnehin der Meinung, dass es unnötig war, dass die EZB ihre Geldpolitik noch weiter gelockert hat. Denn die Wirtschaft im Euro-Raum erholt sich, und die Kerninflation ohne Energiepreise ist positiv und stabil. Außerdem birgt die Niedrigzinspolitik zu große Risiken. Wenn die EZB ständig für eine günstige Finanzierung sorgt, ist der Reformdruck für die Staaten weg. Die Lage in China sorgt derzeit aber für große Verunsicherung an den Finanzmärkten. Wie schätzen Sie dieses Risiko ein? Die Auswirkungen auf die Märkte in Europa und der Welt erscheinen mir sehr übertrieben. Zwar gehen die deutschen Exporte nach China zurück, sie machen aber nur einen kleineren Teil unserer Exporte aus. Bedeutender sind die Rückwirkungen auf die Finanzmärkte. Wenn es dort zu Überreaktionen kommt, trifft uns das.
Droht ein Einbruch in China? Das ist unwahrscheinlich. China durchläuft zwar einen holprigen Anpassungsprozess. Der Aktienmarkt hat dort jedoch keine so große Bedeutung. Außerdem sind die Einkommen in China insgesamt so viel niedriger als in Nachbarländern wie Taiwan und Korea, dass es noch ein großes Aufholpotenzial gibt. Wie erklären Sie sich dann die heftigen Kursreaktionen?
Es gibt zweifellos Risiken. Der chinesische Staat hat während der Finanzkrise stark in die Wirtschaft eingegriffen über Staatsausgaben und die Notenbank. Das hat dazu beigetragen, dass sich bei den Immobilienpreisen und Krediten für Unternehmen Risiken aufgebaut haben. Hinzu kommt, dass die Informationslage nicht die gleiche ist wie bei uns. Wir haben Daten, aber wir wissen nicht, wie verlässlich sie sind. Das verstärkt die Unsicherheit.
Wie wirkt sich das auf das Wachstum in Deutschland aus? Im Sachverständigenrat gehen wir für 2016 von einem Wachstum von 1,6 Prozent aus. Aus meiner Sicht gibt es derzeit keinen Grund, die Prognose zu reduzieren. Die schwächere Nachfrage aus China wird durch die positive Entwicklung in den USA und die Erholung der Euro-Zone kompensiert.
Volker Wieland Vita
Volker Wieland ist ein gefragter Experte für Geldpolitik. Der Professor für Monetäre Ökonomie lehrt an der Frankfurter Goethe-Universität und leitet das Institute for Monetary and Financial Policy (IMFS). Wieland hat in Würzburg und Albany im US-Bundesstaat New York studiert und an der Eliteuniversität Stanford promoviert. Danach arbeitete der Wissenschaftler fünf Jahre lang für die US-Notenbank Federal Reserve, bevor er im Jahr 2000 zurück nach Deutschland kam.
Seit 2013 gehört Wieland dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an. Das Gremium analysiert für die Bundesregierung die ökonomische Lage und erstellt einmal im Jahr ein Gutachten. Im jüngsten Bericht gingen die Wirtschaftsweisen in zwei Kapiteln auf die Geldpolitik der EZB ein. Ihre Empfehlung war eindeutig: Angesichts der Risiken für die Finanzstabilität solle die EZB ihre massiven Anleihekäufe verlangsamen oder früher beenden.
Welchen Effekt hat die Zuwanderung von Flüchtlingen auf das Wachstum? Der Effekt der direkten Ausgaben für die Flüchtlinge dürfte klein sein, er liegt etwa bei 0,1 Prozent für 2016. Das ist nicht der Treiber für die Wirtschaft. Was dann? Die wichtigste Stütze ist der private Konsum. Da hilft natürlich der niedrige Ölpreis. Wir haben hohe Lohnabschlüsse und Vollbeschäftigung. Hinzu kommen die niedrigen Zinsen und die Abwertung des Euros. In den USA hat die Notenbank Fed im Dezember erstmals seit fast zehn Jahren die Zinsen erhöht. Wie wirkt sich das auf die Euro-Zone aus? Das hilft der Euro-Zone eher, weil es den Wechselkurs des Euros drückt. Ich finde den Schritt positiv. Er kommt aber viel zu spät. Wenn man auf das Wachstum und die Preisentwicklung in den Vereinigten Staaten schaut, hätte die Fed viel früher handeln müssen. Dann hätte sich die EZB vielleicht nicht in so eine extreme Geldpolitik hineinmanövriert.
Aber die Preise in den USA steigen doch kaum. Im Moment ist das durch den Ölpreis verdeckt. Aber die Kerninflation ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise liegt bei über einem Prozent, und die Arbeitslosigkeit ist auf Normalniveau. Die Geldpolitik ist aber mit praktisch Nullzinsen immer noch in einer Extremsituation. Wir müssten deutlich höhere Zinsen haben.
Werden die Zinsen in den USA in diesem Jahr weiter steigen? Davon gehe ich aus. Es gibt aber große Unsicherheit, wo es mit den Leitzinsen längerfristig hingeht: Steigen sie auf zwei oder drei oder eher auf vier Prozent? Die Zinserwartungen der Märkte liegen deutlich unter den Prognosen der Fed. Ich finde, die Fed-Vorsitzende Janet Yellen fährt eine riskante Politik. Warum? Es ist zu befürchten, dass die Fed es nicht rechtzeitig schafft, die Zinsen so zu erhöhen, dass sie die Wirtschaft moderat abbremsen. Deswegen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Inflation in den USA überschießen wird, also zu stark hochschnellt. Es gibt aber noch eine weitere Gefahr. Und die wäre? Durch die lockere Geldpolitik sind die Vermögenspreise aufgepumpt. Wenn dann die Zinsen steigen und sich die Erwartungen, wo es längerfristig hingeht, möglicherweise drastisch ändern, können die Aktien- und Immobilienpreise einbrechen, und es besteht die Gefahr einer erneuten Rezession.
Würde das nicht für einen behutsamen Ausstieg sprechen? Sicher. Nur: Wenn Sie einen langen Weg in kleinen Schritten gehen wollen, dann müssen Sie früh anfangen, sonst schaffen Sie es nicht. Je länger Sie warten, desto größer das Risiko.