Zentralbank im Umbruch „Die Hälfte der Belegschaft wird weg sein“: Bundesbank sucht eine neue Strategie

Die Zentralbank plant in den kommenden Jahren umfangreiche Kampagnen, um neue Mitarbeiter zu gewinnen.
Frankfurt Die Deutsche Bank und die Commerzbank haben 2019 unter großer öffentlicher Anteilnahme neue Strategien verabschiedet, mit denen sie auf die Umwälzungen in ihrer Branche seit der Finanzkrise reagieren. In diesem Jahr ist nun eine Institution an der Reihe, die für das Wohl und Wehe der Republik mindestens genauso wichtig ist: die Deutsche Bundesbank.
Für Schlagzeilen hat ihre Neuausrichtung bisher noch nicht gesorgt, dabei wird in der Zentrale an der Frankfurter Wilhelm-Epstein-Straße seit Monaten intensiv an der neuen Strategie gefeilt. Am Ende könnte es „zu einer substanziellen Veränderung der Institution Bundesbank kommen“, sagte eine mit dem Prozess vertraute Person dem Handelsblatt. Beschlossen werden soll die neue Strategie, die von Mitte 2020 bis Mitte 2024 gilt, im Mai oder Juni.
Die Bundesbank hat entsprechende Informationen bestätigt – und dem Handelsblatt in einem Gespräch mit mehreren Zentralbereichsleitern einen Einblick in den Strategieprozess gegeben. Die Bank untersucht dabei, welchen Einfluss vier Megatrends auf sie und ihre Aufgaben haben: Nachhaltigkeit, der Wandel des internationalen Umfelds, die Digitalisierung und der demografische Wandel.
Besonders die letzten beiden Punkte treiben die nationale Notenbank und ihre gut 10.000 Mitarbeiter um. „Im nächsten Jahrzehnt werden die Digitalisierung und der demografische Wandel zu deutlichen Veränderungen bei der Bundesbank führen“, sagt Wilhelm Lipp, der als Zentralbereichsleiter für das Controlling zuständig ist. „In den nächsten gut zehn Jahren wird die Hälfte der Belegschaft weg sein.“
Einige Aufgaben würden im Zuge der Digitalisierung künftig von Maschinen übernommen, sagt Lipp. „Aber in vielen Bereichen müssen wir neues Personal finden beziehungsweise Mitarbeiter für neue Aufgaben qualifizieren.“
Dass der demografische Wandel die Bundesbank besonders hart trifft, liegt an der Altersstruktur des Instituts. Das Durchschnittsalter liegt bei 47 Jahren, in den meisten Filialen sogar deutlich über 50. Zum Vergleich: Bei der Deutschen Bank lag das Durchschnittsalter 2018 bei 42 Jahren. EZB-Mitarbeiter sind im Median 39 Jahre alt – dies ist der Wert, der in der Mitte steht, wenn man die Belegschaft nach Alter sortiert.
Die Bundesbank als Sprungbrett
Das hohe Durchschnittsalter der Bundesbanker ist unter anderem auf die geringe Fluktuation zurückzuführen, die unter zwei Prozent liegt. „Wer einen Job bei der Bundesbank hat, gibt diesen in aller Regel nicht mehr auf“, sagt die für Personal zuständige Zentralbereichsleiterin Diana Rutzka-Hascher. Und da die Notenbank in den vergangenen Jahren viele Filialen geschlossen und die Beschäftigten in der Regel in die nächstgelegene Filiale versetzt hat, wurden vergleichsweise wenig junge Mitarbeiter eingestellt.
Im Schnitt sind bei der Bundesbank in den vergangenen Jahren rund 130 Beschäftigte pro Jahr in Ruhestand gegangen – doch diese Zahl wird deutlich steigen. „Wenn in den nächsten Jahren die Baby-Boomer in Rente gehen, werden wir deutlich mehr altersbedingte Abgänge haben“, sagt Rutzka-Hascher. Sie erwartet, dass in den nächsten Jahren im Schnitt 330 Beschäftigte in Ruhestand gehen, in der Spitze könnten es bis zu 470 Mitarbeiter pro Jahr werden. „Das ist für uns eine Herausforderung.“
Die Bundesbank plant in den kommenden Jahren umfangreiche Kampagnen, um neue Mitarbeiter zu gewinnen – doch das wird nicht einfach. „Im Bereich IT, Mathematik und Technik wird es schwierig, geeignetes Personal zu finden, denn hier ist der Wettbewerb um Talente besonders groß“, sagt Rutzka-Hascher. Die Bundesbank könne Mitarbeiter nicht mit dem höchsten Gehalt locken, aber mit einem sicheren Arbeitsplatz. „Auch wenn es Veränderungen gibt, wird niemand entlassen.“
Außerdem wirbt die Institution damit, dass sich Beruf und Familie besser vereinbaren lassen als bei einem stressigen Bank- oder Beraterjob. Bei der Bundesbank können Mitarbeiter in Teilzeit arbeiten. Die Kita in der Zentrale hat von sieben bis 19 Uhr geöffnet. Und es gibt für alle Beschäftigten eine Zeiterfassung – und für jede Überstunde einen entsprechenden Ausgleich.
Neben den familienfreundlichen Rahmenbedingungen haben sowohl die Bundesbank als auch die Finanzaufsicht Bafin seit der Finanzkrise viele Mitarbeiter gewonnen, die „zu den Guten“ gehören wollten. „Wir kümmern uns um die Stabilität des Euros und des Finanzsektors – und tun damit am Ende etwas für das Gemeinwohl“, sagt Bundesbank-Kommunikationschef Michael Best.
Durch die Zusammenarbeit mit anderen Zentralbanken im Euro-System seien viele Jobs in der Bundesbank zudem internationaler als früher. „Einige sehen uns auch als Sprungbrett zur EZB, die mehr bezahlt und ein noch internationaleres Umfeld bietet“, berichtet Best.
Schwerpunkt digitale Währungen
Die Bundesbank entwickelt bereits seit 2002 Strategien für jeweils vier Jahre. Der aktuell laufende Prozess begann im September mit einem Führungskräftetreffen. Ende März will sich der Vorstand auf einer Klausur auf konkrete Maßnahmen einigen. Im Sommer wird die neue Strategie dann final verabschiedet.
Dabei wird es auch darum gehen, in welche Themen sich die Bundesbank besonders tief einarbeiten will, um in der Diskussion darüber auf europäischer Ebene eine Führungsrolle spielen zu können. „Zu den Analyseschwerpunkten in den kommenden Jahren zählen für uns die Themen digitale Währungen und Nachhaltigkeit“, erläutert Zentralbereichsleiter Lipp.
Der US-Internetkonzern Facebook hatte Politik und Zentralbanken im vergangenen Jahr mit seiner Ankündigung aufgeschreckt, eine digitale Währung namens Libra einführen zu wollen. Daraufhin gewann auch die Debatte an Fahrt, ob Zentralbanken einen digitalen Dollar oder Euro auflegen sollten.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sieht entsprechende Überlegungen skeptisch, will das Thema inhaltlich aber weiter eng begleiten. „Erst mal geht es darum, die positiven und negativen Seiten von digitalem Zentralbankgeld zu verstehen“, sagte er Anfang des Jahres im Handelsblatt-Interview. „Dann kann entschieden werden, ob es gebraucht wird und sich die Risiken beherrschen lassen.“
Die Digitalisierung ändert aber auch an vielen Stellen die Arbeitsweise der Bundesbank. Ein Beispiel sind die Übersetzer.
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